Hermann Mezger

Rien ne va plus


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bis er außer Hörweite war.

      „So einfach liegt der Fall nicht!“, belehrte Roux Ambroix. „Wie es der Teufel will, ist die Polizei dazugekommen, als Pochers Wagen verschrottet werden sollte. Die beiden Arbeiter auf dem Autofriedhof haben dabei einen Polizisten zusammengeschlagen. Beide sitzen jetzt in Untersuchungshaft.“

      „Wie geht es eigentlich Pocher? Ist er tot?“, fragte Ambroix unbeeindruckt, ohne Roux anzuschauen.

      „Woher soll ich das wissen? Ich stelle doch keine Totenscheine aus. Savin meinte jedenfalls, Pocher wisse zu viel und müsse weg.“

      „Schade“, Ambroix zwinkerte der Blondine hinter der Bar zu und seufzte. „Schade“, wiederholte er sich, „dass Yves Martin mit den Mädchen auf der Jacht geblieben ist. Er könnte uns vielleicht sagen, auf welcher Großbaustelle derzeit betoniert wird.“

      „Bleibt also mal wieder nur das Krematorium. Da du mir diesen Kerl angeschleppt hast, schaffst du ihn mir auch wieder vom Hals!“

      Nun sah Ambroix Roux ins Gesicht und lächelte ihn spöttisch an.

      „Nur mit der Ruhe, mein Lieber! Im Smoking mache ich gar nichts. Nichts außer Spielen und Gewinnen.“

      7. Kapitel

      Die Nachtschwester war alles andere als begeistert. Sie hatte die Hände in die massigen Hüften gestemmt und funkelte Bizon mit ihren kleinen Knopfaugen wütend an. Mit ihrem kurzgeschnittenen, braunen Haar sah sie aus wie ein angriffslustiger Igel. Bizon ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, atmete tief durch und startete einen neuen Versuch.

      „Ihre Vorschriften sind in dieser Angelegenheit völlig wertlos, Madame. Ich muss mit Monsieur Pocher dringend reden. Und wenn ich dringend sage, meine ich sofort. Wenn Sie mich nicht jetzt gleich zu dem Patienten Louis Pocher führen, belange ich Sie wegen Behinderung der Polizeiarbeit.“

      Ein weiterer eisiger Blick traf Bizon mit aller Härte, doch dann schien sie begriffen zu haben, dass der Beamte am längeren Hebel saß. Mit sichtbarem Widerwillen packte die Schwester den Telefonhörer an der Wand hinter ihr, als habe selbst dieser ihr ein persönliches Leid zugefügt, und wählte eine kurze Nummer. Bizon trat ungeduldig von einem Bein auf das andere.

      „Oui, c’est moi“, knurrte sie in die Telefonmuschel, ohne Bizon auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. „Können Sie bitte an die Pforte kommen? Kommissar Bizon ist hier und möchte zu Monsieur Pocher. Oui, merci.“

      Sie legte auf, verschränkte sogleich die Arme vor der gewaltigen Brust und wartete, wobei sie den ungebetenen Besucher musterte wie einen Schwerverbrecher. Eine geschlagene Minute des Schweigens verging, in der Bizon nicht wusste, wo er hinschauen sollte. Endlich kam ein Mann in weißem Kittel um die Ecke gerauscht. Ein Blick genügte, um festzustellen, dass er in ausgesprochener Rage war.

      „Was fällt Ihnen ein?“, rief er laut, während er noch wild gestikulierend auf Bizon zustürmte. „Sie kreuzen mitten in der Nacht hier auf und führen sich auf wie ein Elefant im Porzellanladen. Unsere Patienten brauchen absolute Ruhe!“

      „Dr. Savin“, begann Bizon provozierend ruhig, „wenn Ihre Patienten absolute Ruhe brauchen, warum schreien Sie dann so? – Ich mache weder einen Wirbel, noch zertrümmere ich Porzellan, ich möchte lediglich Monsieur Pocher sprechen. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist dringend!“

      „Monsieur Pocher ist tot!“, giftete er unwirsch zurück. „Er ist seinen inneren Verletzungen erlegen. Sie haben also ganz umsonst so ein Theater gemacht!“

      „Ich möchte ihn trotzdem sehen“, erwiderte Bizon kaltschnäuzig und raubte Savin damit für einen Augenblick die Fassung.

      „Das… das geht nicht!“, stotterte Savin, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. „Der Leichnam ist bereits von einem Beerdigungsinstitut abgeholt worden.“

      „Wie heißt das Institut?“, Bizon spürte bereits, wie sein Puls zu steigen begann. Ihm schwante, was nun folgen würde.

      „Da fragen Sie mich zu viel! Um solchen Kleinkram kümmere ich mich nicht!“ Savin war kurz angebunden und betrachtete die Angelegenheit damit als erledigt. Er drehte sich um und wollte gehen. Da war er jedoch bei Bizon an den Richtigen geraten.

      „Dr. Savin, einen Augenblick noch. Ich möchte nur eines klarstellen, bevor Sie mich hier so unhöflich stehen lassen: Monsieur Pochers Leichnam wird innerhalb der nächsten zwei Stunden bei der Gerichtsmedizin abgeliefert, sonst komme ich mit einem Einsatzkommando wieder und mache aus Ihrer Klinik eine Achterbahn. Verstanden?“

      Bizon schob seine Visitenkarte ungerührt in die Kitteltasche der Nachtschwester, die zu überrascht war, um sich dagegen wehren zu können.

      „Adieu, Monsieur!“ Bizon zog einen imaginären Hut vor dem völlig verdutzten Klinikchef und nickte der Schwester kurz zu. „Madame.“

      Dann wandte er sich um und verließ, mit sich und der Welt höchst zufrieden, die Klinik mit federnden Schritten.

      8. Kapitel

      Ausgeschlafen und munter schlug Bramme die Augen auf. Ein warmer, heller Sonnenstrahl, der durch die weißen Vorhänge auf sein Bett fiel, hatte ihn geweckt. Seine Kopfschmerzen waren fast verschwunden, nur die Halsmanschette, dieses ungewohnte Monstrum, plagte ihn noch. Mit der linken Hand schlug er die Bettdecke zurück, streckte alle nicht bandagierten Glieder weit von sich und gähnte ausgiebig. Mit zerzausten Haaren wankte er ins Badezimmer hinüber.

      Eine halbe Stunde später saß er auf dem Balkon vor einem weitgehend leergeräumten Frühstücksbuffet und genoss die herrliche Aussicht auf das Mittelmeer. Er schüttete sich gerade etwas Kaffee nach, als es an der Tür klopfte.

      „Guten Morgen, Monsieur Bramme! Wie ist das werte Befinden?“, Bizon schien mindestens so erholt zu sein, wie er selbst.

      „Gut, danke der Nachfrage!“, Bramme lud ihn mit einer Handbewegung ins Zimmer und dann weiter auf den Balkon ein. „Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“

      Bizon nickte, die Augen auf das azurblaue Meer gerichtet. Er schien Sonne und Wind regelrecht zu inhalieren.

      „Gerne!“

      Nachdem Bizon eine Tasse Kaffee in Empfang genommen hatte, ließ sich Bramme wieder in seinen Stuhl fallen. Einige Augenblicke ließ er Bizon noch Zeit, Aussicht und Wetter zu genießen, dann konnte er seine Neugier nicht länger bändigen.

      „Und, gibt es Neuigkeiten?“

      „Und ob!“, in Bizons Gesicht erstrahlte eine Mischung aus Anspannung und Erregtheit, die wichtige Informationen in einem spannenden Fall zwangsläufig mit sich brachten.

      „Machen Sie es doch nicht so spannend!“

      „Nun, um es kurz zu machen: Sie müssen einen siebten Sinn haben, Monsieur.“ Bizon ließ betont langsam zwei gehäufte Kaffeelöffel Zucker in seine Tasse rieseln und spannte Bramme damit zusätzlich auf die Folter, „Diesen Pocher konnte ich gestern Abend gerade noch vor dem Krematorium retten.“

      „Pocher ist also tot?“

      „Ja. Er ist angeblich an seinen inneren Verletzungen gestorben.“ Bizon zuckte die Achseln, als wolle er damit sagen wir wissen ja zur Genüge, was das heißen kann. „Na ja, jetzt liegt er in der Gerichtsmedizin. Dort wird man die wahre Todesursache schnell herausfinden.“

      „Hm…“ Bramme griff ebenfalls nach seiner Kaffeetasse. Er spürte, wie das Jagdfieber in ihm hochkroch und sein Puls einen Gang zulegte. „Die Sache wird immer mysteriöser. Das gefällt mir ganz und gar nicht!“

      „Mir auch nicht!“, Bizon warf seinem deutschen Kollegen einen scheuen Blick zu. Es war einer jener Blicke, die man nur austauschte, wenn man einander nicht gut kannte und einzuschätzen wusste. Bramme kannte diesen Blick nur allzu gut und wusste, dass Bizon etwas auf der Zunge lag, was ihm nicht leicht von den Lippen kam.

      „Könnte es nicht sein, dass