Hermann Mezger

Rien ne va plus


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stand inzwischen der Schweiß auf der Stirn. Er suchte hektisch nach der Eisenstange, mit der er den Polizisten niedergeschlagen hatte, fand sie schließlich vor seiner Hütte, packte sie mit beiden Händen, stürmte auf Bizon zu, der ihm den Rücken zugekehrt hatte und holte zum Schlag aus. Doch in diesem Moment zerriss der markerschütternde und ohrenbetäubende Lärm des Martinshorns die Luft. Bizon schoss herum und erkannte die Gefahr. Entschlossen richtete er nun die Waffe auf Sergej. Dieser merkte sofort, dass der Kommissar zu allem entschlossen war und gab auf.

      Bramme stellte das Martinshorn wieder ab und stieg aus. Bizon warf ihm Handschellen zu und während Bramme humpelnd auf Sergej zuging, um ihn festzunehmen, forderte Bizon den Kranführer mit einem Wink der Pistole auf, die Leiter herabzusteigen. Auch bei ihm klickten kurz darauf die Handschellen.

      Telefonisch forderte Bizon einen Notarztwagen für Roche und einen Streifenwagen für die beiden Festgenommenen an. Dann kümmerte er sich um den verletzten Polizisten. Er beugte sich über den jungen Mann und legte eine Hand an seinen Hals, wo er einen zwar schwachen, aber immerhin gleichmäßigen Puls fühlte.

      Unterdessen hatte sich Bramme an Bizons Kombi gelehnt. Dabei wanderte sein Blick über die nähere Umgebung. Als er sein Cabrio entdeckte, das auf dem Schrotthaufen vor ihm lag, hellte sich sein Gesicht auf.

      „Commissaire Bizon, schauen Sie mal!“, sagte er und nickte in Richtung des Schrottberges.

      „Na, dann war die Fahrt wenigstens nicht umsonst. Die beiden Wracks lasse ich natürlich gleich abtransportieren“, meinte Bizon und als er zur Schrottpresse hinüberschaute, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. „Um ein Haar hätten die mich auch umgelegt. Ich darf gar nicht daran denken und weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Monsieur Bramme.“

      Bramme winkte ab.

      „Ich gebe Ihnen Recht, mein Freund. Es gibt schöneres, als an der Côte d’Azur in einem Blechsarg im Hochofen zu landen!“

      Ein Notarzt versorgte Roche notdürftig und verfrachtete ihn in einen Krankenwagen. Während Bizon seine eintreffenden Kollegen begrüßte, sie ins Bild setzte und ihnen die beiden Verhafteten übergab, die schließlich stumm und zerknirscht in den Streifenwagen stiegen, wartete Bramme im Wagen. Er musste sich eingestehen, dass er sich heute mal wieder kräftig übernommen hatte. Sein Kopf brummte, als säße ein in Panik geratenes Wespennest zwischen seinen Ohren. Einen Autounfall mit allerlei Blessuren steckte man eben nicht einfach so weg und dann noch dieser aufregende Besuch auf dem Autofriedhof! Ein Super-Urlaub war das jedenfalls nicht.

      „Mon Dieu, was für ein Tag!“, ächzte auch Bizon, als er sich auf den Fahrersitz plumpsen ließ und Bramme damit aus seinen Gedanken riss.

      „Ja“, erwiderte er erschöpft, „mir reicht es auch.“

      Mit einem verständnisvollen Lächeln sah Bizon zu Bramme hinüber und betrachtete sich dessen dunkle Ringe unter den Augen.

      „Ich bewundere Sie schon die ganze Zeit“, versicherte Bizon. „Sie sind hart im Nehmen, Monsieur! Darf ich Sie noch zu einem Glas Champagner einladen?“

      Er startete den Wagen und fuhr langsam hinter dem Streifenwagen her. Bramme schaute nachdenklich zum Fenster hinaus und antwortete ihm nicht.

      „Ich verstehe, Sie sind müde. Dann eben morgen!“

      „Nein, nein“, wehrte Bramme ab und wollte den Kopf schütteln, aber seine Halsmanschette erinnerte ihn daran, dass bei ihm noch vor ein paar Stunden ein Schleudertrauma diagnostiziert worden war. „Für ein Gläschen Champagner bin ich eigentlich nie zu müde. Ich weiß nur nicht, ob sich das heute mit meinen Medikamenten verträgt. Im Übrigen habe ich mir gerade die Ereignisse des heutigen Tages nochmal durch den Kopf gehen lassen.“

      „Und? Was ist dabei herausgekommen?“

      „Wenn man schon die beiden Autos verschwinden lassen wollte, dann kann man nicht ausschließen, dass auch Pocher von der Bildfläche verschwindet.“

      „Oui, Sie haben Recht, Monsieur!“, sagte der Franzose und stieß die Hand gegen die Stirn. „Ich werde nachher gleich in die Klinik fahren und nach ihm schauen. Ist Ihrer Meinung nach Personenschutz erforderlich?“

      „Jein“, gab Bramme zur Antwort, „vielleicht irre ich mich auch.“

      „Ich gehe auf Nummer sicher“, entschied Bizon. „Das bedeutet aber auch, dass ich auch Sie nicht mehr aus den Augen lassen darf.“

      Doch als Antwort erhielt er nur das ruhige, gleichmäßige Atmen des deutschen Kommissars.

      6. Kapitel

      Die Spielkarten in den Händen der vier Herren schienen ihre Besitzer ganz in Anspruch zu nehmen. Wo sonst Witze aus der untersten Schublade gerissen wurden, herrschten nun kriegsähnliche Zustände. Über dem beträchtlichen Berg an Spielchips in der Mitte des Tisches schien Pulverdampf zu hängen, wie über einem Schlachtfeld.

      Als Ambroix’ Einsatz sich verdoppelte, glich die Szenerie einer unausgeglichenen Waage: Erleichterung und eine entspannte Miene auf der einen Seite, kompensiert durch wachsende Anspannung und Stirnrunzeln bei Segret und Roux auf der anderen.

      „Na warte!“, knurrte Roux in seine Karten, doch Ambroix ließ sich davon nicht beeindrucken und warf ihm stattdessen einen provozierenden Blick zu.

      Papa Albi hingegen, der zwischen den beiden ungleichen Parteien saß, setzte gelassen seine letzten Chips und sah genauso unbeteiligt zu, wie auch diese zu Ambroix hinüber wanderten.

      Als die hübsche Brünette fragte, ob noch eine weitere Partie gewünscht werde, hob Albi abwehrend die Hand und stand auf. Roux, Segret und Ambroix sahen sich einen Augenblick lang unsicher an, dann folgten sie Papa Albi hinaus in die Empfangshalle des Spielkasinos.

      „War wohl nicht dein Tag?“ raunte Ambroix schadenfroh in Albis Richtung, doch dieser zuckte nur gelangweilt die Achseln.

      „Man kann nicht immer gewinnen“, brummte Albi vor sich hin.

      „Unseren Papa wirft das nicht um. Solche Beträge bezahlt er aus der Portokasse“, klärte ihn Roux auf und in seinen Worten schwang ein bisschen Neid mit.

      „Tja, das kann nicht jeder“, entgegnete Ambroix verschlagen und bevor er weiter sticheln konnte, klingelte Roux’ Handy. Dieser warf einen kurzen Blick auf das Display, auf dem unübersehbar der Name Dr. Pierre Savin blinkte und er verzog die Mundwinkel. Ganz offensichtlich trug dieser Anruf nicht dazu bei, seine Laune zu bessern.

      „Was gibt es denn?“, fragte er barsch, ohne sich der Mühe einer Begrüßung zu unterziehen. Eine Weile schwieg er und hörte Savin zu, der erregt und schnell sprach und dessen Worte tiefe Falten auf Roux’ Stirn verursachten.

      „Ärger?“, fragte Ambroix grinsend, kaum, dass Roux das Gespräch beendet hatte.

      „Ja“, gab Roux aufgebracht zurück und warf dem Fragesteller einen vernichtenden Blick zu. „Es gibt schon wieder Arbeit. Dabei bin ich noch mit anderen Fällen bis über die Ohren eingedeckt.“

      Albi, der die Kabbelei der beiden aus der Distanz verfolgt hatte, legte nun Roux eine Hand väterlich auf die Schulter und lächelte ihn an.

      „Du musst halt von deiner Sekretärin heruntersteigen und endlich mal arbeiten“, riet er ihm, worauf Ambroix und Segret in Gelächter ausbrachen.

      Doch Roux war ganz und gar nicht amüsiert, im Gegenteil. Mit wütender Miene wandte er sich erneut an Ambroix und deutete mit einem drohenden Finger auf ihn.

      „Du brauchst gar nicht so hämisch zu lachen, dein Freund Pocher hat ganz schön Mist gebaut!“

      „Inwiefern?“, Ambroix hob milde lächelnd die Augenbrauen.

      „Darf ich fragen, um was es geht?“, fragte Albi neugierig und Roux wandte sich mit leidenschaftlicher Entrüstung an ihn: „Ambroix’ Freund Pocher hat auf dem Weg in die Klinik einen deutschen Kommissar über den Haufen gefahren!“

      „Ach,