K.P. Hand

Das Gold der Felder


Скачать книгу

an einer Tischkante und beobachtete Brix bereits den ganzen Abend, wie er mit schönen Mädchen lachte und tanzte.

      Eine Dame schien es ihm besonders angetan zu haben. Sie war etwas älter, aber nicht viel älter als Brix selbst. Eine Witwe, wie Gérard sich denken konnte, sonst wäre ihr Gatte gewiss bereits dazwischen gegangen. Ihre weiblichen Rundungen wurden von einem einfachen Leinenkleid umschmeichelt, und auf ihren dunklen Locken saß ein weißes Bauernkäppchen, keck hingen zwei braune Strähnen in ihrem schönen Gesicht.

      Brix tanzte eine ganze Weile mit ihr, und je mehr er trank, je dunkler wurde sein Blick. Gérard erwischte sich bei der Vorstellung, Brix würde ihn so ansehen. Dem Lächeln des Capitaine hing etwas Verwegenes an, wenn er der Witwe leise zuflüsterte, dass sie rot wurde.

      Und er küsste sie.

      Es war nur ein kurzer, zierlicher Kuss, aber in ihm lag eine Zärtlichkeit, die Gérard beim Zusehen die Kehle zuschnürte und ihn gleichzeitig erschaudern ließ.

      Der Wirbelsturm an Gefühlen in seinem Inneren trieb ihn letztlich in die Flucht. Vor allem weil Jean ihn schon mehrfach danach fragte, warum er sich nicht unter die Mädchen mischte.

      Ja, warum eigentlich nicht?

      Gérard wusste es nicht, er hatte einfach keine Lust auf Gesellschaft. Nicht auf diese Art von Gesellschaft. Seine Augen lagen unentwegt auf Brix, der beim Tanzen genauso beeindruckend aussah wie auch beim Kämpfen, und dabei krampfte sein Magen, als müsste er sich gleich übergeben, obwohl er nicht krank zu sein schien.

      Gérard stand auf und schüttelte über sich selbst den Kopf. Er hatte den Capitaine nun wahrlich genug beobachtet, es wurde Zeit, dass er sich auf sein Lager zurückzog und sich in Träumen verlor. Denn in seinen Träumen war es ihm nicht verwehrt, seine Neugierde zu stillen.

      Er fühlte sich seltsam niedergeschlagen, als er durch die Nacht am Bach entlang schlenderte und gelegentlich lustlos gegen einen Ast oder Stein trat. Manchmal stellt er sich dabei Brix Bein vor … oder sein Gesicht.

      Gérard war äußerst verwirrt. Wie kann er sich gleichzeitig über einen einzigen Menschen ärgern und sich zu ihm hingezogen fühlen. Und dann auch noch zu einem Mann.

      War es nicht eine Sünde, diese glühend heiße Sehnsucht nach einem anderen Mann zu verspüren?

      Er blieb am Ufer stehen und betrachtete die fließende Wasseroberfläche des niedrigen Bachs, in der sich verschwommen die funkelnden Sterne des Himmelszelts spiegelten. In der Dunkelheit plätscherte das Wasser einsam und leise vor sich hin, wodurch sich Gérard seltsamerweise getröstet fühlte. Als wüsste der Bach um seine Zerrissenheit und würde sie mit ihm teilen. Beide flossen sie einfach nur so vor sich hin, getrieben von ihrer inneren Natur, doch war das wirklich die Richtung, in die sie fließen wollten?

      Was stimmte bloß nicht mit ihm? Was war falsch mit ihm?

      »Ihr geht schon, Sergent?«

      Gérard fuhr erschrocken herum. Und da stand er. Brix. Groß und männlich, trotz leicht schwankender Haltung und gekrümmten Schultern. Der Vollmond leuchtete sein kantiges Gesicht an, seine Lippen glänzten feucht vom Wein, und seine hellbraunen Augen wirkten glasig. Sein Haar war zu einem Zopf gebunden aber zerzaust, als hätte er sich mehrfach hindurchgefahren, und seine Nasenspitze leuchtete rot wie die Blüte einer Rosenknospe.

      Er war benebelt, und offensichtlich wollte er sich gerade erleichtern.

      Gérard nickte nur, er wagte nicht, auch nur ein Wort zu sagen. In der Nacht, und vor allem im weißen Mondschein, besaß Brix eine noch stärkere Faszination auf ihn als sonst.

      Brix zuckte mit den Schultern und torkelte leicht benommen zu einem Baum. Er öffnete ungeachtet der Tatsache, dass Gérard ihn verträumt anstarrte, seine Hose und erleichterte sich mit einem zufriedenen Stöhnen.

      Sogar betrunken wirkte sein schneidiges Profil unheimlich anziehend.

      Gérard kniff gequält die Augen zusammen und schüttelte wieder über sich den Kopf. Sein Magen verkrampfte derart heftig, dass er vor Schmerz fast gestöhnt hätte.

      »Alsdann«, verabschiedete er sich eilig und machte kehrt, um zu den Zelten zurückzukehren, wo er wie jede Nacht allein auf sein Lager sinken würde, den Kopf voll verbotener Sehnsüchte und Träume.

      Doch er war noch nicht weit gegangen, als ihn eine Hand grob an der Schulter packte und an ihr riss.

      Ungewollt wirbelte er zu Brix herum und starrte ihn aus großen Augen erstaunt an.

      Brix` geschwungene Lippen wirkten grimmig. »Warum siehst du mich immer so an?«

      Gérard blinzelte überrascht. »Wie sehe ich Euch denn an?«

      »Na … so eben.« Brix kam näher, zog aber den Kopf mit einem misstrauischen Blick zurück, als näherte er sich einem kranken Tier. Oder etwas Übelriechendem. »So … verträumt. Mit halbgeschlossenen Lidern und träumerisch schimmernder Iris. Und immer steht dein Mund offen.«

      Gérard starrte ihm mit dem erwähnten Blick einfach nur auf die Lippen. Er konnte nicht denken, er konnte nicht zuhören, er hörte nur seinen eigenen Herzschlag in den Ohren hämmern und konnte sich nur auf den Krampf in seinem Bauch konzentrieren.

      Es fühlte sich an, als müsste er sterben, wenn er nicht … wenn er nicht bald irgendetwas von Brix bekam, und sei es nur eine flüchtige Berührung.

      »Warum beobachtest du mich?« Brix ging dazu über, Gérard wie eine Raubkatze zu umrunden. Er war nah, sehr nahe, sodass Gérard die Wärme seines Körpers wahrnehmen aber nicht auf der Haut spüren konnte. Sein heißer Atem streifte Gérards Nacken, der unwillkürlich erschauderte.

      Gérard schluckte und drehte das Gesicht über die Schulter. »Ich kann einfach nicht wegsehen, Capitaine.«

      Er hatte lügen wollen, aber die Lüge wollte nicht über seine Lippen. Er glaubte, bald an seiner Sehnsucht ersticken zu müssen, wenn er sie weiterhin verheimlichte. Doch der Tod könnte ihn auch treffen, sollte er sich offenbaren. Ganz gleich was er tat, es würde wohl unschön für ihn enden.

      Brix umrundete ihn, sodass Gérard über die andere Schulter sehen musste, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Etwas Seltsames lag auf dem Gesicht des Capitaine. Überraschung? Neugierde? Gérard konnte es nicht deuten.

      »Ich weiß, dass du jeden Morgen zum Bach kommst«, hauchte Brix mit einer gesenkten Stimme, die Gérard eine Gänsehaut bescherte. »Aber du badest nie, du siehst mich einfach nur an.«

      Er schloss bei der Erinnerung genüsslich die Augen und merkte an: »Wenn Ihr es wisst, warum badet Ihr dann jeden Morgen dort?«

      Wieder vor ihm angelangt, blieb Brix stehen und musterte nachdenklich sein Gesicht, er blieb ihm die Antwort jedoch schuldig. Vermutlich wusste er es selbst nicht, denn in seinen Augen stand beinahe die gleiche Verwirrung, die Gérard seit Wochen verspürte.

      »Du kommst nicht mehr.« Brix flüsterte plötzlich. »Warum hast du aufgehört?«

      Gérards Herz raste, sodass er das Nachhallen des Klopfens in der Kehle spüren konnte. Er schluckte laut, war aber nicht im Stande, seinen verhangenen Blick von dem Gesicht des anderen abzuwenden. »Wollt Ihr die Antwort darauf wirklich hören?«

      Brix legte verwundert den Kopf schief, das Mondlicht spiegelte in seinen schimmernden Augen. »Das mag wohl auf die Antwort ankommen.«

      »Und wenn ich falsch antworte?« Gérards armes Herz schlug immer höher.

      Brix starrte ihn einen momentlang reglos an, bis Gérard beinahe glaubte, er sei zu einer Statue erstarrt. »Ich kann deinen Worten nicht folgen.«

      Gérard schluckte noch ein weiteres Mal laut, während er dem Blick des Capitaine standhielt. »Und ich kann meinen Gedanken plötzlich nicht mehr folgen …«

      Brix schaute äußerst kritisch drein.

      Da schlug Gérard die Augen nieder und atmete schwer. »Ich …« Er suchte nach Worten, denn er war nicht mehr fähig, zu schweigen