Markus Waldmann

Die Prophezeiung


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       Jetzt waren Willi und Marc nah genug am Busch, so dass Jens und Nick in ihrem Versteck sie hören konnten. Jens wusste genau was jetzt passieren würde, viele Male hatte er das Geschehen schon beobachtet. Ein Gefühl der Ohnmacht überkam ihn, wie immer konnte er nichts daran ändern.

       Marcs Stimme war jetzt zu hören.

       “Warum bist du so in Eile Willi, ich denke wir haben genug Zeit, um unseren Auftrag zu erledigen?”

       Marc sah den gehetzten Gesichtsausdruck von Willi und bekam es langsam mit der Angst zu tun.

       “Ich dachte auch, dass wir noch viel Zeit hätten, aber mein Gefühl sagt mir, dass dem nicht so ist.”

       Willis Stimme klang angespannt, Marc begann sich langsam Sorgen zu machen.

       “Wie kommst du darauf? Als wir den Auftrag angenommen haben, sagtest du, dass es ein Kinderspiel sein würde.”

       Willi verdrehte die Augen.

       “Ja ich weiß, leider habe ich dir nicht alles über diesen Auftrag erzählt. Auch jetzt darf ich es dir nicht erzählen.”

       Nun kam Marc ins Stocken. Seit sie in Venedig diesen alten, sehr merkwürdig aussehenden Mann getroffen hatten, veränderte sich Willi. Was war es, was der ihm verschwieg. Hatte es etwas mit der kleinen Kiste zu tun, die sie bei sich hatten. Schon in Venedig hatte er das Gefühl, dass es keine sehr gute Idee war, von diesem alten Mann einen Auftrag anzunehmen. Sie brauchten das Geld, das stimmte, und einen Teil hatte der Alte ihnen schon im Voraus bezahlt, den Rest sollten sie in Aachen bekommen. Aber etwas stimmte nicht, und das machte Marc Angst.

       “Was hast du mir verschwiegen? Ist es vielleicht wichtig für unser Überleben?”

       Marc war wütend, er kannte Willi schon so lange, und jetzt spielte er ihn für ein paar Kröten an die Wand.

       “Könnte schon sein!”

       Willi verschwieg weiterhin, warum er sich beeilte. Marc dachte daran, dass sie den Großteil der Strecke schon zurückgelegt hatten. Meistens waren sie in der Nacht gewandert, da sie nicht auffallen wollten und Pferde zu teuer waren. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als den größten Teil des Weges von Venedig bis Aachen zu Fuß zu gehen. Hier und da wurden sie von Händlern mitgenommen, aber immer auf Vorsicht bedacht, nahmen sie nur wenige solcher Gelegenheiten war.

       “Also Willi ich warte! Wenn du mir nicht sagen willst, was hier los ist, bleibe ich stehen.”

       Abrupt hielt Marc mitten auf dem Weg an, auch Wille stoppte.

       “Ich kann es dir noch nicht sagen, nur eins, wir werden verfolgt. Aus diesem Grund habe ich die Kiste gestern Nacht vergraben.”

       Marc sah Willi geschockt an.

       “Was hast du da gerade gesagt, wir werden verfolgt, von wem? Und was soll das heißen, du hast die Kiste vergraben. Wo und vor allem wann hast du das getan. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du irgendwo ein Loch gebuddelt hast.”

       Es störte Willi, dass sie sich noch immer nicht wieder in Bewegung gesetzt hatten, sein Gefühl sagte ihm, dass ihr Verfolger schon viel zu nah an ihnen dran war.

       “Das kannst du auch nicht, ich habe es getan, als du geschlafen hast. Ich hatte auf ein Mal das Gefühl, dass es besser so ist.”

       Marc wurde noch wütender.

       “Willi, jetzt können wir das Geld vergessen oder willst du dem Empfänger einfach sagen, er soll es wieder ausgraben. Wenn du überhaupt noch weißt, wo du es vergraben hast.”

       Er stampfte auf den Boden, zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen. Willi sah besorgt auf seinen Begleiter.

       “Das weiß ich! Das reicht auch, du musst nicht mehr...”

       Mehr konnte Willi nicht mehr von sich geben, der Pfeil, der seinen Hals durchbohrte, hatte seine Halsschlagader durchtrennt und die Stimmbänder zerfetzt. Marc war verwirrt, sein Freund brach neben ihm zusammen, ohne dass er registrierte, was geschehen war. Dazu sollte er auch nicht mehr kommen. Als er sich zu seinem Weggefährten hinunter bücken wollte, um zu sehen, was mit ihm los war, spürte er einen entsetzlich stechenden Schmerz in seiner Brust. Das Letzte, was Marc in seinem noch jungen Leben zu sehen bekam, war der Schaft eines Pfeils, der tief in seiner Brust steckte, dann sackte er zusammen und starb.

       Der Schütze, der sich im Dickicht der Bäume versteckt hatte, schmunzelte hämisch. Er hängte sich seine Armbrust um und ging auf die Toten zu.

       “Jetzt werde ich meinem Auftraggeber die Beute bringen und mir meine Belohnung abholen.”

       Der bärtige Mann war riesig, knapp zwei Meter groß, mit Armen wie Baumstämme. Sein wildes Aussehen und die Eigenart, sich laut mit sich selbst zu unterhalten, sorgte bei den meisten Menschen, denen er begegnete, für Angst. Er empfand, dass dies gut so war, denn sein Leben bestand daraus, andere Menschen gegen Bezahlung zu töten.

       Seine Jungend verbrachte er in den Elendsvierteln von Venedig, dort lernte er zu überleben. Über seine Herkunft wusste er nicht viel, er hatte noch nicht mal einen richtigen Namen. Seine Mutter hatte sich nach seiner Geburt das Leben genommen, die Menschen, bei denen er aufgewachsen war, wussten nur, dass er durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde. Von denen wurde er nur ´La Cosa´, das Ding, genannt. Seit einigen Jahren lebte er nun alleine und war glücklich darüber. Es war eine Qual für ihn unter Menschen zu leben. Vielleicht hatten ihn der Spott und die ständigen Prügel zu dem werden lassen, was er war. Den Namen La Cosa benutze schon seit Jahren keiner mehr, dafür hatten sie viel zu viel Angst vor ihm. Von seinen Auftraggebern ließ er sich nur noch `Il Morte`, der Tod, nennen.

       Auch wenn es hier nicht viele Reisende zur Nachtzeit gab, blieb er vorsichtig. Er beäugte die jungen Männer, die nicht älter als 25 waren und fragte sich, wer solchen Halbstarken etwas so Wichtiges mitgeben würde, das die Aufmerksamkeit seines Auftraggebers auf sich zog. Es musste etwas Wertvolles sein, dessen war er sich bewusst, denn der Betrag, den er für seinen Dienst erhielt, würde reichen, um ein Jahr in Saus und Braus leben zu können.

       Er wusste nicht, wer sein Auftraggeber war, das wollte er auch nicht. Ihn interessiert nur die Bezahlung, und diesmal war sie wirklich hervorragend. Sein Auftraggeber würde zufrieden sein, wenn er ihm die Beute brachte. Er erhoffte sich dadurch noch an mehr solcher lukrativen Aufträge zu kommen. Il Morte durchsuchte die Taschen der beiden Toten.

       “Verdammt noch mal, diese Männer müssen doch die Kiste bei sich haben!”

       “Du solltest gottesfürchtiger sein, denn sonst wird dir sein Himmelreich verschlossen bleiben.”

       Der Bärtige erschrak, er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn andere Reisende entdecken würde. Was ihn noch mehr schockte war, dass jemand direkt hinter ihm stand. Er fragte sich, wie um Himmelswillen diese Person so leise an ihn herantreten konnte. Die Stimme der Person erkannte er sofort wieder, es war der Vermittler seines Auftrages. Langsam drehte er sich um, doch was er zu sehen bekam, verwirrte ihn noch mehr. Dieser Mann war anscheinend gekommen, um ihn um seinen Lohn zu bringen. Als er versuchte seine Gedanken zu ordnen, zog der dunkel gekleidete Mann ein großen golden Dolch unter seinem Mantel hervor. Noch bevor der Bärtige irgendwie reagieren konnte, war er tot. Die dunkle Gestalt hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.

       Lange hingen die Blicke von Jens und Nick noch auf dieser mysteriösen Gestalt, sie war hager und sah sehr alt aus. Der Bärtige wusste nicht, dass dieser Mann sein Auftraggeber war und ihn von vornherein umbringen wollte. Da der Auftrag aber nun misslungen war, gab es für ihn keinen Grund mehr, den Meuchelmörder länger am Leben zu lassen, zumal dieser sein Gesicht gesehen hat.

       Er wollte nicht, dass ihn irgendjemand mit dem Tod der drei Menschen in Verbindung brachte. Das konnte er sich zurzeit nicht leisten, da er überall gesucht wurde.

       Der Traum war zu Ende, beide fanden sich in Nicks Praxisräumen wieder. Nick fing auch direkt an zu sprechen.

       “Nun, das war aufschlussreich, ich habe mehr erfahren, als mir lieb war. Wie ich dir schon gesagt hatte, muss