Annette Kautt

Flupp!


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Am Sonntag streckte die Flupppuppe ihre Plastik-Beine durch das Fenster eines Zuhörers, dann gab es Suppe und alles wurde wieder gut.

      Das Lied der Flupppuppe hatte folgenden Text:

      Ich bin die tolle Puppe,

       nur mit mir gibt’s Suppe.

       Bist du mal alleine,

       dann rufe meine Beine:

       Meine zarten, schlanken

       prallen Hinterpranken

       Zick zack zong

       ohne Gong!

      Ich bin die tolle Puppe

       Nur mit mir gibt’s Suppe.

       Ich helfe immer allen,

       den Menschen und den Quallen.

       Doch wenn du meine Beine stichst,

       dann helfe ich dir nicht.

       Denn ohne Beine,

       bin ich keine.

      Ich bin die tolle Puppe

       Nur mit mir gibt’s Suppe.

       Bist du in großer Not,

       ich bring’ es dir ins Lot:

       Mit meinen zarten, schlanken

       flugsichren Hinterpranken

       Zick zack zong

       ohne Gong!

      Betrüger-Schorschi durchströmte ein unglaubliches Glücksgefühl. Eigentlich war es unfassbar, dass er hier und jetzt mit der Flupppuppe Richtung Süden fahren durfte! Es war unvorstellbar, dass die Puppe mit dem fremden Herzen ihn unter Tausenden von Zuhörern auserwählt hatte, ihm zu helfen!

      Andererseits, so dachte Betrüger-Schorschi, andererseits war es auch mehr als verständlich, dass die zauberhafte Puppe gerade ihm zugeflogen war. Denn hatte er ihr nicht eine unglaublich gute Suppe gekocht? Hatte er nicht eine Suppe geschaffen, die alle bisherigen Geschmackserlebnisse sprengte und auf der Zunge eine unerträgliche Sehnsucht nach mehr Suppe hinterließ? Und war es unter diesen Umständen nicht beinahe zwingend, dass die Puppe zu ihm gekommen war?

      Betrüger-Schorschi lachte über alle, die geglaubt hatten, die Flupppuppe sei nur eine erfundene Figur.

      „Die Flupppuppe ist doch nur die Heldin eines Comics!“ hatte Angeber-Luzi zu ihm gesagt.

      „Warum kann man sie dann im Radio hören?“ hatte Betrüger-Schorschi geantwortet.

      „Weil ihr eine Sprecherin ihre Stimme leiht!“

      „Genau!“ hatte auch die vorwitzige Tochter der Pops gemeint: „Die Sendung ist nur eine Vertonung des Comics!“

      Quatsch! Von wegen Vertonung eines Comics! Die Flupppuppe war echt! So echt wie der Ballonkorb, in dem er saß!

      Und deshalb hatte er auch Recht behalten! Er hatte Suppe gekocht und die Puppe war ihm zugeflogen!

      Dass sie aus nichts weiter als zwei aufgeblähten Plastikbeinen bestand, hatte ihn anfangs zwar etwas verwundert, aber eigentlich spielte das keine Rolle. Die Puppe war bei ihm, hier und jetzt, und gemeinsam würden sie reich und berühmt werden!

      „Es regnet nicht, und wir haben Nordwind!“ lachte Betrüger-Schorschi. „Wir müssen also nichts anderes machen, als abzuwarten, bis uns der Wind direkt in Tante Pims Garten bläst!“

      Pfeifend setzte er sich auf den Korbboden und packte sein Vesper aus. Es war ein exquisites Vesper, denn er war nicht nur ein vorzüglicher Arzt, sondern auch ein erfinderischer Koch. Und so hatte er sich trotz der Eile vorhin noch ein Fischkompott und gefüllte Maronen zubereitet.

      Nach dem Essen rülpste er ausgiebig und streckte sich auf dem Boden aus. Über ihm schwangen die aufgeblähten Puppenbeine auf und ab, auf und ab und auf und ab ...

      Er sah noch, wie ein paar Vögel den blauen Himmel durchschnitten, dann war er eingeschlafen.

      Im Traum befand er sich mit der Flupppuppe hoch über dem Blauen Gebirge. Ein Adler flog über ihnen und ließ ein riesiges goldenes Ei in den Korb fallen. Der Korb verformte sich zum Thron. Auf seinem Kopf war ein Häuptlingsschmuck und ein kleiner Mensch krümmte sich vor ihm auf der Erde. Doch die Flupppuppe riss ihn vom Thron weg, flog mit ihm übers Meer und auf einen großen Fels zu. Auf dem Fels war ein Nest, in dem wieder der Adler saß. Der Adler schraubte seinen Hals wie ein Teleskop auf sie zu. Seine Augen funkelten gefährlich und seine Federn spreizten sich senkrecht. Gerade wollte er mit seinem Schnabel die Beine der Flupppuppe zerhacken, da bekam der Korb einen kräftigen Stoß, etwas plumpste auf seinen Boden und Betrüger-Schorschi fuhr erschrocken in die Höhe.

      Was war das?!

      Traum oder Wirklichkeit?

      Neben ihm lag ein schwerer Eisenhaken, der an einem Seil befestigt war und sich offensichtlich in den Korbboden gebohrt hatte!

      Betrüger-Schorschi kniff sich in den Arm und spürte einen Schmerz. Ohne Zweifel: Er war wach.

      Aber was sollte dann der Haken neben ihm? War er gekapert worden? Aber falls ja, von wem?

      Es gab einen weiteren Ruck, und Betrüger-Schorschi bemerkte, dass der Ballon nach unten gezogen wurde!

      Er fröstelte. Hatten ihn womöglich jetzt schon die gefährlichen Bergbewohner am Haken?

      Mit mulmigem Gefühl und zittrigen Knien stand er auf und spähte vorsichtig über den Korbrand.

      Glück gehabt!

      Offensichtlich war er doch noch nicht im Blauen Gebirge! Denn die winzig kleine Person, die etwa fünfzig Meter unter ihm neben ihrem Haus stand und an dem Seil zog, war kein gefährlicher Bergbewohner, sondern niemand anders als Tante Pim!

      Gute, hellsichtige Tante Pim!

      Tante Pim war eine kleine, drahtige Person mittleren Alters und hatte immer wichtige Dinge am Laufen. Eine Aura des Besonderen und Einzigartigen umgab sie. Sicher hatte sie geahnt, dass ihr Neffe im Korb eingeschlafen war und deshalb verpasst hatte, die Puppenbeine rechtzeitig zum Sinken zu bringen! Und sicher hatte sie schon den ganzen Tag am Fenster gestanden und auf ihn gewartet!

      Tante Pim hatte zwar nicht den siebten Sinn, aber immerhin treffsichere Ahnungen.

      Jetzt manövrierte sie den Korb geschickt zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch auf die freie Rasenfläche vor dem Haus.

      Betrüger-Schorschi schaute ihr fasziniert zu. Dabei vergaß er sogar, die Klappe in den Puppenbeinen zu öffnen, um Gas abzulassen, und so musste seine Tante ihre ganze Kraft aufbieten, um den vollgepumpten Puppen-Ballon nach unten ziehen zu können.

      Mit rotem Gesicht und zitternden Händen knotete sie das Seil schließlich an einem Baumstamm fest.

      Tante Pim

      Als Betrüger-Schorschi sicher gelandet war, öffnete er endlich die Klappe in den Plastikbeinen. Zu viel Luft wollte er allerdings nicht entweichen lassen, denn, wie er wusste, legte die Puppe großen Wert auf ihre Beine.

      Dann sprang er aus dem Ballonkorb und umarmte seine Tante. Sie roch nach Pfefferminz. Seit er zurück denken konnte, roch seine Tante nach Pfefferminz!

      Tante Pim löste sich aus der Umarmung, zeigte auf die Puppenbeine und fragte Betrüger-Schorschi: „Na, mein lieber Junge, wen hast du denn da mitgebracht?“

      ‚Sag’ nicht Junge zu mir’, dachte Betrüger-Schorschi verärgert. Doch er wehrte sich nicht laut dagegen, denn er wollte seinen Schlafplatz und den Proviant nicht aufs Spiel setzen.

      „Das ist die Flupppuppe!“ sagte er deshalb laut. „Darf ich euch vorstellen: Die Flupppuppe, Tante Pim. Tante Pim, die Flupppuppe.“

      „Sie sieht nett aus“, stellte Tante Pim fest. „Ich kann allerdings nur ihre Beine sehen!“

      „Mehr gibt es bei ihr auch nicht