Annette Kautt

Flupp!


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mutiger und verwegener als dieser Milchbubi, sondern er hatte auch noch die Flupppuppe! Die Flupppuppe war sein Trumpf in der Hand, denn sie würde ihm in jeder Not helfen!

      Gemeinsam mit ihr würde er alle Gefahren sicher bestehen! Mit ihr würde er einen Weg entdecken, die Diamanten und Edelsteine aus dem Land zu bringen. Und dann würde ihm die Welt zu Füßen liegen und der Reichtum des Blauen Gebirges sicher sein!

      Eine starke Böe riss den Ballon ein wenig nach oben und der Korb schwankte. Betrüger-Schorschi lachte heiser und sang das Flupppuppenlied. Nach der dritten Strophe hängte er eine neue, selbst gedichtete Strophe an:

      Ich bin die tolle Puppe

       nur mit mir gibt’s Suppe

       seit heut’ ist auch mein Freund dabei

       mit ihm gibt’s Ruhm und Geld wie Heu,

       ich trage ihn jetzt übern Berg,

       zu Abenteuern, Kind und Zwerg

       auf meinen zarten, schlanken,

       flugsichren Hinterpranken

      Die Beine der Flupppuppe wackelten im Takt von Betrüger-Schorschis neuer Strophe mit. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass die Flupppuppe mit dem Text nicht ganz einverstanden war. Vielleicht würde ihm bald eine bessere Strophe einfallen, doch im Moment musste diese ausreichen.

      Betrüger-Schorschi drehte sich auf die andere Seite des Korbs und pfiff überrascht: Die Alpen waren schon erstaunlich nahe! Er musste sich beeilen, an Höhe zu gewinnen.

      Schnell öffnete er die Klappe der Flupppuppe und ließ mehr Gas in ihre Beine strömen. Die Beine blähten sich auf und rissen den Korb nach oben.

      Auf den Wiesen unter sich konnte Betrüger-Schorschi als braune Punkte ein paar Kühe sehen. Hin und wieder glaubte er, winkende Wanderer ausmachen zu können.

      Sie stiegen höher und höher hinauf bis sie schließlich auf die Berge hinabsehen konnten. In der Ferne erkannte Betrüger-Schorschi die Umrisse der Zugspitze. Unter ihnen schlängelte sich eine schmale Straße den Berg empor. Wenn sie in dem Tempo weiterfahren würden, würden sie schon am Abend beim Blauen Gebirge sein.

      „Nur noch ein paar hundert Meter bis zur Zugspitze!“, rief Betrüger-Schorschi der Flupppuppe zu. „Danach müssen wir uns rechts halten und Kurs aufs Blaue Gebirge nehmen.“

      Die Flupppuppe wackelte mit den Beinen und zog den Korb noch ein paar Meter nach oben. Gerade so weit, dass der Korb eine halbe Stunde später über den Sendemast der Zugspitze fliegen konnte ohne ihn zu streifen.

      Ein paar Touristen zeigten verdutzt auf den Flupppuppen-Ballon. Aber bevor Betrüger-Schorschi ihnen ein stolzes „Hallo“ zurufen konnte, waren sie außer Sichtweite.

      Plötzlich schwenkte der Ballon seitlich ab und verlor wieder an Höhe. Betrüger-Schorschi schaute ängstlich zur Flupppuppe. Aber sie schien zu wissen, was sie tat.

      Er überließ ihr deshalb das Steuern und betrachtete die Berg-Landschaft. Die Gegend wurde immer kärger und kärger. Bäume und Sträucher gab jetzt fast nicht mehr. Nur Felsen, Licht und Schatten. Hin und wieder konnte man eine Gämse oder ein verirrtes Schaf ausmachen, aber im Wesentlichen war alles öd und leer.

      Die Sonne stand schon ziemlich tief, als Betrüger-Schorschi bemerkte, dass die Felsen anfingen, bläulich zu schimmern. Das Blau-Rot der Kämme und Spitzen verfärbte sich am Bergrücken ultramarin und lief in den Schluchten nachtblau aus.

      Da, wo das Licht der untergehenden Sonne nicht mehr hinreichte, ragten schwarzblaue Kanten in den Himmel und verschluckten tiefschwarze Krater und Schluchten den letzten Lichtschimmer.

      „Wow!“ dachte Betrüger-Schorschi beeindruckt. „Das also ist das Blaue Gebirge!“

      Er war so in das farbenprächtige Schauspiel vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie der Himmel immer dunkler wurde und die Wolken sich in einiger Entfernung zu einem mächtigen Turm aufbauten.

      Erst als es donnerte, schaute Betrüger-Schorschi sich erschrocken um und sah den Turm aus blau-schwarzem Dunst. Ein kalter Wind fing an zu blasen und riss am Ballonkorb.

      Plötzlich kam der Turm in Bewegung und kreiselte schnell auf sie zu!

      „Flupppuppe!“ rief Betrüger-Schorschi. „Siehst du den Wolkenturm?“

      Die Flupppuppe rührte sich nicht.

      „Ist das nicht ein Wirbelsturm?!“ schrie Betrüger-Schorschi.

      Die Beine der Flupppuppe schienen davon unbeeindruckt.

      „Hörst du mich nicht?“ schrie Betrüger-Schorschi. „Ein Wirbelsturm kommt auf uns zu! Lass uns von hier verschwinden! Flupppuppe! Warum tust du denn nichts? Siehst du den Wirbelsturm nicht?“

      Doch, die Flupppuppe sah den Wirbelsturm. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. Im Gegenteil, sie flog direkt auf ihn zu!

      „Flupppuppe! Flupppuppe, rette uns!“ schrie Betrüger-Schorschi und riss verzweifelt an den Seilen, die den Korb mit dem Ballon verbanden.

      Aber umsonst! Der kreiselnde Turm war jetzt nur noch ein paar Meter von ihm und der Flupppuppe entfernt!

      Betrüger-Schorschi klapperte vor Angst mit den Zähnen.

      Wäre er doch nie so größenwahnsinnig gewesen, ins Blaue Gebirge zu fliegen! Wäre er doch nie so gierig nach Reichtum und Ruhm gewesen! Was war das schon gegen das Leben? Nichts! Er aber wollte leben!

      Und die Flupppuppe? Warum half sie ihm nicht? Waren ihre Beine nicht mehr flugfähig? Hatte der Sturm das Plastik geknickt? War ihr gemeinsames Abenteuer schon beendet, bevor es überhaupt begonnen hatte?

      Flupppuppe! Fluuupppuuuppe! Fluuuupppuuuppppeeeee ...

      Der Turm aus Wind und Sturm riss die Flupppuppe samt Korb und Betrüger-Schorschi an sich, schleuderte sie ein paar Mal im Kreis, verschluckte beide und raste tobend davon.

      Der Torwart

      Als Betrüger-Schorschi zu sich kam, fand er sich in einem dunklen Raum wieder. Es brauchte einige Zeit, bis er heraus gefunden hatte, dass der Raum eine Höhle war und er auf einer Holzpritsche lag.

      Er richtete sich langsam auf und machte in dem dämmrigen Licht einen Tisch, mehrere Stühle, zwei Regale mit Töpfen, Geschirr, Büchern, Kleidern, einen Holzofen und ein Spülbecken aus.

      Wenn er sich richtig erinnerte, waren er und die Flupppuppe im Blauen Gebirge in einen Wirbelsturm geraten und abgestürzt.

      Aber was war dann passiert?

      Offensichtlich hatte ihn jemand gefunden und in Sicherheit gebracht.

      Oder war er gar nicht in Sicherheit, sondern hier in der Speisekammer der Höhlenbewohner?

      Einen Topf, der groß genug war, einen Menschen darin zu kochen, konnte er zwar nicht entdecken, aber vielleicht bevorzugten diese Höhlenbewohner ‚Mensch auf Spieß’?

      Wo überhaupt war die Flupppuppe? Und wo war sein Ballonkorb?

      Betrüger-Schorschi fröstelte.

      Egal, ob die Höhlenbewohner Freund oder Feind waren, ohne die Flupppuppe war er aufgeschmissen! Denn wie sollte er ohne sie die Stadt der Kinder, den jungen Hubel oder einen geeigneten Weg aus dem Gebirge zurück finden? Wie sollte er ohne die Flupppuppe im Blauen Gebirge überhaupt irgend etwas unternehmen können?

      Aber vielleicht war er auch gar nicht mehr im Blauen Gebirge und der Sturm hatte ihn ganz woanders hingeschleudert?

      Betrüger-Schorschis Herz klopfte laut. Obwohl er Angst hatte, wollte er sich unbedingt Klarheit über seine Situation verschaffen.

      So leise wie möglich stand er auf und schlich zum Höhleneingang. Vorsichtig spähte er hinaus:

      Ah!

      Oh!

      Wow!