K.P. Hand

Das Gold der Felder


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immer tat – und sich von der aufgehenden Sonne blenden ließ, fiel plötzlich ein Schatten über ihn.

      Gérard blinzelte überrascht in die samtweichen Nüstern seines von der Armee gestellten Pferdes.

      Brix warf ihm die Zügel auf den Bauch. »Komm mit!«

      Ohne darauf zu warten, ob Gérard ihm folgen würde, wandte er sich ab. Er führte seinen eigenen, weißen Hengst an den Zügeln den Hügel hinauf auf den Weg.

      Gérard beeilte sich, auf die Beine zu kommen, obwohl er sich über Brix maßlos ärgerte. Er hatte ihn tagelang ignoriert und nun gab er ihm wie selbstverständlich Befehle, als wäre nichts geschehen. Aber Gérard war viel zu sehr in Brix` Bann gezogen, um sich trotzig zu wiedersetzen. Nein, dafür wollte er viel zu gerne Zeit mit ihm verbringen.

      »Was machen wir?«, fragte Gérard, als er seinen Hengst neben Brix führte und genau wie dieser in den Sattel stieg.

      »Wir reiten aus«, lächelte Brix und trabte davon.

      ***

      Sie ritten ein Stück den Berg hinauf. Der Pfad war schmal, steinig und frei, kein Baum weit und breit, sodass sich neben ihnen die scheinbar unendliche Weite der Provinz erstreckte. Zum Glück waren sie geübte Reiter, deren Tiere ihnen vertrauten, denn immer wieder brachen lose Steine unter den Hufen der Tiere weg und rollten den Berg hinab. Gérard konnte es nicht lassen und zeigte Brix mit kindlichem Frohsinn, welch toller Reiter er doch war. Dabei erzählte er stolz, wie er als Siebenjähriger von seinem Vater auf den Rücken eines Pferdes gesetzt wurde und er umgehend wusste, wie man ritt. Natürlich war es überwiegend dem Tier zu verdanken gewesen, dass es sich mit einer bemerkenswerten Seelenruhe von einem übermütigen Jungen an den Zügel reißen gelassen hatte. Aber davon erzählte Gérard aus gutem Grund nichts.

      Brix hörte dem allem mit einem belustigten Schmunzeln zu.

      Als der Weg abfiel, trieben sie die Rösser den Berg wieder hinab und landeten schließlich in einem kleinen Wäldchen.

      Waren sie noch in der Provinz? Gérard wusste es nicht, es war ihm auch egal. Wo sie hin ritten, gab es keine Zivilisation, sie wurden von dem gedämpften Licht des Waldes und dessen Abgeschiedenheit verschluckt. Allein! Ging es Gérard durch den Kopf. Sie waren hier wahrhaftig allein. Nur er und Brix, weit entfernt von der Kompanie, die in den letzten Tagen immer wieder zwischen sie geraten war.

      Vielleicht war Brix gar nicht wütend auf Gérard gewesen, sondern auf den Umstand, dass sie ständig irgendwie unter Beobachtung standen. Gérard wollte es gerne glauben. Jedenfalls schien Brix an jenem Tag entspannter, je weiter sie sich vom Lager entfernten.

      An einem verborgenen Waldsee stiegen sie ab. Es war ein wirklich kleiner See umringt von dichtstehenden Bäumen, über dessen dunkler Wasseroberfläche ein Schwarm Fliegen schwirrte, ein Frosch quakte irgendwo im Schilf, und ein umgefallener Baum diente als schmale Brücke, die über den See führte.

      Brix ging am Ufer in die Hocke und tunkte eine Hand hinein. »Die Sonne hat das Wasser erhitzt.«

      Seen waren ohnehin etwas wärmer als Bäche, da sich das Wasser nicht wirklich bewegt. Die Sonne hatte Gelegenheit, es zu erhitzen, doch je tiefer man taucht, je kälter wurde es. Das hatte Gérards Vater ihm einst erklärt.

      Gérard hüpfte umgehend zum Ufer und streifte noch im Lauf das Hemd vom Körper. Stolpernd riss er sich die Stiefel von den Füßen und rannte lachend ins Wasser.

      Brix kicherte dunkel und wartete keine Einladung ab. Er zerrte sich die Kleider vom Leib, ging bis zu den Schenkeln in das dunkle Seewasser und sprang dann kopfüber hinein. Er tauchte wie ein Delphin an Gérard vorbei und kam hinter ihm mit tropfnassem Gesicht wieder zum Vorschein. Gérard konnte seine Eleganz nur bewundern.

      Kopfschüttelnd und schnaubend befreite Brix seine Sicht von Wasser und Haar, dann schwamm er mit einem schiefen Schmunzeln und verengten Augen auf Gérard zu. Noch bevor dieser sich der Gefahr gewahr wurde – weil Brix` Anblick ihm jeglichen klaren Gedanken raubte – wurde er von Brix gepackt und unter die Wasseroberfläche gedrückt.

      Er wehrte sich umgehend und versuchte seinerseits, Brix einfach mit sich nach unten zu ziehen. Lachend kämpften sie im Wasser wie zwei kleine Jungen. Gérard wäre nicht überrascht gewesen, wenn seine Mutter ihn an den Ohren aus dem See gezogen und ihn getadelt hätte.

      Aber niemand kam, niemand störte sie. Sie waren gänzlich allein.

      Gérard konnte der Versuchung nicht widerstehen und umschlang Brix mehr als wirklich notwendig. Er hielt sich an den breiten Schultern und Armen fest, krallte sich in das kräftige Nackenhaar, schlängelte unter Wasser seine Beine um die die Schenkel des Capitaine und rieb ganz unbewusst seinen schlanken Leib an den harten Muskeln des anderen. Währenddessen spürte er überdeutlich Brix´ raue, große Hände auf seinem Körper, die mal hier und mal dort zupackten, aber gelegentlich auch recht sanft über seinen Rücken oder seine Schultern streiften, als könnten sie nicht genug von ihm bekommen.

      Die Sehnsucht in Gérards Magen brannte bald darauf lichterloh, und er empfand eine seltsame Wärme in der Lendengegend, die er nicht mit der üblichen Begierde vergleichen konnte. Wie heißes, flüssiges Gestein, das von seinem Steißbein entsprang und sich in seine untere Körperregion ausbreitete.

      Er umfasste Brix` Schultern und zog sich an ihn heran, drückte ihn etwas tiefer ins Wasser und sich daraus hervor, sodass er über dessen Gesicht ragte. Brix` Hände hielten ihn knapp unter den Achseln fest. Ihre Lippen schwebten dicht übereinander und sie sahen sich einen Herzschlag lang reglos in die Augen. Wieder schien die Luft um sie herum zu Knistern, obwohl am Himmel nur die grelle Sonne stand.

      Brix packte ihn irgendwann bei den Schultern, stieß ihn von sich und drückte sich gleichzeitig weg. Er tauchte unter und gönnte ihnen beiden eine Pause, um zu Vernunft und Atem zu kommen.

      Gérard seufzte frustriert und sank kerzengerade hinab in die Tiefe, damit die Kälte sein Fieber lindern konnte.

      Doch nichts vermochte dies mehr.

      ***

      »Gut! Gleich noch mal!« Brix lehnte sich ihm entgegen und winkte ihn ermutigend heran.

      Gérard atmete tief durch, dann sprang er erneut auf ihn zu, geriet aber wieder ins Schwanken, als sein erster Hieb abgeblockt wurde. Er ruderte mit den Armen und riss die Augen furchtvoll auf.

      Als Brix seinen linken Bizeps ergriff, krallte er sich an ihm fest, um nicht zu fallen.

      Erst als er wieder sicher auf dem schmalen Baumstamm stand, lachten sie beide vergnügt auf.

      Brix hatte Schwerter mitgenommen, und nach dem Bad im See vorgeschlagen, auf dem umgestürzten Stamm zu üben. Um das Gleichgewicht zu trainieren, meinte er, doch Gérard konnte dem beim besten Willen nichts abgewinnen.

      »Du fürchtest den Aufprall, das ist dein Problem«, tadelte Brix ihn. Allerdings klang seine Stimme ungewohnt nachsichtig. Er ließ Gérards Arm los und trat einen Schritt zurück, sodass der Baum unter ihren Füßen wieder zu schwanken begann. »Deine Gedanken sind nur auf den Fall konzentriert, dabei ist der wahrscheinlichere Tod immer die Waffe deines Gegners.«

      Brix wippte mit den Beinen und brachte den Übungsplatz in Schwingungen. Verhalten fluchend versuchte Gérard, sein Gleichgewicht zu behalten, doch das war gar nicht so einfach, wenn er in der einen Hand das Schwert hielt. Er musste die richtige Mitte finden, um nicht runter zu fallen. Was ihm nicht gelang, also suchte er Halt an Brix` Schulter. Der Capitaine war so gutmütig, ihn am Ellenbogen zu fassen und festzuhalten.

      Und so sollte er kämpfen?

      Unmöglich!

      Brix lachte geradezu hämisch, sodass er sich einen ärgerlichen Blick aus Gérards tiefblauen Augen einhandelte.

      »Wo vor hast du denn Angst?«, fragte Brix schließlich, sein Lächeln war unerträglich überheblich.

      Gérard stieß ungläubig den Atem aus. Als wäre das nicht offensichtlich. »Davor, zu fallen!«

      »Und