Olaf Falley

Im Bann der Traumfänger


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der Geschichte aufnahm.

      „Vor einigen Tagen erreichte uns dann eine schreckliche Nachricht von Inge. Sie hatte sich einst Sonja angeschlossen, später dann jedoch die Einsamkeit des Waldes gesucht. Du wirst dich sicher erinnern, dass sie keine angenehme oder gar mitfühlende Schwester war und dennoch, als die Gefahr heraufzog schickte sie eine Warnung an alle Schwestern, gleich welcher Seite sie sich angeschlossen hatten. Die Traumfänger sind wieder da!

      „Mit ihrer Nachricht hat sie den Dämonen ihren Aufenthaltsort preisgegeben. Wir begaben uns sofort auf den Weg zu ihr, da wir wussten, dass sie allein lebt und sich somit in großer Gefahr befand. Wir kamen zu spät. Der Traumfänger hatte Inges Körper zerfleischt und ihre gepeinigte Seele war zu den Göttern geflohen. Und während wir entsetzt die Reste unserer Schwester betrachteten, wurde uns klar, dass es noch eine aus unserer Gemeinschaft gibt, die zurückgezogen lebt und die zu beschützen wir geschworen hatten. Dich! Wir kamen gerade noch rechtzeitig an, um zu sehen, wie der Traumfänger dein Pferd tötete und dich bewusstlos schlug. Gemeinsam konnten wir ihn mit unseren alten Beschwörungen verjagen. Er ist noch immer sehr schwach, nicht mehr als ein Schatten, verglichen mit seiner alten Stärke.“

      Fast zärtlich strich Hilda über Baldurs Haare.

      „Von deinem Sohn erfuhren wir, was geschehen war. Rosa und ich beschlossen, bei dir zu bleiben, während sich die anderen Schwestern sofort auf die Suche nach Freya begaben.“

      Baldurs Zustand hatte sich mittlerweile weiter stabilisiert, nicht zuletzt dank der Bemühungen Hildas, die während Gerdas Bewusstlosigkeit alles in ihrer Macht stehende getan hatte, um dem Jungen zu helfen. Anders als bei Gerda waren bei den anderen Schwestern die alten Kräfte wieder erwacht, als die Traumfänger zurückkehrten. Gerdas Fähigkeiten waren bei der Geburt der Zwillinge auf diese übergegangen. Das war auch der Grund, warum Freya und nicht Gerda die Nachricht Inges erhalten hatte. Inwieweit Baldur sich der Kräfte der Schwesternschaft würde bedienen können, war noch unklar. Mit zitternder Stimme begann er, seiner Mutter zu berichten.

      „Wir haben im Wald gespielt. Ich wollte Freya die schönsten Blumen schenken, die ich finden konnte. Aber sie hat gesagt, dass die Blumen sterben, wenn ich sie pflücke. Der schönste Strauß ist der, der noch im Wald steht und lebt hat sie gesagt. Also haben wir nur so getan, als ob ich die Blumen pflücke und Freya hat sich jedes Mal gefreut, wenn wir eine neue Blüte entdeckt haben. Und dann kam der Blitz über den Wald geflogen und traf unser Haus. Vater war hinter dem Haus auf der Wiese. Er konnte uns nicht sehen, weil das Feuer zwischen uns war. Deshalb konnte er uns auch nicht helfen, als das Ungeheuer aus dem Feuer auf uns zukam. Wir sind zurück in den Wald gerannt aber wir waren zu langsam. Es hat sich Freya geschnappt und als ich ihr helfen wollte hat es mir fast den ganzen Arm abgebissen. Ich bin hinterher gerannt und habe sie nicht einholen können. Was dann passiert ist weiß ich nicht mehr. Du hast mich gerettet, nicht wahr. Du bist eine Hexe, wie die anderen auch. Ich habe immer gewusst, dass du etwas Besonderes bist. Ich habe es gespürt. Du warst anders, genau wie Freya. Und jetzt gehen wir los und töten das Ungeheuer, nicht wahr!?“

      Erwartungsvoll sah Baldur seine Mutter an.

      „Ja mein Sohn, wir töten den Traumfänger und retten deine Schwester.“

      Tränen begannen Gerdas Augenwinkel zu füllen.

      „Aber vorher müssen wir dir noch eine Menge beibringen. Wir machen einen großen Kämpfer aus dir“

       Geschwister

      1.

      Eigentlich hätte sie es wissen müssen! Sie hätte Baldur nichts von ihrem Alptraum erzählen dürfen. Es war typisch für ihn, dass er sich einen Spaß daraus machte, sie zu ängstigen. Natürlich war es nicht böse gemeint von ihm, er würde sich auch ganz bestimmt bei ihr entschuldigen, aber trotzdem musste er sie erst einmal ärgern. Freya liebte ihren Zwillingsbruder abgöttisch, sie verehrte ihn geradezu. Er war ihr Beschützer, ihr bester Freund aber auch ein Schelm, dem es Freude bereitete, sie zu foppen.

      Während Freya die Bäume und Blumen betrachtete spürte sie, dass Baldur sich ihr näherte. Es war schon immer so gewesen. Freya konnte die Anwesenheit ihres Bruders fühlen, sobald die Entfernung zwischen ihnen einen gewissen Abstand unterschritt. Sie wusste auch immer in welchem Gemütszustand er sich gerade befand. Im Moment suchte er zerknirscht ihre Nähe, um sich bei ihr zu entschuldigen. Durch die Bäume sah sie ihn näher kommen, einen schlanken Jungen mit schulterlangem schwarzen Haar und braunen Augen.

      Ohne Mühe gelang es Freya, einen Regenguss salziger Tränen aus ihren Augen hervorbrechen zu lassen, schließlich war sie eine Frau, wenn auch noch eine junge. Als Baldur sah, dass seine Schwester noch immer weinte, überkam ihn ein Schamgefühl. Er hatte sie nicht erschrecken wollen, jedenfalls nicht so sehr!

      Reumütig legte er seine Arme um sie. Es war eigenartig. Immer, wenn er seine Schwester weinen sah, schien sein Denken auszusetzen. Sein ganzes Sinnen und Trachten war in diesen Momenten nur darauf gerichtet, Freya wieder glücklich zu sehen. Insgeheim glaubte er, dass Freya um diese Tatsache wusste, und sie gezielt ausnutzte, indem sie spontan zu weinen begann, wenn ihr etwas nicht behagte. Doch sei’s drum, er würde sie immer beschützen und ihre Tränen trocknen.

      „Ich werde dir den schönsten Blumenstrauß des ganzen Waldes pflücken, damit du nicht mehr traurig bist.“

      „Aber Baldur“ schniefte Freya „ willst du mir tote Pflanzen schenken, um mich glücklich zu machen? Müssen die armen Blumen sterben, weil du mich geärgert hast? Die schönsten Blumen sind die, die ihre Wurzeln noch in der Erde vergraben haben und lebendig sind. Ich kann es fühlen, wie glücklich sie sind. Wenn sie in einer Vase stehen, sind sie tot und ich kann nichts mehr in ihnen spüren.“

      Baldur bekam rote Ohren, schon wieder. Gleichzeitig fiel ihm jedoch etwas Hervorragendes ein.

      “Dann lass uns doch so tun, als ob wir Blumen pflücken. Immer, wenn wir eine schöne Blume sehen, stellen wir sie in eine Vase, die wir uns ausgedacht haben. Das wird bestimmt ein toller Strauß.“

      Nun konnte Freya nicht länger das verletzte, weinende Mädchen spielen. Sie küsste ihren Bruder auf die Stirn.

      “Das ist die beste Idee, die du in der letzten Zeit hattest. Das wird bestimmt mein Lieblingsspiel.“

      Und so zogen sie durch den Wald, auf der Suche nach den schönsten Blumen. Immer, wenn Baldur eine neue Blüte entdeckte, die eine Bereicherung für den imaginären Traumstrauß war, konnte man Freyas helles Lachen hören. Es vergingen einige Stunden und die Kinder waren schon wieder auf dem Nachhauseweg, als Freya plötzlich stehen blieb.

      „Kannst du das hören, Baldur?“

      „Ich höre nichts. Es ist ganz still.“

      Irritiert sah Baldur seine Schwester an.

      „Was hörst du denn?“

      „Nichts! Gar nichts! Das ist doch seltsam, oder nicht? Eigentlich hört man im Wald doch immer irgendetwas.“

      Jetzt fiel es auch Baldur auf. Doch noch bevor er etwas sagen konnte, vernahm er ein Zischen und Rauschen über den Bäumen, welches immer lauter wurde.

      Die Geschwister sahen einander an und ohne ein Wort zu sagen, rannten sie los.

      Gerade, als sie den Waldrand erreichten, flog eine Feuerkugel über ihre Köpfe hinweg und krachte durch das Dach ihres Hauses, worauf dieses sofort in Flammen aufging. Die Kinder liefen weiter. Durch ein Fenster konnte Baldur von weitem erkennen, dass der Feuerball die komplette Rückwand des Hauses hinweggefegt hatte. Als er näher kam, sah er durch dasselbe Fenster seinen Vater auf der Wiese liegen. Er erschrak. Arnulf lag da, als wäre er tot. Seine Kleider standen in Flammen. Voller Panik ergriff er Freyas Hand und wollte an der Scheune vorbei zu seinem Vater rennen, als sich plötzlich ein riesiger Schatten in den Flammen bewegte. Baldur konnte regelrecht spüren, wie eine eisige Hand über seinen Rücken strich und seine Beine sich ganz langsam in Baumstämme verwandelten. Vor Entsetzen war er zu keiner Bewegung mehr