Hermann Mezger

Rien ne va plus


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einen Fingerzeig auf seine Geldquelle.“

      „Das ist eine gute Idee! Ob der Wagen ein Navi hatte dürfte leicht herauszufinden sein.“

      Bizon zog sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer per Kurzwahl. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis jemand auf der anderen Seite das Gespräch annahm.

      „Oui, c’est moi. Es geht um den Unfall von heute. Ich will wissen, ob Monsieur Pochers Wagen ein Navi hatte.“

      Eine kurze Pause trat ein, in der Bizon mit den Knöcheln gegen den Aluminiumrahmen der Balkontür klopfte.

      „Pocher. Louis Pocher. Der Wagen muss vor ein paar Stunden bei euch angekommen sein.“

      Bizon machte sich nicht die Mühe, ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verstecken, doch plötzlich verlor er seine Gelassenheit und er warf Bramme einen schnellen, unsicheren Blick zu.

      „Was? Bei euch ist heute noch kein Unfallwagen angeliefert worden? Das kann nicht sein!“

      Bizon war sichtlich verärgert. Während er noch eine Weile weiter in das Telefon hineinhörte, vergrub Bramme das Gesicht hinter der linken Hand. Irgendwie war ihm schon die ganze Zeit klar gewesen, dass etwas schiefgehen würde. Er kannte sein Leben gut genug, um ihm nicht über den Weg zu trauen.

      „Und Sie sind sich Ihrer Sache ganz sicher? Oui, alors, merci, Monsieur!“

      Brammes Kollege beendete niedergeschlagen das Gespräch, schaute erst ungläubig auf sein Handy und dann auf ihn. In seinem Gesicht spiegelten sich Nervosität, Verwirrung und Schuldgefühle gleichzeitig wider.

      „Nun, was sagen Sie dazu, Monsieur Bramme?“, fragte er hilflos.

      Bramme fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, dann sah er zum Horizont hinüber, dessen Rot und Gold langsam zu einem Lila verblasste.

      „So wie ich die Sache sehe, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder befinden sich die beiden Wagen noch irgendwo auf dem Abschleppwagen, oder jemand hat ein Interesse daran, sie verschwinden zu lassen.“

      Nachdenklich nickte Bizon und kratzte sich unbehaglich hinter dem Ohr. Es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm diese Panne mehr als peinlich war.

      „Gibt es hier in der Nähe einen Autofriedhof?“, fragte Bramme nicht zuletzt, um Bizons Bedenken zu zerstreuen.

      „Ja, einen sehr großen sogar.“

      „Gibt es dort eine Schrottpresse?“

      „Das ist anzunehmen, aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich kann das aber sofort in Erfahrung bringen“, sagte Bizon diensteifrig und griff erneut zu seinem Handy.

      „Lassen Sie das!“, bat Bramme. „Suchen Sie lieber in der Schrottfirma nach den beiden Autowracks und schicken Sie gleichzeitig ein paar Beamte zu der Abschleppfirma.“

      „Ich werde das Nötige gleich veranlassen, Monsieur Bramme. Der Autofriedhof interessiert mich auch. Da muss ich sofort hin!“

      Bizon deutete mit dem Kopf einen Abschiedsgruß an, griff nach seinem Hut und ging zur Tür. Doch auf halbem Weg holte ihn Bramme humpelnd ein,

      „Ich komme mit!“, stellte er unmissverständlich klar, und Bizon riss seine ohnehin großen Augen noch weiter auf. Er wollte noch protestieren, kapitulierte dann aber vor der Entschlossenheit, die Bramme an den Tag legte. Mit einem milden Lächeln schüttelte er den Kopf. Dieser Kommissar gefiel ihm.

      5. Kapitel

      Nur noch vereinzelte Sonnenstrahlen verirrten sich zu dieser späten Abendstunde auf den Schrottplatz und hüllten ihn in ein diffuses Licht, als Polizeimeister Roche auf seinem Motorrad durch das offene Tor fuhr. Er war ein junger Bursche von 25 Jahren, ehrgeizig und bis unter die Haarspitzen motiviert. Und so war es nicht verwunderlich, dass er dem Auftrag Bizons, den Autofriedhof noch heute unter die Lupe zu nehmen, sofort nachkam, zumal ihm auch noch gesagt wurde, es wäre Gefahr im Verzug. Da ließ er Feierabend Feierabend sein und brauste ungestüm los, ohne einen Kollegen mitzunehmen.

      Roche fuhr zwischen aufgetürmten Bergen von Autowracks hindurch auf eine windschiefe Bretterbude zu. Obwohl es bereits sehr spät war und die Öffnungszeiten am Eingang etwas anderes kundtaten, herrschte hier reger Betrieb. Alles war hell erleuchtet, und der Ausleger des Krans hatte sogar noch einen extra Scheinwerfer, der auf die Greifarme gerichtet war. Mit gerunzelter Stirn hielt er an, blieb einen Moment auf dem Motorrad sitzen und schaute fasziniert dem Drehkran zu, der gerade eine Schrottkiste aufnahm, um sie in einer Müllpresse verschwinden zu lassen.

      Er wollte gerade absteigen, als sein Blick auf etwas fiel, das alle seine Alarmglocken zum Klingeln brachte. Ein Hubstapler war eben dabei, zwei Autowracks ganz oben auf dem Schrottberg abzuladen, bei denen man die Kennzeichen nicht abgeschraubt hatte. Eines der beiden Fahrzeuge war ein Cabrio und Roche schloss daraus messerscharf, dass er die beiden gesuchten Fahrzeuge gefunden hatte. Ohne lange zu überlegen, rannte er auf den Kran zu, fuchtelte mit den Armen über dem Kopf und schrie, so laut er konnte: „Arrêtez!!“

      Sein Herz hämmerte wild vor Aufregung, und er fürchtete schon, niemand würde ihn hören, doch dann wandte der Mann im Führerhaus den Kopf und sah den Polizisten schreiend und gestikulierend auf sich zukommen. Roche konnte sehen, wie der Kranführer zögerte, dann den Motor abstellte und langsam die Tür der Kabine öffnete.

      „Was zum Teufel ist denn los?“, brüllte er Roche an. Offensichtlich war er über die Arbeitsunterbrechung verärgert.

      Roche zeigte auf die beiden Wracks. „Die beiden Wagen da sind beschlagnahmt!“, brüllte er zurück. Während er noch mit wachsender Ungeduld die Verwirrung im Gesicht des Kranführers registrierte, machte es KLONG und er spürte einen heftigen Schlag am Hinterkopf. Leblos wie eine Marionette, der man die Fäden durchschnitten hatte, fiel der junge Polizist in sich zusammen und schlug mit der Nase voran auf dem Boden auf. Der dunkle Schatten, der sich über ihm erhob, gehörte einem schmächtigen Mann in einem ölverschmierten Overall, der die Eisenstange lässig beiseite warf.

      „Gute Arbeit, Sergej“, lobte der Kranführer, der inzwischen die Leiter heruntergestiegen war und sich die öligen Hände an seiner Hose abwischte.

      „Kein Problem, Robert, aber was machen wir jetzt mit dem Kerl?“

      „Na, was schon? Weg damit!“

      Sergej sah ungläubig auf, doch der grobschlächtige Kranführer war bereits wieder zu seiner Leiter hinüber gegangen und machte Anstalten, zurück ins Führerhaus zu klettern. Robert zog sich wieder in die Bretterbude zurück, aus der heraus er die Ankunft des Polizisten beobachtet hatte. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, das er gekonnt zur Seite schob, verfolgte er, wie die Greifarme des Krans Roches Motorrad packten, in die Luft rissen und über dem gierigen Schlund der Müllpresse fallen ließen. Es folgte ein knirschendes und kreischendes Geräusch, das durch Mark und Bein ging. Dann war wieder Stille.

      Die Klauen des Krans schwangen wieder zurück und kamen genau über Roche, der sich noch schwach regte, zum Halt. Sergej klammerte sich unwillkürlich am Türrahmen fest, als die Greifer wie Finger den Polizisten packten, sodass Arme, Kopf und Beine unnatürlich zwischen den Fangarmen herausragten. Mit unübersehbarem Vergnügen im Gesicht schleifte der Kranführer den Greifarm samt Beute ein paar Meter über den Boden und riss ihn dann in die Höhe. Und gerade, als Sergejs Handflächen begannen, unangenehm zu kribbeln, und Roche in den Fängen des Greifers, von dem Scheinwerfer am Kranausleger bizarr angestrahlt, in luftiger Höhe baumelte, raste ein Kombi auf den Schrottplatz, stieß einen Stapel morscher Holzpaletten um und hielt in einer Staubwolke direkt vor der Bretterbude.

      Bizon erfasste die Situation mit einem Blick. Noch bei laufendem Motor sprang er mit einem Satz aus dem Wagen, zückte die Pistole und richtete den Lauf auf den Kranführer.

      „Arrêtez!!!“, brüllte er, so laut er konnte.

      Bramme, der im Auto sitzen blieb, beobachtete die Szene gespannt. Offensichtlich fühlte sich der Kranführer in seiner Kabine sehr sicher, denn er schwenkte den Greifarm mit entschlossener Miene weiter durch die Luft. Erst ein Warnschuss,