Maxi Hill

Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe


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traurige Augen aus der rauchgeschwängerten, stickigen Luft jener Kneipe, in die Laila nicht passte. Diese Augen aber hatten mich verhext und auch der Fleck auf ihrer Stirn musste einen Brandfleck auf meiner sündigen Haut hinterlassen haben. Ein flüchtiger Gedanke packte mich. Wie würde sich dieses Mädchen in Hingabe gebärden? Sie hatte ein hübsches Gesicht, in ihrer Zurückhaltung schien sie jedoch für die Männerwelt verloren.

      Im Vergleich zu Sigmund waren meine Gedanken mal wieder pikant. Das ärgerte mich. Einmal gab es die Chance, nicht an Sex zu denken, und nun?

      »Die Kleine ist sehr intelligent«, hörte ich Sigmund in sein Glas brummen. Und damit entfachte er ungewollt die Diskussion über die Hirne der Geschlechter, die das Fass bei ihm endgültig zum Überlaufen brachte und er der Clique für immer entsagte.

      Zum ersten Mal blieb eine völlig unbedeutende Kneipenszene für Tage in meinem Kopf. Alles bedingt einander, alles hat einen Nutzen, das hatte Laila gesagt, und ich fragte mich, was ihr Erscheinen für einen Nutzen haben konnte. Ich rief mir ins Gedächtnis, warum ich dunkelhaarige Frauen bisher gemieden hatte. Blonde Frauen haben einen höheren Östrogenspiegel, sind fruchtbarer und deswegen geiler als dunkle. Wohl deshalb fehlt ihnen die Zeit, sich mit der nötigen Schläue auszustatten. Dunkle Frauen haben eine starke Körperbehaarung und sind wegen ihres höheren Intellekts streitsüchtig. Keine Frage, was einem Mann mehr gefällt.

      So sehr ich mich auch mit meinen Weisheiten beimpfte, immer wieder wanderten meine Gedanken zu diesem scheinbar unscheinbaren Mädchen. Irgendwo in meiner Brust drückte eine nie gestellte Frage: Kann Matti Braun Empathie empfinden? Das zumindest war mir in meinem bisherigen Leben nicht annähernd geglückt.

      Den Speicherplatz meiner Empathie füllte gleich am Montagmorgen mein Chef Galle, Inhaber der Werbeagentur G.U.T – was so viel hieß wie: Galle und Tarrach.

      Meine Arbeitsstelle glich einem paramilitärischen Krisengebiet, in dem mich besonders Galle ständig attackierte. Erst tags zuvor hatte er getobt und war bei seiner Schimpfkanonade ganz grün geworden.

      »Kein Mitleid, Conny. Bitte halten Sie sich zurück! «

      Er tobte und warf mit den Akten um sich, die auf meinem Schreibtisch und um denselben herum seit Monaten niemanden gestört hatten. Ich bemühte mich ernsthaft um mein angeborenes Phlegma und ich fragte mich, warum er mich eingestellt hatte, wenn ich schon seit dem ersten Tage meiner Anstellung um Galles Anfeindungen nicht umhin kam. Zum Glück war ich dafür bekannt, auf dem Gebiet der selbstschützenden Komik einen erwähnenswerten Eindruck zu hinterlassen.

      »Es wird Regen geben, die Akten fliegen heute ziemlich tief« Ich grinste in Connys Richtung, verfehlte aber an diesem Tag mein Ziel gehörig. Galle polterte zurück: »Wenn wir schon vom Fliegen reden. Wie lange sind sie jetzt bei uns? «

      »Fünf Jahre und zehn Monate, elf Tage und …«, griente ich und schaute zur Uhr.

      »Es werden keine zwölf, fürchte ich. «

      Auf diese Weise deutete mir Galle unmissverständlich an, sofort Ordnung zu machen oder zu ihm zu kommen, um die längst fällige Kündigung zu unterschreiben.

      »Das Genie braucht das Chaos - ohne Chaos keine Idee«, schrie ich. Mit noch lauterem Getöse verschwand Galle in seinem Reich, von wo er so schnell seinen Kopf nicht wieder heraus stecken würde.

      Ich will es mal so ausdrücken: Mein Chef nahm mir den Schneid übel, den ich Frauen gegenüber entwickelte. Er selbst war kein Mann, den Frauen anhimmelten. Er war untersetzt, kurzbeinig und mit bulligem Schädel auf seinen kantigen Schultern. Manchmal wunderte ich mich, mit welchem Trotz er von seinen sportlichen Aktionen erzählte. In meinen Augen glich jede seiner Bewegungen einer Massenhysterie. Kein Mann müsste Galle als Rivalen fürchten, wenn allein die Natur der Entscheidungsfaktor wäre und weder Geltung noch Geld eine Rolle spielten. Meine heimliche Bewunderung für sein Können behielt ich für mich. Galle hatte zwei entscheidende Vorzüge. Er kleidete sich stets außerordentlich korrekt und blieb nie eine Erklärung schuldig. Weiß der Teufel wie er es anstellte, so viel zu wissen.

      Wieder allein mit Conny, fühlte ich mich genötigt, eine ungerührte Miene aufzusetzen und platzierte mich gelangweilt, aber sehr dekorativ, auf Connys Schreibtisch.

      Conny -eigentlich hieß sie Constanze - war die einzige unter den Frauen der Clique, mit der ich auch dienstlich zu tun hatte. Nicht nur dienstlich, aber auch dienstlich.

      Manchmal tat sie mir leid. Besonders montags, wenn ich ihr in allen Einzelheiten von meinen Eroberungen erzählte. Das war nicht fair, aber es machte den abscheulichsten Tag der Woche ein wenig leichter.

      »Dieser diktatorische Spießer. Nicht mit mir …«, schimpfte ich inzwischen betont leiser.

      »Kein Diktator weiß, dass er einer ist, auch kein Spießer weiß das, nicht einmal ein Chaot …«, belehrte mich Conny und traf damit den Nagel auf den Kopf. »Wenn du dieses Chaos für deine Kreativität wirklich brauchst, müsste dein Er-Sie-Es-Konzept schon längst wieder aus der Mode gekommen sein.« Ich konnte nichts darauf antworten. Manchmal hat auch ein Genie seine Denkblockade. »Galle hat ΄ne Stinkwut auf dich. Was ist denn los mit euch? «

      Conny beugte sich herunter und griff nach einem der eben noch fliegenden Ordner. Dann blickten mich ihre treuen Augen an, dass mir sofort klar war, woran sie gerade dachte. Sie stand auf, und während ihre Finger an meinem ungepflegten Drei-Tage-Bart zupften und eine viel zu lang geratene Haarsträhne aus meinem offensichtlich verklärten Blick schoben, lächelte sie versöhnlich: »Na komm, ich ahne es längst. Bei dir zu Hause wird es aussehen wie hier.« Sie schob ihr Gesicht in Richtung meines Schreibtisches und lächelte. »Du bist und bleibst ein Chaot. «

      »Jeder hier kennt mich nicht anders«, sagte ich, aber plötzlich fiel mir ein, warum Galle so wütend war. Ich war nie anders und wollte mich auch nicht ändern. Tabus machen das Leben grau.

      Die Story mit Galles Frau, die ich Conny dann ausführlich erzählte, lag Wochen zurück. Warum also hatte Galle erst heute seinen Wutanfall?

      Am späten Nachmittag, nachdem ich die fliegenden Akten mit Connys Hilfe wahllos in einem der Schränke verstaut hatte, konnte ich wieder an das Weib an sich denken. Urplötzlich war meine Welt wieder normal. Ich kramte in meinem unverzichtbaren, privaten Chaos nach Telefonnummern und erwischte Lizzys Visitenkarte.

      Der Tag zog sich hin. Gegen achtzehn Uhr ging ich mit meiner Last an Lust den kurzen Weg durch die menschenüberfüllte Stadt. Feierabend. Alles rannte nach Hause. Ich hatte keins. Meine Bude war kein Zuhause, es war ein Schlupfloch, ein Asyl. Manchmal glaubte ich sogar, es wäre ein Exil, ein Versteck vor dem lästigen Leben.

      Mit einem Hintergedanken kaufte ich im Blumenshop am Stadttor eine einzelne Rose, die ich unter mein großkariertes Jackett schob. Einzelne Rosen, so sagt man, zeigen einer Frau, wie einzigartig sie ist. Einzigartig heißt laut Duden auch erregend, auffallend, beachtlich, frappant, … Ich hörte auf, die Synonyme in mein Gedächtnis zu rufen. Gerade kam jemand aus der Tür und ich schlüpfte rasch in das schmale Mietshaus, in dem Lizzy lebte. Zu klingeln hatte ich mir verboten, mein Erscheinen sollte schließlich eine Überraschung werden. Hurtig stieg ich die engen Treppen hinauf. Es roch muffig nach faulem Holz und Terpentin und von den Wänden rieselte Kalk. Auf den Zwischenabsätzen gab es noch schmale Fenster mit bunten Scheiben, wie ich sie vom Haus meiner geliebten Großmutter kannte. Auf den Geländerpfosten thronte jeweils eine dicke Holzkugel mit einem kleinen, gedrechselten Knauf. Ich hielt mich, wie früher als kleiner Junge, mit der Hand an der Kugel fest und schwang meinen Körper behände um die Biegung herum. Doch das Gefühl des kleinen Jungens auf Omas Wendeltreppe wollte sich nicht einstellen. Das Leben recycelt auch Gefühle, ersetzt sie durch die Verdorbenheit eines Wüstlings, der selbst die Gattin seines Chefs nicht verschmäht.

      Mein Schritt wurde mit jedem Stockwerk langsamer, mein Atem keuchender. Ich nahm mir mehr Zeit, um nicht vor Erschöpfung mein Vorhaben zu vermasseln. Oben angekommen drückte ich keuchend die Klingel. Nichts. Verdammt.

      Ich setzte mich auf den Treppenabsatz, wartete und schloss die Augen, um meiner Begierde den Anblick der wollüstigen