Bettina Lorenz

Yasirahs Erbe - Die Prophezeiung


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war es Freitag.

       Gegen siebzehn Uhr hatte Celina es dann auch endlich geschafft nach Hause zu kommen. Anne fühlte sich heute kränklich und war deshalb besonders wehleidig gewesen. Celina war bei ihr geblieben, bis Annes Mutter den Pflegedienst übernommen hatte und sie endlich beruhigt gehen konnte.

       Wie gewohnt stand Maries Ford Focus in der Auffahrt und Celina parkte direkt dahinter.

       «Hallo. Wie war dein Tag», rief sie, als sie die Haustür aufschloss und ihre Tasche geräuschvoll auf die Garderobenablage fallen ließ.

       Maries fröhliche Antwort kam aus dem Atelier:

       «Super und deiner?»

       Zu antworten lohnte sich nicht wirklich. Marie war sicher schon wieder voll und ganz in ihre kreative Arbeit versunken. Celinas Tante hatte das Glück, mit ihrem künstlerischen Schaffen tatsächlich die Familie ernähren zu können und deshalb malte sie den ganzen Tag und wenn ihre Nichte nicht auf sie achten würde, würde sie wahrscheinlich darüber hinaus auch noch das Essen und Schlafen vergessen.

       Celina war drauf und dran, zu ihr zu gehen und sich bei ihr auszukotzen, weil Annes ständige Sticheleien sie langsam an sich selbst zweifeln ließen.

       In solchen Augenblicken legte sie viel Wert auf die Meinung ihrer Tante.

       Denn eins musste man dieser echt lassen: hatte man irgendein Problem, konnte man immer zu ihr kommen. Sie würde sich dann alle Zeit der Welt nehmen, um zuzuhören, Ratschläge zu erteilen oder einen einfach nur in den Arm zu nehmen.

       Etwas davon hätte sie jetzt echt gut gebrauchen können.

       Aber weil ihr dermaßen der Magen knurrt, entschied sie sich dagegen und ging lieber in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.

       Mit Hunger ließen sich schließlich selten Probleme lösen.

       Im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie unbedingt mehr kochen sollte, weil ja das tolle Exkursionswochenende vor der Tür stand. Wie sie aus eigener Erfahrung wusste, war Marie eine miserable Köchin.

       Celina würde es zwar nicht beschreien, aber sie war sich fast sicher, dass ihre Tante es sogar schaffen würde, Wasser anbrennen zu lassen und deshalb war auch die Mikrowelle ihr liebstes Küchengerät.

       Wenn sie ihr nicht wenigstens eine halbwegs brauchbare Alternative zu ihrem über alles geliebten Fast Food bieten würde, müsste sie danach nur wieder eine Woche mit ihr diskutieren, warum man sich nicht immer so unkonventionell ernähren konnte. Ihr Totschlagargument würde sein, dass es ja an diesem Wochenende auch geklappt hatte und darauf hatte Celina nun wirklich keinen Bock. Es hatte ewig gedauert, bis ihre Nichte sie davon überzeugt hatte, dass sie ab jetzt den Kochdienst übernehmen würde. Damals war sie zwölf Jahre alt gewesen und Marie hatte murrend nachgegeben, weil sie nicht diskutieren wollte. Was wirklich selten vorkam.

       Celinas eigene Kochkünste waren zwar auch nicht herausragend, aber immerhin halbwegs passabel und definitiv besser als Maries.

       Sie bereitete eine große Lasagne vor, schob sie in den Herd und ging nach oben.

      Celina hatte das größte und schönste Zimmer im Haus. Die bodenlangen Fenster gaben einen fantastischen Blick auf den Wald frei, der direkt hinter dem Haus anfing.

       Trotzdem war das Zimmer wunderbar hell und um dies noch zu unterstreichen, hatte sie es komplett in Weiß gehalten.

       Sie öffnete die Fenster ganz weit, atmete die frische Luft ein und setzte sich an ihren großen Schreibtisch, weil sie sich vorgenommen hatte, ihre Aufgaben unbedingt noch zu erledigen, bevor das Essen fertig war. Eine Stunde sollte doch vollkommen ausreichend sein.

      Punkt achtzehn Uhr hatte sie ihr Tagesziel erreicht und das Essen stand auf dem Tisch.

       Tatsächlich hatte Marie es sogar geschafft, sich von ihrer Arbeit loszureißen, sodass sie jetzt gemeinsam aßen.

       Das kam zwar selten vor, aber es war eine gute Gelegenheit noch einmal die Exkursion anzusprechen. Schließlich wollte sie ja nicht, dass ihre vergessliche Tante morgen aus allen Wolken fiel.

       «Ich hoffe, du hast daran gedacht, dass ich dieses Wochenende nicht da bin.»

       «Das war dieses Wochenende? Das hab ich ja total vergessen! Bist du dir ganz sicher», rief sie mit gespieltem Entsetzen.

       Celina hätte sich jetzt aufregen können, aber sie entschloss sich, das Spiel mitzuspielen und fragte ängstlich:

       «Kommst du wirklich klar oder soll ich lieber hierbleiben? Es findet sich bestimmt auch noch ein anderer Termin. Ich muss nicht gehen, wenn du dir das nicht zutraust.»

       Das hatte gesessen. Sie erntete einen nicht ganz ernst gemeinten, düsteren Blick und war zufrieden.

       «Mein liebes Fräulein, nur um hier mal die Fronten zu klären: ich bin in dieser merkwürdigen Beziehung die Erwachsene und du bist das Kind. Du bist zwar jetzt schon neunzehn, aber selbst in zwanzig Jahren wird sich daran nichts ändern. Ob dir das nun passt oder nicht. Akzeptier das bitte!»

       Celina schenkte ihr ein sanftes Lächeln und ermutigte sie ungewollt zu einem Themenwechsel:

       «Apropos, Kind. Ist es nicht eigentlich normal für Studenten, Freitagabend alle Verantwortung über Bord zu werfen und sich so richtig gehen zu lassen. Partys, Jungs, jede Menge Alkohol und so weiter? Was machst du heute Abend Schönes?»

       Celina war klar gewesen, dass diese Frage kommen würde und doch verdrehte sie die Augen, weil es sie wirklich nervte.

       Dementsprechend fiel dann auch die Antwort aus:

       «Ich werde mit dir, wie jeden Freitagabend, dieselbe Diskussion führen, dass ich lieber zuhause bleiben möchte. Ich sag dir auch gleich, dass du mich dieses Mal nicht umstimmen kannst. Anne geht es nicht so gut und deshalb kann ich nicht mal zu ihr fahren, damit du deinen Willen kriegst. Also versuch es bitte gar nicht erst. Außerdem muss ich morgen wirklich früh raus, weil wir uns schon um sieben vor der Uni treffen und dann mehrere Stunden durch den Wald tigern, um in einem unbequemen Zelt in Klassenfahrtatmosphäre zu campen. Also verschone mich bitte mit deiner Vorstellung von meiner Abendplanung!»

       Ihr Gegenüber grinste sie breit an. So mochte Celina Marie am liebsten. Ihre Augen hatten dann so ein Funkeln und sie versprühte eine Fröhlichkeit, der man sich einfach nicht entziehen konnte.

       «Ok, für heute gebe ich mich geschlagen, aber beim nächsten Mal brauchst du wirklich bessere Ausreden», feixte sie und befand sich schon auf halben Weg zu ihrem Atelier.

       Celina sprang auf und wollte gerade den Tisch abräumen, als Marie noch einmal den Kopf durch die Küchentür steckte.

       «Hauptsache du weckst mich morgen früh nicht. Um sieben ist wirklich eine unchristliche Zeit, dafür das ja eigentlich Wochenende ist…»

       Bevor sie den Satz beenden konnte, traf sie ein Geschirrhandtuch am Kopf.

       Volltreffer!

      Aber die Beschossene ließ sich gar nicht weiter stören. Sie warf es geschickt zurück und tänzelte summend zurück ins Atelier.

      Als Celina den Geschirrspüler eingeräumt hatte, ging sie wieder in ihr Zimmer. Nach Fernsehgucken stand ihr heute nicht der Sinn.

       Wieder einmal!

      Deshalb holte sie sich einen dicken Wälzer von ihrem Schreibtisch und machte es sich auf dem Bett gemütlich.

       Gegen Mitternacht kam Marie in ihr Zimmer und wünschte ihr ein schönes Wochenende und eine gute Nacht.

       Schweren Herzens legte das Mädchen das Buch weg und ging ins Bad. Sie hatte es nicht eilig ins Bett zu kommen und sich abermals den Alpträumen zu stellen, deshalb ließ sie sich besonders viel Zeit beim Waschen und Zähneputzen. Erst als es sich wirklich nicht mehr aufschieben ließ, ging sie endlich ins Bett und knipste das Licht aus. Inzwischen war es bereits halb eins.

       Jetzt lag sie im Dunkeln und wartete wie immer darauf, dass die Müdigkeit sie dazu zwang einzuschlafen. Nach einer ganzen Weile hatte das Bedürfnis nach Schlaf gesiegt und Celina entglitt in die Traumwelt.

      Am