Dr. Wolfgang Mehringer

neukunst oder der Maulwurf


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hat dich dabei die Lieselott beeinflusst - da, bei diesem Kunstwerk, so nenn ich`s mal, scheint’s mir klar zu zu sein. Es geht darum, den Gegensatz empfinden zu lassen zwischen gewichtigen Dingen und den anderen, leichten. Wenigstens damit, meinte Marina, konntest du endlich mal was anfangen. Aber, hast du dann dazu auch noch den Beipack - Zettel gelesen? Eben! - sagte Philip. Was soll das? Diese Installation, so könnte man`s vielleicht nennen, hat mich bei all ihrer Schlichtheit klar angesprochen. Alles andere, sicher, als ein großes Kunstwerk - -. Marina lachte. Hast du nicht gerade eben vom „labern“ gesprochen?! Aber, du willst ja noch auf die Jagd nach Kriterien gehen, oder? Philip lächelte - fast verschämt, zugleich aber auch verschmitzt. Wohl zu meinem Glück hab ich in diesem Fall, wie auch sonst meistens, den Beipack - Zettel, wie du ihn nennst, nicht gelesen. Und bin auch keinem Zwang unterlegen, mich bei diesem, sagen wir halt mal Kunstwerk, meditativen Exerzitien zu unterwerfen. Ich bin also relativ schnell in den nächsten Raum gegangen. Bilder einer Ausstellung, komponiert von Philip Reissnagel, lachte Marina. Auch Philip musste lachen. Da waren also zwei junge Damen, beschäftigt mit solchen Exerzitien. Das heißt, sie saßen am Boden und blickten gebannt auf einen Lichtfleck, der auf eine Wand projiziert wurde. Dieser Lichtfleck bewegte sich langsam, langsam ein wenig zur Seite, und dann wieder zurück. Das Tolle dabei war dann, dass er auch irgendwann einmal seine Farbe änderte. Ich habe nicht gewartet, etwa um herauszufinden, in welchem Rhythmus das nun passiert oder welche Farben da noch auftauchen würden. Für die zwei Damen anscheinend tatsächlich ein Mysterium. Tatsächlich? Marinas Tonfall war eindeutig spöttisch. Philip lächelte. Es wurde ihm also klar gemacht, dass man sich bei einer solchen Beurteilung doch sehr irren konnte. Er sagte dann nur; Für mich jedenfalls nicht, mit oder ohne Beipack - Zettel .Im nächsten Raum gab’s dann noch einiges mehr - zu meiner Ernüchterung: zwei - oder waren es drei? - größere Bilder. Ich bin geflüchtet, obwohl nichts Schreckerregendes zu sehen war, allerdings wirklich ungemein langweilige eckige Muster. Marina hatte in den Zetteln herumgeblättert. Da! - sagte sie und begann vorzulesen: Die Muster erscheinen materialisiert, ohne dies jedoch preiszugeben. Es scheint einen Weg durch die Geschichte zu nehmen - undurchsichtig und dem Unbewussten nahe. Und so weiter. Du hättest also doch auch hier wieder meditieren sollen! - - Es klang ziemlich frech, wie Marina das sagte. Irgendwas hat sie im Hinterkopf, dachte er. Denn ihr Lächeln dabei - -. Also gut, im nächsten Raum dann, die nächste Flucht? Kein Grund, mich Provoziert zu fühlen, dachte Philip und erzählte weiter: Ein kurzer Stopp mit einem Blick auf ein paar Ornamente - farbig? - nein, schwarz-weiß, irgendwelche Kreise, mit ein paar Spitzen dran.- - . Bitte nichts aus dem Beipack!! Nächster Raum, eine Wand voll mit Buchstaben, Wörtern, Sätzen, groß und klein, englisch, ein irres Kauderwelsch, völlig unverständlich. Im nächsten Saal ein großer Sandkasten mit Collagen, irgendwelches drauf gepapptes Zeug, ein helles zerrissenes Foto dabei, Strichmännchen artige Figuren, auch mal ein Farbklex dazwischen. Marina fing wieder vorzulesen: Die Künstlerin arbeitet an den Facetten der Vieldeutigkeit des Sandes, seinen strukturellen Metamorphosen, die sie von der Aura des Kosmischen überwölbt sieht. Dabei lässt sie Bezüge zur alltäglichen Wahrnehmung, soweit sie unser Bewusstsein erreichen - . Ja, das reicht. Philip unterbrach sie. Ich hab mich von dieser Öde verabschiedet. - Marina kam in Fahrt; Das geht wieder in die Richtung von Gelaber. Dazu möchte ich - später noch verschiedenes sagen. Aber du verstehst jetzt mein Desinteresse an solchen Ausstellungen! Philip suchte sich zu verteidigen. Öde! - oder wie sollt ich’s denn sonst nennen? - das Gefühl zunächst, die Enttäuschung auch. Man erwartet ja doch irgendetwas - Was?? (Marina war sehr gespannt) - so etwas wie (Philip kämpfte hart mit Gedanken und Formulierungen) - wie einen Zusammenhang mit all dem, was man in der Kunst - in der Kunst von Jahrtausenden! - so gesehen hat. Wobei man irgendwie gestaunt hat, sich gefreut hat, dabei das Können - ja, das Können in den Kunstwerken gespürt hat. - - . Okay, dann bin ich mitten hinein, in die Feier, in die volle Stube, wo diese Ausstellung - ja doch! - wie es mir schien, gefeiert wurde. - - . Wie es dir schien? Marinas Unterton war wieder etwas spöttisch. Philip überlegte einen Moment. - . Erwartet hatte ich - einen Bezug zu dieser Ausstellung, irgendwelche Diskussionsrunden in irgendwelchen Ecken. Eigentlich hätte dazu doch auch noch die eine oder andere Gruppe vor den Exponaten der Ausstellung stehen können – oder sollen?! Nix von alledem! Ein „Event“ eben, den man feierte. Dass dabei irgendwie auch Kunst mit im Spiel war - oder sein sollte, sein sollte! - war an diesem Künstlermaskenfest, so möchte ich`s mal nennen, dann doch nicht zu verkennen. Hüte, Schals, kunstvolle bunte Kleider, Bärte, Pullover, Schminke, verwegen bis riskant. Auch gab es ein paar ausgezehrt - griesgrämige Gesichter - dabei vermutlich echte Künstlerinnen und Künstler. Marina lachte. Die richtige Gesellschaft für dich! Philip lächelte. Kam mir in meinem simplen Aufzug - Jeans und Pullover hattest du mir geraten - zum Glück nicht völlig deplatziert vor - konnte unbemerkt , sozusagen, an den vielen mir völlig unbekannten Gruppierungen, die Leute meine ich, vorbeischlendern und ein bisschen mithören. Nein! - nichts wurde hier diskutiert. Gelächter, freudiges Jauchzen, ernste Empfehlungen: das sollten Sie sich mal ansehen! - wirklich toll! - also wir machen das jedes Jahr – und so weiter und so weiter. Auch ein paar Einsame standen herum, mit ziemlich leerem Blick, teilweise, oder auch erwartungsvoll in irgendeiner Hinsicht. Philip machte eine Pause. - - . Ja - und Wein trinken, in winzigen Schlückchen, war noch die Pflicht, oder zumindest, sich an einem Glas festzuhalten. Ja, weshalb trinken die Leute? Man weiß, ein Zeremoniell beim Zusammensein. Mehr noch! Die Bestätigung fürs Zusammengehörigsein! Das war’s wohl. Und noch ganz schlicht - hier gab’s die Möglichkeit, eine Party zu feiern ohne eingeladen zu sein. Zunächst hatte ich auch gedacht, diese Leute wären alle vor den Werken der Ausstellung geflüchtet, so wie ich. Einige vielleicht schon auch. Andere könnten mit halb geschlossenen Augen durch die Räume getappt sein. Wenn ich mal versuche, diese Show irgendwie zu verstehen - - die künstlerische Uniformierung, die uniformen kunstvollen Gebärden - -. Jede und jeder ist hier eben Künstlerin und Künstler und man ist dabei unter seinesgleichen. Anders als die Masse draußen. Und alle sind jung, besonders die Alten. Mehrere Wunder sozusagen gleichzeitig - Kunst wird zum Erlebnis! Bleibt die Frage: Was. ist der Grund für die Magie des Wortes - des Wortes! - Kunst? Erkennbar als ein Klebstoff, der einige Fetzen unserer Gesellschaft zusammenbringt. In der Ausstellung für einen Moment - wie anderswo neben dem Fußballplatz, Wir sind wieder - eine Steinzeitmenschengruppe!

      Hübsch - da ist was dran, meinte Marina. Mir fällt da noch was andres ein. Erinnerst du dich noch an die Geschichte? - die ging etwa so Es war einmal eine Ministerpräsidentin, die liebte es sehr, sich abwechslungsreich in phantasievollen, insbesondere auch bunten Kleidern zu zeigen. Und jeden Tag zog sie verschiedenes neues an. Eines Tages kamen zu ihr einige Fachleute und teilten ihr mit, sie hätten, extra auch für sie, etwas ganz tolles entwickelt. Mittels einer neuen Technologie sei es ihnen gelungen, „Psychotex zu weben. Das sei ein Stoff mit völlig ungeahnten Möglichkeiten, insbesondere auch zur künstlerischen Gestaltung. Das tollste dabei wäre aber dann gerade noch folgendes. Die mit Psychotex hergestellte Bekleidung wäre für alle diejenigen unsichtbar, die in ihrem Amt nichts taugten! Die Präsidentin war begeistert. Denn sie erkannte sofort, dass ihr damit die Möglichkeit eröffnet wurde, unfähige Minister schnellstens aus ihren Ämtern zu entfernen. Denn diese würden ja keine Beschreibung ihrer Kleider geben können! Die Psychotex-Technologen bekamen sofort eine leerstehende Suite in einem Technologiezentrum zugewiesen und erbaten sich nach drei Tagen einen Gutachter. Dieser sollte die Qualität einer fertiggestellten Auswahl von Psychotex-Mustern überprüfen. Der Gutachter kam und sah, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Psychotex-Webergruppe ächzend eine größere Menge an Stoffballen herbeischleppten und sie anschließend auf Tischen und Bänken und sogar noch auf dem Boden auslegten. Der Gutachter rieb sich die Augen. Er hatte doch gesehen, dass diese Leute verschiedene Stoffe hinlegten – aber – er sah diese Stoffe nicht!! Ogottogott!! Er war also unfähig für sein Amt!! Der Gutachter riss sich zusammen. Er war ja nicht dumm. Es sollte einfach keiner merken, dass er nichts sah! Er fragte also den Leiter der Gruppe eingehend aus und notierte sich, was dieser ihm so im Einzelnen zur Gestaltung der Gewebe erzählte. Die Präsidentin war sehr erfreut über einen entsprechenden Bericht des Gutachters. Sie verabredete auch gleich für den nächsten Tag eine Anprobe mit ihrer Modellschneiderin. Es geschah das gleiche. Beide sahen – nichts! Die Präsidentin traf das besonders hart, natürlich. Aber die beiden Damen spielten ihre Rolle ebenso gut wie der Gutachter und übertrafen sich gegenseitig ständig im Lob über die überaus vorzüglichen und insbesondere auch phantasievoll gestalteten Muster der Gewebe, Die Technoleute