der Unterschied zwischen beschriebenem Konzept und gelebter Wirklichkeit in der Einrichtung möglichst gering bleibt, wurden viele Teile des Konzeptes für das Qualitätsmanagement-Handbuch der Einrichtung in die Form von Flussdiagrammen gebracht. Beschrieben wird hier das Vorgehen innerhalb des stationären Settings; die stationäre Behandlungsphase wird als Teil einer Kombi-Therapie gesehen.
Innerhalb der stationären Rehabilitationsphase sollen
vom Patienten1 eindeutige Entscheidungen zum Behandlungsauftrag und zur Störungsbewältigung getroffen werden (Abhängigkeitsakzeptanz und unbedingte Abstinenzentscheidung)
grundlegende Selbstmanagement-Kompetenzen vermittelt werden. Dazu gehören die Fähigkeiten, sich selbst und soziale Situationen zu beobachten, sich selbst und soziale Situationen zu bewerten, die Ergebnisse des eigenen Verhaltens zu bewerten und sich im Idealfall selbst zu verstärken.
Individuelle funktionale Zusammenhänge zwischen Störungsentwicklung und intrapersonaler Variablen sollen gemeinsam mit den Patienten identifiziert werden.
Gemeinsam mit dem einzelnen Patienten sollen Alternativen für die Art des Erlebens und Verhaltens erarbeitet werden, die bis dahin die Abhängigkeitsentwicklung gefördert hatten. Innerhalb der stationären Rehabilitationsphase soll begonnen werden, diese individuellen Therapieziele anzustreben. Diese Entwicklung soll in einer ambulanten Rehabilitationsphase fortgeführt werden.
Selbstmanagement-Therapie wird in diesem Zusammenhang als eine psychotherapeutische Basisversorgung angesehen, mit deren Hilfe der einzelne Patient an das Identifizieren von individuellen Therapiezielen herangeführt wird und mit dessen Hilfe für eine weitere eigenverantwortliche Entwicklung über das Ende der professionellen psychotherapeutischen Versorgung hinaus motiviert wird (fortlaufendes Selbstmanagement). Die individuellen Therapieziele werden angestrebt mit Hilfe derjenigen psychotherapeutischen Techniken, die wissenschaftlich begründet sind und die dem jeweiligen Therapeuten zur Verfügung stehen (in der Regel verhaltenstherapeutische Standardmethoden). Ein Verbessern des Zugangs zu den emotionalen Anteilen der Person wird ebenfalls im Rahmen von individuellen Therapieziele erarbeitet; ebenso natürlich der Umgang mit Gefühlen, soweit sie dem Alkoholkonsum vorausliefen (siehe z.B. „Verhaltensanalyse“, Kapitel 6.4.6.2). Natürlich können Praktiker gute Gründe dafür finden, den Umgang mit Gefühlen zu allgemeinen Therapiezielen zu erklären.
Aus der Sicht von Selbstregulation (siehe Kapitel 3.3 „Unterschiedliche Intensitäten der Selbststeuerung: Selbstkontrolle und Selbstregulation“) heraus ist es sogar ausgesprochen wünschenswert, dass der Einzelne nicht nur seinen Verstand einsetzt, um Abweichungen oder Übereinstimmungen mit dem gewählten Weg zum identifizieren. Bei dem hier beschriebenen Vorgehen liegt der Schwerpunkt der therapeutischen Bemühungen auf dem Vorbereiten von Entscheidungen, die der Patient treffen sollte und auf dem Motivieren zu fortlaufendem Selbstmanagement.
Die Vernetzung der therapeutischen Anstrengungen zwischen der stationären und der ambulanten Rehabilitationsphase werden ebenfalls aus der Sicht der stationären Behandlung beschrieben.
1.1 Behandlungsbedürftigkeit und wirtschaftliche Ressourcen
Dem Vorgehen zu Grunde liegen Überlegungen, wie der Nutzen für Patienten unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation des Gesundheitswesens und der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation zu optimieren sei. Die Gesundheitssysteme in Deutschland stehen unter dem Druck, Kosten einzusparen. Im europäischen Vergleich wird in Deutschland ein hoher Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes (10,8%) eingesetzt, um durchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Andere Länder, z.B. Finnland, erreichen solche Ergebnisse mit einem Einsatz von weniger als acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes (Huber & Langbein, 2004). Im Zuge der Anpassung innereuropäischer Lebensbedingungen ist zu erwarten, dass sich das Gefälle zwischen den einzelnen Ländern verringern wird. Günstige Veränderungen der konjunkturellen Situation würden diesen Prozess höchstens verzögern.
Das Statistische Bundesamt hat im Juli 2004 veröffentlicht, dass der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt zwischen 1992 und 2002 von 10,1 % auf 11,1 % gestiegen sei (Statistisches Bundesamt, 2004)2. In dieser Veröffentlichung wurde auch der Druck illustriert, der sich aus der wandelnden Alters-Zusammensetzung der Gesellschaft ergeben wird: Knapp 43 % der Krankheitskosten würden auf die rund 17 % der Bevölkerung entfallen, die über 65 Jahre alt sind; bis zum Jahr 2050 sei eine Verdoppelung des Anteils der über 65Jährigen zu erwartet.
Die volkswirtschaftlichen Kosten von Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch belaufen sich nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums zurzeit etwa auf 20,6 Milliarden Euro (Bühringer, 2000).
Auch wenn es erste Hinweise darauf gibt, dass der Konsum von Alkohol nicht weiter kontinuierlich steigt, sind immer noch bedenkliche Zahlen für einen riskanten Konsum oberhalb eines Grenzwertes von 20 g bzw. 30 g reinen Alkohols pro Tag für Frauen bzw. Männer festzustellen.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung geht in ihren Bericht für das Jahr 2004 von 3,8 Millionen Männern und 1,7 Millionen Frauen aus, die in riskanter Weise Alkohol konsumieren (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2004). Die Zahl der Fälle ist so groß, dass deutschlandweit von etwa 40.000 Todesfällen pro Jahr, als Folge des Alkoholkonsums, gesprochen wird (Bühringer et. al., 2000 spricht gar von 42.000 Personen, deren Tod direkt oder indirekt mit Alkohol in Verbindung steht).
Die Landesstelle zur Bekämpfung der Suchtgefahren in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht regelmäßig Hinweise, dass die durchschnittliche Belastung der Bevölkerung in diesem Bundesland höher liegt als der bundesweite Durchschnitt.
Im Vergleich mit Deutschland hat Mecklenburg-Vorpommern vor allem in den jüngeren Altersgruppen eine drastisch erhöhte Krankenhaushäufigkeit im Bereich alkoholbezogener Erkrankungen – diese Aussage wiederholt sich jedes Jahr... In der Region Vorpommern lag der Anteil dieser Männer in der Altersgruppe der unter 40jährigen fast dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Ein Indikator für den übermäßigen Alkoholkonsum der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern ist die Anzahl der Lebererkrankungen. 2002 waren 57% aller Krankenhausfälle bei den Männern wegen Lebererkrankungen alkoholbedingt (Frauen 36 %) (Landesstelle Mecklenburg-Vorpommern, 2003).
Es ist anzunehmen, dass eine kostengünstige und wirksame Therapie von den Kostenträgern und ihren Versicherten eher nachgefragt werden würde als eine Maßnahme, die im Vergleich einen höheren wirtschaftlichen Einsatz fordert.
Grundsätzlich beruhen die Überlegungen für eine Kombitherapie mit einer stationären und einer ambulanten Behandlungszeit darauf, dass es aus ethischer Sicht geboten ist, über möglichst wenig Lebenszeit der Patienten, durch eine stationäre Aufnahme und die damit verbundene Entkoppelung aus ihren sozialen Bezügen, zu verfügen.
Zum nachhaltigen Fördern von Eigenverantwortung kann sich jeder psychotherapeutische Tätige durch die in Art. 1 der Verfassung Deutschlands verankerte Unantastbarkeit der Würde des Menschen verpflichtet sehen (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1949, zuletzt geändert 2002). Die Verpflichtung gilt auch dann, wenn es für den einen oder anderen Einzelnen bequemer ist, Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung zu delegieren, statt sich um eine eigenverantwortliche Bewältigung der eigenen Lebensprobleme zu bemühen. Auch für den Einzelnen selbst bleibt die eigene Würde rechtlich unantastbar.
Aus der Sicht der Wirtschaftlichkeit bietet eine Kombi-Therapie mit stationärer und ambulanter Rehabilitationsphase einen weiteren Vorteil: Aus dem kostenintensiven stationären Setting lassen sich Therapieteile in das kostengünstigere ambulante Setting externalisieren.
1.2 Zum theoretischen Hintergrund
Der Beschreibung des therapeutischen Vorgehens liegen einige Überlegungen über das Entstehen der Störung Alkoholabhängigkeit zu Grunde. In den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Versuche, die Genese dieser Störung aus der Sicht verschiedener psychotherapeutischer