Bettina Lorenz

Yasirahs Erbe - Die Prophezeiung


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Frage, ob du mich heute überhaupt noch mit deiner Anwesenheit beehren möchtest?»

       Während Anne sich aufregte, war Celina immer noch schlaftrunken und orientierungslos. Krampfhaft versuchte sie herauszufinden, welcher Tag heute war, aber es wollte ihr einfach nicht einfallen. Auch Anne entging das nicht:

       «Hallo, aufgewacht!»

       Eine Pause entstand und Celina wurde schnell klar, dass irgendeine Reaktion von ihr erwartet wurde. Sie räusperte sich, aber die Antwort fiel ziemlich kleinlaut aus:

       «Sorry, hab verschlafen. Mir war nicht einmal klar, dass wir uns heute treffen wollten.»

      Das war definitiv nicht die passende Aussage gewesen, erkannte sie daran, dass Anne hörbar nach Luft schnappte und es dann erschreckend still wurde.

      Oh nein! Anne und Stille waren eine ganz gefährliche Kombination. Jetzt kann ich mich warm anziehen, dachte sie noch so bei sich und dann folgte das Donnerwetter auch schon auf dem Fuß:

      «Miss Young, wir waren zum gemütlichen Frühstück verabredet, aber du scheinst ja eindeutig Wichtigeres zu tun zu haben. Obwohl ich auch nicht so recht weiß, ob Schlaf so viel wichtiger ist, als Professor Thomsons Eindruck von dir, wenn du gleich am Anfang des Semesters zu spät zu seiner Vorlesung kommst. Du hast jetzt noch genau dreißig Minuten Zeit hier zu erscheinen oder mir einen wirklich überzeugenden Grund zu nennen, warum du nicht kommst. Sollte dir weder das Eine noch das Andere gelingen, werde ich dir unwiderruflich die Freundschaft kündigen!»

       Da war sie wieder: Anne die Dramaqueen! Natürlich übertrieb sie maßlos, aber die Standpauke schien tatsächlich zu helfen. Celinas Gehirn nahm langsam seinen Betrieb auf und das brachte sie auch in die Realität zurück. Ihr dämmerte, dass es bereits Montag sein musste und das bedeutete, dass das neue Semester genau heute anfing. Noch ein kurzer Blick auf den Wecker und sie wusste, dass sie wirklich viel zu spät dran war. Endlich auf dem Boden der Tatsachen angekommen, stieg ihr sofort das Blut in den Kopf und sie bekam Ohrensausen. Ruckartig setzte sie sich auf.

       Viel zu schnell, wie ihr Körper sofort signalisierte, als sich der ganze Raum um sie herum zu drehen begann, aber das war jetzt wirklich ihr geringstes Problem.

       «Mist! Wir treffen uns in fünfzehn Minuten vorm Hauptgebäude. Warte bitte auf mich, bis gleich», war alles was sie noch sagen konnte, bevor sie das Telefon auf den Nachtschrank pfefferte und aus dem Bett sprang.

      Celina flitzte ins Bad, um es nach knapp fünf Minuten schon wieder zu verlassen. Wieder einmal war sie froh darüber, nicht zu den Tussis zu gehören, die am Morgen eine Stunde vor dem Spiegel brauchten. Ein kurzer Blick aus dem Fenster reichte aus, um zu sehen, welche Kleidung für heute angebracht sein würde. Es schien ein schöner Tag zu werden. Also öffnete sie den Kleiderschrank und entschied sich für eine leichte schwarze Bluse und Blue Jeans.

      Wie einfallsreich, dachte sie genervt.

      Ihr langes, braunes Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern und sie entschied sich, es heute ausnahmsweise einmal offen zu tragen. Es würde sie wahrscheinlich sowieso niemand beachten. Das Einzige, was sie an sich wirklich schön fand, waren ihre großen, mandelförmigen, grünen Augen. Da sie aber eh niemanden nah genug an sich heranließ, um diese zu bemerken, würde sie damit auch keine Punkte machen. Ansonsten fand sie sich einfach nur durchschnittlich. Natürlich waren Anne und Marie da vollkommen anderer Meinung. Aber Celina konnte keinen der Vorzüge erkennen, die Andere angeblich in ihr sahen.

      Na klar, jetzt zerfließe ich auch noch vor Selbstmitleid. Genau der richtige Zeitpunkt, schallt sie sich und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.

      Mit einem letzten missbilligenden Blick auf den Spiegel verließ sie ihr Zimmer.

       Gerade einmal zehn Minuten nach dem unangenehmen Weckruf ging sie aus dem Haus und stieg in ihren roten Honda Civic.

       Sie warf ihren Rucksack achtlos auf den Beifahrersitz, startete den Motor und fuhr los.

      Auf den Straßen war kaum Verkehr. Das war aber nicht weiter verwunderlich, da Celina in einer Kleinstadt lebte.

       Fort Kain lag im Bundesstaat Michigan und hatte gerade einmal sagenhafte fünftausend Einwohner. In diesem Ort gab es wirklich nicht viel zu sehen, aber wenigstens befand sich in der Nähe eine Universität.

       An dieser studierte die neunzehnjährige Celina seit nunmehr fast zwei Jahren Biologie. Zwar hatte sie sich nach dem Schulabschluss für mehrere Universitäten beworben, aber am Ende war ihre Wahl doch auf die ortsansässige Greenwald University am Lake Michigan gefallen.

       Ihre Tante Marie war entsetzt gewesen!

       Sie hatte sich so gefreut, als Zusagen von mehreren der sogenannten „Eliteuniversitäten“ gekommen waren.

       Aber Celina hatte einfach aus dem Bauch heraus anders entschieden.

       Sie war durchaus zufrieden damit, weiterhin in Fort Kain zu leben, da sie kein Interesse daran hatte, in eine dieser total versnobten Großstädte zu leben. Sie liebte es, einfach aus dem Haus zu gehen und die Natur um sich herum zu haben. Wenn man Glück hatte, begegnete einem unterwegs manchmal nicht eine Menschenseele und man konnte einfach nur die Ruhe genießen.

       Außerdem versetzte es die junge Studentin in die durchaus komfortable Lage, weiterhin zu Hause wohnen bleiben zu können und somit musste sie sich auch keine Sorgen machen, dass ihre egozentrische, künstlerisch so talentierte, verrückte Tante vereinsamen würde.

       Marie war immerhin die Letzte aus Celinas Familie, die ihr geblieben war.

       Celinas Vater starb kurz nach ihrer Geburt bei einem Autounfall mit Fahrerflucht. Der Täter konnte nie gefasst werden und als ob das alleine nicht schon schlimm genug wäre, hatte ihre Mutter vor sechzehn Jahren entschieden, dass es ganz toll wäre, sich auch noch aus dem Staub zu machen.

       Eines Nachts hatte sie vor Tante Maries Tür gestanden und ihr kleines Mädchen in deren Obhut gegeben, bevor sie einfach spurlos verschwand.

       In einer Kleinstadt wie dieser hatte es für einen Riesenskandal gesorgt.

       Marie hatte Celina damals, trotz ihres jungen Alters, mit offenen Armen empfangen und ihr die schönste Kindheit gegeben, die man sich nur vorstellen konnte. Sie wurde geliebt, hatte alles was sie brauchte und konnte sich eigentlich nicht beklagen.

       Das war wahrscheinlich auch der einzige Grund, der sie daran hinderte ihre Mutter abgrundtief zu hassen. Obwohl sie natürlich während ihrer Pubertät auch eine solche Hass-Phase hinter sich gebracht hatte.

       Zu diesem Zeitpunkt war es ihr so schwergefallen, andere Mütter mit ihren Töchtern zu sehen.

       Sie unternahmen Frauendinge, redeten über Jungs und verstanden sich einfach. Natürlich stritten sie sich auch, aber nicht einmal das hatte Celina von ihrer Mutter gehabt. Es hatte einfach nur wehgetan und sie war so unendlich wütend über ihren Verrat gewesen. Erst als Celina reif genug war, erkannte sie, dass ihre Tante genau diesen Part einer Mutter zu hundert Prozent zu erfüllen versuchte und sie sehr darunter litt, dass ihre kleine Nichte das anscheinend nicht so sah.

       Von Schuldgefühlen getrieben, beschloss sie mit der Vergangenheit abzuschließen.

       Sie entschied sich, nie wieder ein Wort darüber zu verlieren und seitdem ging es ihr auch wieder gut.

       Schluss. Aus. Ende der Geschichte!

      Ein weiterer Grund der Celina zum Bleiben bewegte, war ihre beste Freundin Anne.

       Eigentlich fiel es ihr im Allgemeinen schwer Freundschaften zu schließen. Es lag auf gar keinen Fall daran, dass sie irgendwie abstoßend auf die Leute wirkte, aber Celina kapselte sich gerne von den Anderen ab und hing ihren Gedanken nach. Nur Anne hatte es geschafft, ihren inneren Schutzwall zu durchbrechen und deshalb genoss sie seit frühster Kindheit ihr uneingeschränktes Vertrauen.

       Anne war die einzige Person, der ihre soziale Inkompetenz einfach nichts auszumachen schien und so sollte es doch auch sein. Oder?

      Und da stand sie auch schon. Mit hochrotem Kopf wartend und nervös auf die Uhr starrend.

       Reumütig schlich Celina auf Anne zu