Markus Waldmann

Die Prophezeiung


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       Nick sprach ruhig, um Jens nicht wieder durcheinander zu bringen.

       “Na ja, es währe wahrscheinlich einfach, wenn es nur ein Traum wäre. Leider quälen mich mehrere Träume, einer ist dabei verwirrender als der andere.”

       Nick horchte auf, damit hatte er nicht gerechnet. Normalerweise beschränken sich diese Träume auf einen bestimmten.

       Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie wirklich dabei sind, und meisten endete es damit, dass sie endlos gequält werden. Die meisten fügen sich bei solchen Träumen schmerzhafte und teilweise tödliche Verletzungen zu, so dass sie daran sterben; oder sie bringen sich danach um, da sie mit dem Stress der Träume nicht mehr klarkommen. Wenn Jens aber verschiedene Träume hatte und diese so realistisch waren wie die der anderen, dann hatte Nick eine schwere Aufgabe vor sich.

       “Na gut, dann erzähl erst einmal, wie du deine Träume erlebst und wie du bis jetzt mit ihnen klar gekommen bist.”

       “Also, während dieser Träume habe ich das Gefühl, mitten drin zu sein. Das Eigenartige ist, bis zu einem gewissen Grad kann ich in die Geschichten eingreifen, aber die Träume enden wie immer. Wenn ich verletzt werde, spüre ich es in einer absolut realen Intensivität. Solbad ich dann aufwache, ist alles wieder in Ordnung, keine Schmerzen, keine Blessuren. Damit mich die Erinnerungen an das Erlebte nicht so mitnehmen, habe ich mit fünfzehn Jahren etwas für mich entdeckt. Auch wenn es nicht die beste Lösung war, es hat mir geholfen. Ich fing an Joints zu rauchen.”

       Nick lächelte verständnisvoll, schon allzu oft hat er mit-bekommen, dass sich seine Patienten mit Drogen selbst therapierten - mit mehr oder weniger Erfolg. Zu seinem Leidwesen nahmen die meisten von ihnen immer mehr und härtere Drogen, die dadurch entstandenen Abhängigkeiten machten Therapien oft aussichtslos.

       “Solange du nur bei Haschisch oder Marihuana geblieben bist, haben wir eine reelle Chance.”

       Jens schluckte.

       “Genau das ist mein Problem, mir reicht das nicht mehr, ich habe mich dabei erwischt, wie ich Kokain kaufen wollte. Es war wie ein Schlag für mich, als mir klar wurde, was ich gerade machen wollte. Aus diesem Grund wollte ich so schnell wie möglich mit jemand sprechen, der mir helfen kann. Von Jasmins Studienkollegen habe ich erfahren, dass sie bei einem Spezialisten arbeitet. Dass du das bist, damit konnte ich ja nicht rechnen, aber es freut mich. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, trotzdem ist es so, als wenn wir uns erst gestern zum Kaffee getroffen hätten. Ich finde das irgendwie eigenartig?”

       Der Doktor schaute Jens verständnisvoll an.

       “Nein, es ist überhaupt nicht eigenartig. Unsere Verbindung besteht seit deiner Geburt, ich war einer der Ersten, die dich in den Arm genommen haben. Außerdem haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht, vor dem Tod deiner Eltern und danach sogar noch etwas mehr, wenn du dich daran noch erinnern kannst.”

       Jens blieb stumm, er wusste, dass Nick recht hatte. Irgendwie hatten sie eine enge spirituelle Bindung zueinander aufgebaut.

       Nick dachte über die Worte von Jens nach, es machte ihm Sorgen, dass er die Träume doch anders wahrnahm als die meisten seiner anderen Patienten. Dazu kam noch die Tatsache, dass er verschiedene Träume hatte. Er ahnte zwar, dass etwas Großes auf ihn zukommen würde, aber die Dimension des Kommenden erschütterte ihn trotzdem.

       “Kannst du mir etwas von den Träumen erzählen?”

       Nick war neugierig darauf, ob es noch mehr Unterschiede gab.

       “Leider kann ich dir nur einen genau schildern, da er der Häufigste ist. Die anderen treten durch ihn immer wieder in den Hintergrund.”

       Jens merkte, dass er bereit war, seinem Onkel alles anzuvertrauen, dieser fühlte sich langsam wie auf die Folter gespannt.

       “Dann erzähl diesen einen Traum, vielleicht reicht das schon!”

       Noch fühlte Jens sich nicht wirklich gut bei dem Gedanken, aber er wusste, dass er seinem Onkel vertrauen konnte.

       Jens begann etwas stockend zu erzählen.

       “In diesem Traum sehe ich immer wieder zwei Männer, die durch die Wälder wandern. Ich weiß, dass die Männer sich in Westdeutschland befinden, und das zu einer Zeit, zu der es noch keine Autos gab, aber auch schon keine Ritter mehr. Einer davon ist ein kleiner untersetzter Mann mit langen schmierigen Haaren, der Marc heißt. Der andere ist Willi, ein großer schlanker, sehr stattlich aussehender junger Mann. Er hat ebenfalls lange Haare, seines ist allerdings besser gepflegt. Irgendwie passen die Zwei gar nicht zusammen. Die einzige Gemeinsamkeit ist ihr noch relativ junges Alter. Beide sind sie Anfang Zwanzig.”

       Während Jens am Erzählen war, merkte er, wie er in diesen Traum hineingezogen wurde. Etwas war aber nicht so wie immer, neben ihm war auch Nick mit in seinem Traum, dieser blicke verwirrt um sich.

       Nick sah Jens fragend an.

       “Wie hast du das gemacht? Ist so etwas schon mal passiert?”

       Jens war selbst wie vor den Kopf gestoßen.

       “Nein, das ist mir noch nie passiert. Ich habe allerdings noch nie jemanden von meinen Träumen erzählt.“

       Nick lächelte in sich hinein, mit jeder Minute war er sich sicherer, dass er der Lösung schon auf den Fersen war. Jens hatte ihn mit in seinen Traum gezogen, wie das geschehen konnte, war Nick klar, doch vorher war es noch nie so einfach gewesen. Bisher hatte dazu sehr viel Übung von Seiten des Patienten gehört. Noch bevor er weiterdenken konnte, zeigte Jens in eine Richtung und sagte:

       “Siehst du, da vorne kommen sie.”

       Tatsächlich Nick konnte sie auch sehen, es war ein Gefühl, als wenn er in diesem Wald stehen würde. Er sah, wie der Wind die Äste der Bäume bewegte, auch auf seinem Gesicht spürte er ihn. Der Geruch und die Geräusche des Waldes nahm er wahr, die Luft roch nach feuchten Nadelbäumen und in der Ferne hörte er ein Rudel Damwild durch den Wald stapfen.

       Er wusste, dass er in seiner Praxis, auf seinem Lederstuhl saß und konnte trotzdem alles klar wahrnehmen. Nick war fasziniert davon, alles war so realistisch. Er konnte Jens sehen und mit ihm reden, seine Stimme und sein Aussehen entsprachen genau dem des jungen Mannes, der in der Praxis neben ihm saß.

       “Nick, es ist besser, wir verstecken uns hier, es könnte sonst sehr unangenehm werden.

       In diesem Traum bin ich schon ein paar Mal verletzt und getötet worden. Ich weiß zwar mittlerweile, dass mir nichts passiert, aber wie es bei dir ist, das kann ich nicht sagen. Und wenn ich ehrlich bin, ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen. Der Mörder geht mit unglaublicher Brutalität vor.“

       Nick hatte nichts dagegen sich zu verstecken.

       “Wer wird denn hier ermordet?“

       Er bekam keine Antwort von Jens, zu sehr nahm ihn der Stress mit. Sie suchten sich ein geeignetes Versteck, da sie zu Zweit waren, mussten sie etwas finden, hinter dem Beide Platz hatten. Hinter einem großen Busch wurden sie dann fündig, das Versteck war nur bedingt dazu geeignet, sie zu verdecken. Er war etwas zu löchrig, und Jens befürchtete, schon vorzeitig entdeckt zu werden.

       “Eins noch Nick, egal was passiert…, wir bleiben hier, nicht eingreifen und nichts sagen, ich weiß nicht was passiert, wenn jemand anderes mit in diesem Traum ist. Möglicherweise wirst du es nicht unverletzt überstehen, wenn sie uns entdecken.”

       Nick hatte verstanden und zeigte es auch Jens. Jetzt hieß es warten, die zwei Männer, die Jens beschrieben hatte, waren noch weit weg. Hinter dem Busch in Deckung gegangen warteten sie.

       “Wenn das hier vorbei ist, muss ich etwas in Erfahrung bringen, Jens. Das wird etwas dauern, solange solltest du mit Jasmin etwas in die Stadt gehen. Ich habe vielleicht eine Lösung für dein Problem, dafür muss ich mit einer bestimmten Person reden. Falls ich recht habe, werden wir heute Abend noch dein Problem lösen können. Falls nicht, müssen wir uns eine Therapie einfallen lassen, bevor du im Drogensumpf versinkst.”