Manfred Rehor

Czordan und der Millionenerbe


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zu ziehen, ist an sich nicht schlecht.“

      „Harvesting nennt man das“, erklärte ich. „Die Methode soll im Internetzeitalter das ersetzen, was früher Fachbibliotheken waren.“

      „Mag sein. Aber Gregoria hat den Umfang dieser Ernte unterschätzt, die ...“

      „Hören Sie auf!“, fuhr Schmidt dazwischen. „Ich habe eine Frage gestellt und fordere eine Antwort.“

      „Sie haben nichts zu fordern. Aber Sie sollen trotzdem Ihre Antwort bekommen: Ich erhoffe mir die Reaktion eines Menschen, der mir eine Spur im Fall Ahner liefert.“

      „Sie wollen mir weiß machen, dass Sie glauben, die Fahrerin des Wagens werde sich bei Ihnen melden? Oder der Mann, der sie bedroht hat? Hören Sie doch auf! Dazu kennen Sie dieses Geschäft viel zu gut. Sie haben einen Klienten, sonst würden Sie doch Ihren Hintern nicht bewegen. Ich habe ein Recht, zu erfahren, wer dieser Klient ist. Ich ermittle in einem Mordfall - und in Deutschland gelten andere Gesetze als in den USA.“

      „Das weiß ich.“

      „Dann verhalten Sie sich auch entsprechend!“

      Czordan zögerte und sagte dann langsam, als würde er widerwillig ein großes Geheimnis preisgeben: „Ich betrachte Herrn Ahner als unseren Klienten, auch wenn das vermutlich nicht seinem Wunsch entspricht.“

      „Sonst niemanden?“, fragte Schmidt.

      „Was ich sage, gilt.“

      Schmidt seufzte. „Dann will ich es Ihnen diesmal glauben.“

      „Ihr Misstrauen lässt mich vermuten, dass Sie inzwischen mehr wissen. Es geht um mehr als den Tod der alten Frau.“

      „Stimmt! Ein Geländewagen desselben Typs wurde einen Tag vorher schon einmal in der Nähe eines Tatorts gesehen. Was die Farbe des Fahrzeugs angeht, ist sich der Zeuge nicht sicher, aber er erinnert sich noch, dass er sie unpassend fand.“

      „Was für ein Tatort?“

      „Ein junger Mann wurde ermordet. Das sollten Sie eigentlich wissen, wenn Sie Ihren Beruf ernst nehmen.“

      Ich sprang für den Alten ein. „Michael B., 28 Jahre, wurde in Charlottenburg erschossen aufgefunden. Es gibt bisher keine Hinweise auf Täter oder Motiv“, zitierte ich eine Kurzmeldung, die mir zwei Tage vorher aufgefallen war. Ich prägte mir solche Informationen ein, seit Czordan auf dem Detektiv-Trip war.

      „Ich lese ebenfalls die Zeitung“, giftete Czordan mich an, bevor er sich an Schmidt wandte: „Gibt es Zeugen? Eine Tatwaffe? Eine Verbindung zwischen den Opfern?“

      „Sie fragen, als hätten Sie das Recht dazu.“ Schmidt legte seine Stirn in Falten. Er ähnelte einer Schulbuchabbildung von Cicero, die ich hassen gelernt habe, als ich auf dem Gymnasium Latein lernen sollte. Doch dafür konnte er nichts, also bemühte ich mich, ihm weiterhin ohne Vorurteile zuzuhören.

      „Als Beweis für meinen Willen zu guter Zusammenarbeit“, fuhr er fort, „gebe ich Ihnen vertraulich folgende Informationen: Die Waffe war vom selben Typ. Ob es wirklich dieselbe Waffe war, wird noch geprüft. Was den Mord an Frau Ahner betrifft, haben wir jemanden gefunden, der eine Frau in der Aufmachung einer billigen Nutte wenige Minuten vor dem Schuss am Tatort gesehen hat. Wir ermitteln jetzt in dieser Richtung.“

      „Wer ist der Mann, der getötet wurde?“

      „Michael Beierlein. Verwaltungsangestellter, unauffällig, mit einem Lebensstandard, der eigentlich über seinen Verhältnissen lag. Muss aber nichts heißen, wir prüfen noch, ob Kredite oder ein Erbe dahinter stecken.“

      „Oder eine illegale Einnahmequelle!“, sagte Czordan.

      „Kann sein. Aber meist ist in solchen Fällen irgendwo legales Geld vorhanden, das nur vor der Steuer oder vor einer geschiedenen Ehefrau gut versteckt wurde. Wie gesagt, wir prüfen das noch.“

      „Also zwei Tote und vermutlich derselbe Täter! Wo war Beierlein angestellt?“

      „Öffentlicher Dienst. Genaueres kann ich aus ermittlungstechnischen Gründen im Moment nicht freigeben.“

      „Aus ermittlungstechnischen Gründen“, echote Czordan. „Sie vermuten also, dass sein Beruf etwas mit dem Fall zu tun hat.“

      „Ich weiß, dass Sie, Czordan, nichts mit dem Fall zu tun haben. Sie haben außer diesem alten Mann keinen Klienten, also niemanden, der Sie bezahlt. Deshalb mein Rat: Halten Sie sich heraus!“

      „In der Gegend, in der Frau Ahner die Entführung beobachtet hat und wo sie später ermordet wurde, gibt es viele Prostituierte“, sagte Czordan. „Gehört die Zeugin, die Sie vorhin erwähnt haben, zu diesem Milieu?“

      „Kann sein.“

      „Ihre Leute verhören vermutlich jede der Damen, die dort diesem Gewerbe nachgehen.“

      „Ist nicht so einfach, es sind überwiegend Osteuropäerinnen. Wir haben für unsere Befragungen einen Spezialisten für diese Personengruppe und eine Dolmetscherin angefordert. Außerdem sind viele Osteuropäerinnen illegal hier, die werden die Zusammenarbeit mit uns nicht gerade suchen.“

      „Davon ist auszugehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.“ Czordan lächelte Schmidt versöhnlich an.

      „Sie machen also weiter?“, fragte Schmidt.

      „Wie Sie auch.“

      Schmidt stand auf und ging zur Tür. „Über so viel Geld und unnütze Zeit wie Sie möchte ich eines Tages auch einmal verfügen.“

      Ich kam nicht dazu, diese Bemerkung zu kommentieren, denn das Telefon klingelte. Auf dem Display sah ich, dass der Anrufer die Nummer aus der Zeitungsanzeige gewählt hatte. Da Schmidt gerade die Tür hinter sich schloss, schaltete ich den Lautsprecher ein, bevor ich mich meldete: „Siegfried Ehrlich, guten Tag!“

      „Haben Sie die Anzeige wegen des Wagens in die Zeitung gesetzt?“, fragte eine hohe Männerstimme.

      „Ja, das war ich. Mit wem spreche ich denn, bitte?“

      „Es tut mir Leid wegen des Schadens, ich werde selbstverständlich dafür geradestehen.“

      Das war seltsam. In der Anzeige stand, dass ich einen Schaden an dem Geländewagen verursacht hatte, nicht umgekehrt. Ich sah zu Czordan hinüber. Er nickte.

      „Wir können die Angelegenheit sicherlich schnell und problemlos aus der Welt räumen“, sagte ich. „Kommen Sie doch einfach hier vorbei.“

      „Wo ist das?“

      Ich nannte ihm die Anschrift. „Klingeln Sie bei der ‚Wissenschaftlichen Auskunftei Czordan‘“, fügte ich hinzu. Hoffentlich kniff er nicht, wenn er nachher auf dem Schild den Zusatz ‚Detektei‘ sah.

      Er versprach, sich sofort auf den Weg zu machen. Noch einmal fragte ich ihn nach seinem Namen.

      „Silvio Drombacher“, antwortete er. „Bis gleich.“ Er legte auf.

      „Finde heraus, was es über ihn zu wissen gibt“, forderte Czordan.

      Das Internet kannte einen reichen Erben diesen Namens, der aber nicht unbedingt unser Anrufer sein musste. Unsere eigene Datenbank enthielt gar nichts. Kaum hatte ich Czordan darüber informiert, klingelte es an der Bürotür. Draußen stand ein junger Mann.

      Er kam herein wie aus einer anderen Welt: Mitte zwanzig, groß, schlank, hellschimmernde braune Haare. Er trug ein elegantes, sportliches Jackett über Designerjeans und weißem Polohemd. Ein Hauch von Parfüm umwehte ihn, der unterstrich, dass seine persönliche Ausrichtung auf das eigene Geschlecht abzielte. Graugrüne Augen blickten unstet zwischen Czordan und mir hin und her.

      „Herr Drombacher? Ich bin Samuel Czordan“, beantwortete der Alte seine ungestellte Frage. „Mein Mitarbeiter Siegfried Ehrlich.“

      „Dieses Firmenschild!“ Er drehte sich leicht und zeigte hinter sich. „Detektei. Ist mit meinem Wagen etwas vorgefallen?“