diese Anbiederung, die immer so gewollt rüberkam. Wie früher: Lass uns Freunde sein, hatte sie immer gesagt. Freunde.
»Ich dachte, du trinkst nur Wein«, sagte ich. Daniela ließ ihre Augen an mir hinab zu meinem Schritt wandern. Mein Herz begann plötzlich aufgeregt zu pochen.
»Manchmal hab ich Lust auf Abwechslung«, sagte sie. Statt Spott blitzte auf einmal etwas Anderes in ihrem Blick auf. Sie schien einen Gedanken zu haben, der sie erschreckte. Jedenfalls drehte sie sich auf der Stelle und ging zur Tür. Die Aufregung schlug um in Verwirrung. Gerade wollte ich mich setzen, da fiel mir eine letzte, wichtige Sache ein.
Eine schnelle Handbewegung, die jeder Mann machte, der über eine gesunde rechte Hand verfügte. Ein Handgriff, der vor jedem Pinkeln wie selbstverständlich ausgeführt wurde und hier zu einem Akt verkam, der viel zu viel Nähe erforderte.
»Warte«, rief ich ihr hinterher. Sie blieb auf der Schwelle stehen.
»Was?«, fragte sie. Sie räusperte sich. Mein Herz raste.
»Kannst du mir noch, du weißt schon, zurück schieben«, stammelte ich und nickte mit dem Kopf hinunter zu meinem Schwanz.
Daniela kam schnell zu mir zurück. Auf ihrem Gesicht zeigten sich plötzlich hektische Flecken.
»Wer hat das im Krankenhaus gemacht?«, fragte sie, bevor sie mir zwischen die Beine griff und mit zwei flinken Fingern die Eichel freilegte. Dabei sah ich von oben in den tiefen Ausschnitt der Bluse.
»Der Zivi«, sagte ich.
Dann war die Frau meines Vaters auch schon aus dem Bad verschwunden. Ich hörte die Terrassentür knarren.
Du bist krank, schalt ich mich still, dass du deiner Stiefmutter in den Ausschnitt starrst.
Wie zieht man sich ohne Hände eine kurze Hose hoch, die nach dem Pinkeln auf Höhe der Knöchel hängt? Ich führte einen Tanz im Klo auf, den ich nie vergessen werde. Als wäre meine ganze Unterhose aus Gummi dehnte ich sie mit den Füßen, damit sie über das V meiner gespreizten Beine nach oben gleiten konnte. Zum Glück hatte ich nicht so haarige Beine. Langsam rutschte die Hose nach oben. Überzeugend war das Ergebnis jedoch nicht. Jetzt baumelte mein Penis obszön über eine Wulst aus Stoff, die sich zwischen meinen Oberschenkeln spannte. Und meine Shorts kauerten noch immer auf Höhe der Knöchel.
Ich schwitzte. So konnte ich unmöglich vor Daniela treten. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich konnte die Unterhose weder durch Spreizen meiner Beine noch durch Reiben an der Wand wieder herunter streifen. Mein Gott, was war ich gestraft.
Unser Wohnzimmer schloss die riesige Terrasse von zwei Seiten ein. Nach Süden breitete sich ein gepflegter Rasen aus, an dessen Ende ein kleiner Wald begann, dahinter verlief die Bundesstraße. Zu den nächsten Nachbarn, deren flache 70er-Jahre-Bungalows sich links und rechts von unserem Haus hinter den hohen Tannen versteckten, waren es bestimmt dreißig Meter. Niemand konnte auf die Terrasse sehen, was Daniela besonders wichtig war. Sie hatte in diesem Sommer die besondere Privatsphäre sehr häufig ausgenutzt. Viel zu häufig für meinen Geschmack, und der Versuchung, das Handy zu zücken und Fotos zu machen, hatte ich selten widerstehen können.
Und jetzt war ich ihr näher, als das Zeiss-Objektiv in meinem Handy sie jemals hätte heranholen können.
»Kannst du mir kurz die Hose hochziehen?«, fragte ich und lugte durch die Tür auf die Terrasse. Daniela hob die Augen, lachte laut auf und legte ihre Illustrierte vor sich auf den Tisch.
Ich hatte das Gefühl, als sei der Ausschnitt, den die Bluse auf ihre Brüste gab, in der Zwischenzeit kleiner geworden. Sie kicherte noch immer, mit hektischen roten Flecken im Gesicht, als sie vor mir in die Knie ging, mir die Unterhose noch einmal herunter und dann wieder über meinen Penis zog, der sich, in Anbetracht der Tatsache, dass er nur wenige Zentimeter entfernt vor den Augen meiner Stiefmutter frei schwang, bereits wieder mit Blut füllte, das mein vor Aufregung, Verlegenheit und Erregung schneller schlagendes Herz verstärkt in ihn pumpte.
Ich dachte an Mathe, an den Zivi im Krankenhaus, an die Schrammen auf meinen Armen, das Jucken unter dem Gips.
»Was würdest du ohne mich machen?«
»Nicht aus dem Haus gehen«, sagte ich. Ich spürte ihre Finger nur leicht, als sie meinen Penis in der Unterhose verstaute, bevor sie den Gummi schnalzen ließ. Sechs in Mathe wurde zu Sex in Mathe, aus Zivi eine Krankenschwester und das Jucken in den Armen pflanzte sich in meine Lenden fort.
Sie stand auf, zog dabei die Shorts hoch und entließ mich mit einem ungewohnten Klaps auf den Po. Sie wandte den Blick ab. Die zarte Berührung ihrer Fingerspitzen spürte ich noch immer. Wenn doch Sophie hier wäre, dachte ich, wenn mich doch nur meine Schulfreundin pflegen könnte.
»Hast du Lust, mit mir noch in den Biergarten zu gehen?«, fragte sie und setzte sich wieder in ihren Sessel. Bier. Natürlich würde ich gerne noch ein Bier trinken. Mit Marcel, nur ging das leider nicht. Daniela schien mein Zögern zu bemerken.
»Am Stadtpark hat doch diese Kneipe aufgemacht. Los komm, wird bestimmt witzig.«
Ich seufzte. Mit Daniela in die Öffentlichkeit, mit der Frau meines Vaters, der schon durch die Heirat mit einer zwanzig Jahre jüngeren Frau zu einem Gespött der Nachbarn geworden war. Mit Daniela, die über jeden Witz so laut lachen würde, dass sich irgendwann jeder im Biergarten umdrehen würde. Etwas Peinlicheres konnte ich mir kaum vorstellen.
Und etwas Aufregenderes auch nicht.
»Na los«, sagte sie. »Ich mach mich noch schnell frisch, und dann gehen wir.«
Biergarten.
Das T-Shirt über meinen eingegipsten Armen spannte. Ich fühlte mich wie eine Wurst in der Pelle. Jeder in diesem Biergarten musste mich einfach anstarren. Auf dem Bürgersteig, bei der Platzsuche, bei dem vergeblichen Versuch, den Stuhl ohne Hände vom Tisch weg zu ziehen – in jeder Sekunde spürte ich die Augen der anderen Besucher auf mir, auf meinen Armen, auf den Schrammen am Kinn und auf der viel zu jungen Frau meines Vaters.
Sie trug ein luftiges Nichts über der engen Bluse, und ihre schwarzen Haare fielen noch immer offen auf ihre Schultern. Ich mochte den Biergarten, hier war ich mit Marcel schon mehrfach gewesen und viele meiner Freunde gingen hierhin.
Doch Daniela kam mit zwei großen Gläsern Weißbier zurück, ohne dass mich jemand erkannt hatte.
»Darauf, das Beste aus einer blöden Situation zu machen«, sagte sie. Verlor sie eigentlich nie ihre gute Laune?
»Das ist alkoholfrei.«
»Ich bin alt genug.«
»Das weiß ich.« Daniela zwinkerte mir zu. »Und stehst unter Medikamenten.«
Jetzt fühlte es sich wirklich an, als sei sie meine Stiefmutter. Fürsorglich, kümmernd, vorausschauend. Würde sie nur nicht versuchen, zugleich meine Freundin zu sein.
Sie beugte sich über den Tisch und hob das Glas an meine Lippen. Beim ersten Mal schlug sie mir fast die Vorderzähne aus, beim zweiten Versuch fiel mein Blick in ihren Ausschnitt und mein Herz pochte bis zum Hals.
Sie bemerkte meinen Blick nicht und goss mir verschmitzt lächelnd alkoholfreies Hefeweizen zwischen die Lippen. Weil Daniela es zu gut meinte, lief mir die eiskalte Flüssigkeit auch aus den Mundwinkeln. Der Sommer war nichts ohne Hefeweizen, selbst wenn es nicht knallte.
Einen Augenblick lang dachte ich, dass der Abend noch ohne Peinlichkeiten enden könnte, doch plötzlich rief eine weibliche Stimme hinter uns »Daniela«, und »Hallo« und »So eine Überraschung« und »Wer ist denn der junge Mann da an deiner Seite, dein Bruder?«, und Daniela umarmte ihre Freundin, die ich nie zuvor gesehen hatte und kicherte. Ihr Bruder. Ich war mir nicht sicher, ob das Kompliment an mich oder Daniela gerichtet war.
»Das ist Achims Sohn«, sagte sie. »Sozial etwas kompetenter als sein Vater. Sonst wäre er dem Hund nicht ausgewichen.«
Sozial kompetenter? Mein Vater hätte zumindest