K.P. Hand

Das Gold der Felder


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Schwertscheide und lehnte an einem geöffneten und geleerten Weinfass, sein abgelegter Plattenpanzer lag daneben auf dem plattgetretenen Boden.

      »He, Knäblein!«, rief ihm der Mann unerwartet hinterher. »Wo wollen wir denn hin?«

      Gérard zuckte leicht zusammen, da er geglaubt hatte, der Mann würde tief und fest schlafen. Er blieb stehen und drehte sich neben dem Kopf seines müden und durstigen Pferdes zu dem Faulenzer um.

      Erst da begriff er, wie er genannt wurde, und setzte eine ärgerliche Miene auf. Er sollte mittlerweile an die bissigen Bemerkungen seiner Kameraden gewöhnt sein, trotzdem störte es ihn, dass er wegen seines jungen Alters und seiner knabenhaften Statur nicht ernst genommen wurde.

      Der Mann machte sich nicht die Mühe, aufzustehen oder auch nur den Blick zu heben. Er kaute lässig wie ein Landstörzer auf einem Strohhalm herum, die Arme gemächlich hinter dem Kopf verschränkt. Sein Leinenhemd stand offen, sodass die Sonne auf seine mit braunem Haar bedeckte Brust schien. Sein dunkelbraunes Kopfhaar reichte ihm bis zu den Schultern, es schimmerte wie eine Kastanie im Sonnenschein, und hing ihm so tief in der Stirn, dass es beinahe seine Augen bedeckte.

      Trotz, dass die Lider wegen der grellen Sonne und offensichtlichen Argwohns zusammengekniffen waren, schimmerte das helle Braun der Iris bis zu Gérard herüber.

      Dieses Schimmern sorgte letztlich auch dafür, dass er den anderen Mann einfach nur mit offenen Lippen staunend ansehen konnte.

      Was war das? Dieser seltsame Druck in seinem Bauch? Er fühlte sich plötzlich unwohl und befürchtete, sich auf der Reise eine Krankheit eingefangen zu haben.

      Der Mann zog eine dunkle Augenbraue in die Höhe. »Hat es Euch die Sprache verschlagen, Bursche?«

      Gérard riss sich ruckartig zusammen. Er erinnerte sich an seine Ausbildung und an die große Ehre, hier sein zu dürfen, obwohl er noch recht jung für seinen Dienstrang war.

      »Ich suche den Capitaine dieser Kompanie«, verkündete er und bemühte sich, stramm zu stehen.

      Ein schiefes Schmunzeln breitete sich auf den geschwungenen Lippen des anderen Mannes aus. »Ist das so?«

      Gérard nahm überdeutlich die tiefen Grübchen in dessen Mundwinkeln wahr. »Ganz recht«, bestätigte er und neigte formell sein Haupt. »Wenn Ihr also die Güte hättet, Euren faulen Mittagsschlaf zu beenden, um mir den Weg zu Eurem Capitaine zu weisen, verrate ich ihm vielleicht nicht, dass Ihr während dem Dienst schlaft.«

      Der Faulenzer streckte sich genüsslich, sich keinem Fehlverhalten bewusst. »Es ist schon Mittag?«

      Gérard war schockiert über den Mangel an Disziplin! Und darüber, dass dieser Soldat sich augenscheinlich nicht dafür schämte. Dort wo Gérard herkam, wurden noch nicht einmal hängende Schultern gestattet; und es war schon gar nicht erlaubt, faul während dem Dienst in der Sonne zu liegen.

      Er wollte sich jedoch nicht bereits am ersten Tag bei den Männern der Kompanie unbeliebt machen, also wartete er geduldig ab, bis sich der andere Mann gestreckt hatte und dann lässig auf die Beine kam.

      Eine unbekannte Hitze stieg Gérard in die Wangen, als er den unzureichend bekleideten Mann in aufrechter Haltung vor sich sah. Er war beeindruckend groß und breitschultrig. Seine schlanken Muskeln waren schon vom Weiten einschüchternd, dabei wirkte sein Körper keineswegs hünenhaft.

      »Nun denn, Bursche.« Er sprang von den Fässern und landete mit der Grazie einer Katze auf dem Boden. Sich die Hände abklopfend, schlenderte er auf Gérard zu, sodass dieser den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm auf sehen zu können. Der große Mann blieb stehen und lächelte dünn: »Der Capitaine steht vor Euch.«

      Herzstillstand. Gérard starrte aus großen Augen zu ihm auf und schluckte trocken. »Oh. Ich … äh … «

      »Und wer seid Ihr«, verlangte der Capitaine zu erfahren, sein musternder, sehr strenger Blick glitt schräg an Gérards Körper auf und ab, »Knabe?«

      Es kostete Gérard einiges an Überwindung, unter dem harten Blick des Capitaine nicht furchtvoll den Kopf einzuziehen.

      Warum war ihm nur plötzlich so heiß? Vermutlich wegen seines unverzeihlichen Fauxpas.

      Gérard überspielte seine Unsicherheit, indem er verkrampft Haltung annahm. »Die Armee schickt mich, Capitaine. Ich bin Euer neuer Sergent.«

      ***

      »Das soll wohl ein Scherz sein.« Capitaine Brix sprach nicht mit Gérard, sondern mit einem seiner Unteroffiziere. Er umrundete seinen Tisch im Inneren seines halbdunklen Zelts und stellte sich dahinter, während er den Soldaten entnervt ansah.

      »Sie ziehen den armen, alten Louie von hier ab, und mir schicken sie einen … einen …«, er suchte nach einem für ihn passenden Begriff und schwenkte abschätzig seine Hand in Gérards Richtung, » … einen Knaben von … von … Bei dem allmächtigen Herrn, wie alt seid Ihr?«

      Gérard stand augenblicklich noch etwas strammer und ließ sich seinen Ärger über den herablassenden Tonfall des Capitaine nicht anmerken. »Neunzehn, Capitaine. Ich bin neunzehn Jahre alt.«

      Nun … jedenfalls offiziell, und mehr brauchte er auch nicht zu wissen.

      Der Capitaine verengte argwöhnisch seine Augen und starrte Gérard einen nicht enden wollenden Moment lang an.

      Es schien, als wollte er mit diesem durchdringenden Blick direkt in Gérards Kopf und Gedanken sehen – oder ihn zumindest dazu bringen, vor ihm einzuknicken.

      Da Gérard standhaft und seine Miene unbewegt blieb – obwohl er innerlich zitterte wie ein verlorenes Lamm im Regen – nahm der Capitaine diese Antwort hin. Doch sein Argwohn wollte nicht aus seinem strengen Blick weichen.

      »Reichlich jung«, bemerkte er schließlich, »obwohl ich Euch sogar für noch jünger halte. Wie kommt Ihr zu diesem Dienstrang?«

      Er fragte dies in einem Wortlaut, der deutlich machte, dass er Gérard für einen Schwindler hielt.

      Gérard starrte weiterhin die Zeltwand hinter seinem Vorgesetzten an. »Ich glänzte durch taktisches Geschick, Klugheit und Disziplin, Capitaine. Ich führe eine Empfehlung der Krone mit mir.«

      Natürlich hatte Gérard nie persönlich den König oder auch nur einen von dessen Beratern angetroffen, aber die Krone verteilte derweil viele Anträge, um Soldaten zu den Heerlagern zu entsenden. Sie rüsteten auf, ganz gleich wie jung der Nachschub sein mochte.

      Als der Capitaine winkte, kramte Gérard in seinen Taschen und überreichte diesem das offizielle Dokument.

      Routinemäßig brach Capitaine Brix das Siegel des Königshauses und brauchte dann einen Moment, um die Zeilen zu lesen. Gérard war sich sicher, dass danach alles geregelt sein müsste, und konnte dahingehend nur Erleichterung empfinden.

      Seit dem Missverständnis vor einigen Augenblicken herrschte nämlich eine gewisse Spannung zwischen ihm und dem Capitaine, die er als dessen neuer Sergent gerne überwunden hätte. Solch ein erstes Zusammentreffen hätte niemals repräsentabel für ihre zukünftige Zusammenarbeit stehen dürfen. Gérard konnte nur hoffen, dass der Capitaine ihm seine Arroganz verzieh.

      Doch die geschwungenen Lippen des Capitaine wurden schmal. Er blickte von dem Dokument auf und fasste Gérard scharf ins Auge. »Sie schicken Euch, um zu lernen.«

      Es war keine Frage, trotzdem antwortete Gérard: »So ist es, Capitaine. Ihr habt noch immer einen lobenswerten Ruf als einer der besten Schwertkämpfer, Capitaine. Ich bin hier, um von Euch zu lernen.«

      Gérard nahm an, der andere Mann würde sich dadurch geschmeichelt fühlen, immerhin war es eine große Ehre, ein Lehrer zu sein. Es bewies, dass Capitaine Brix` Fähigkeiten herausragend waren und noch immer sind.

      Doch der Capitaine warf die Nachricht recht ernüchtert auf seinen Tisch und fuhr sich dann durch das braune Haar als sei er erschöpft. Er wandte sich an den anderen Soldaten, der stumm und ratlos neben ihm stand. »Sie wollen einen Lehrer aus mir machen …«