Tom Hochberger

Art-City


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bäumte er sich auf wie ein Grizzlybär, der gerade dabei war sein Junges vor Feinden zu verteidigen. Langsam aber sicher gelang es ihm, wieder sicheren Halt unter den Füßen zu gewinnen. Für einen kurzen Moment tanzten Sternchen vor seinen Augen. Er besann sich kurz, mobilisierte seine Kräfte erneut und setzte seinen Marsch fort.

      Benommen taumelte Farell in die Höhle, nicht mehr fähig, seine Freunde richtig wahrzunehmen. Er steuerte Richtung Liege und machte eine gekonnte Drehung, wodurch Kotto etwas unsanft aber sicher auf der Pritsche landete. Farell kämpfte jetzt nicht mehr gegen die Erschöpfung an. Mit Erleichterung ließ er seinen Körper auf das am Boden liegende weiche Lammfell fallen. Dann warf er einen letzten Blick auf das wärmende Feuer und versank in einen Tiefschlaf.

      Um Kottos Körper hingegen begann jetzt ein äußerst reges Treiben. Er hatte viel Blut verloren und sie mussten ihn dringend behandeln. Bolko kam mit seiner medizinischen Ausrüstung und machte sich sofort daran die zwei Kugeln, die Kotto getroffen hatten, herauszuoperieren. Alle anderen standen jetzt um ihn herum und assistierten ihm. Das Lager glich einem OP-Saal und dementsprechend ging es auch zu. Nur einen schien das ganze Gewusel nicht zu stören, Farell. Er schlief tief und fest und träumte davon, auf dem wunderbar moosig-weichen Waldboden zu liegen, über den er kurz zuvor noch gehastet war und die warmen Sonnenstrahlen zu genießen, die durch die Bäume schimmerten.

       2

       Auftrag und Zuflucht

      Bruce wälzte sich hin und her, er war schweißgebadet.

      „Hey Bruce, was ist los mit dir?“

      Er wachte auf, blickte tief in Kims smaragdgrüne Augen und war heilfroh, nicht mehr zu träumen. Daraufhin fing er sich und küsste sie.

      „Bruce sagst du mir, was du hast?“

      „Es ist nichts, Schatz. Ich hab nur schlecht geträumt.“

      „Aha“, erwiderte sie.

      „Dann bleib liegen, bis ich das Frühstück gemacht habe.“

      Das morgendliche Sonnenlicht fiel gleisend hell durch das Schlafzimmerfenster und traf mit stechender Wärme das Gesicht des stämmigen Mannes, was ihn dazu bewegte, aufzustehen. Er duschte ausgiebig und genoss es, das heiße Wasser über seinen muskulösen Körper laufen zu lassen, während der Duft von frisch gerösteten Kaffeebohnen durch die Ritzen der Badezimmertür kroch. Nachdem er das morgendliche Ritual beendet hatte, zog er sich seine Uniform über und folgte dem Geruch bis an den Frühstückstisch.

      „Wie war´s gestern?“, wollte Kim wissen.

      „Ach, nichts Besonderes.“

      „Du bist spät heimgekommen.“

      „Ja, wir hatten noch eine außerplanmäßige Besprechung.“

      „Und um was ging es dabei?“

      „Du weißt, dass ich über bestimmte Dinge nicht reden darf.“

      „Ja, das weiß ich und das ist ein Problem für mich.“

      „Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung.“

      Nachdem sie gefrühstückt hatten, schnallte er sich das Halfter um die Hüfte, steckte seine Waffe hinein und gab Kim einen sanften Kuss.

      „Ich liebe dich, bis heute Abend.“

      Dann verschwand er durch die Haustür, während sie noch darüber nachdachte, wie sein Tagesablauf wohl aussehen würde.

      „Hallo Bruce, zum Job?“, tönte es wohltuend dumpf aus einer nicht sichtbaren Tonquelle, als er in sein druckluftmotorbetriebenes Fahrzeug stieg.

      „Genau“, antwortete er emotionslos, woraufhin sich das Vehikel von selbst in Bewegung setzte. Er dachte über sein gutes, aber mindestens genauso schwieriges Leben nach, während der Autorobot das Gefährt unspektakulär in das Parkhaus seiner Firma manövrierte. Das Fahrzeug war gerade in eine kleine Parklücke geschlüpft, als ein hochgewachsener Mann auftauchte.

      „Guten Morgen Mister Garner, ich bin Christopher Summer vom Dailys. Wie geht es Ihnen heute Morgen? Sehr gerne würde ich ein Exklusiv-Interview mit Ihnen durchführen. Hätten Sie demnächst Zeit für einen Termin?“

      Bruce fühlte sich überrumpelt und in die Ecke gedrängt und das ließ er Summer auch spüren.

      „Tut mir wirklich sehr leid für Sie, Mister, aber ich habe jetzt zu tun und für so etwas echt keine Zeit.“

      Genervt ließ er den aufdringlichen Fremden stehen und verschwand in den Aufzug. Während der Reporter unbeeindruckt in seinen Wagen stieg und davon fuhr, drückte Bruce auf den Knopf mit der 5. Auf dieser Etage durften sich die Safeguardians anhören, was ihre Vorgesetzten zu sagen hatten. Oben angekommen rückte er seine Uniform zurecht und trat durch die silberne Schiebetür, die sich mit einem angenehm leisen Surren öffnete. Vor ihm lag der schlauchartig angelegte Korridor, dessen Fußboden mit blauem Teppich belegt war. Die Strahler, die in regelmäßigen, kurzen Abständen von der Decke hingen, tauchten den Gang in ein sanftes, nicht zu helles Grün. Aus den Lautsprechern, die in den Wänden verborgen waren, ertönte eine beruhigende, sich stetig wiederholende Melodie. Die Decke des Gangs war zu einem Rundbogen geformt und die Wände waren mit einem Putz versehen, der Tausende von kleinen Vertiefungen aufwies. Bruce hatte das Gefühl zu schweben, wenn er diesen Gang entlanglief. Immer wieder aufs Neue genoss der Safeguardian dieses Erlebnis. Nach etwa 25 Metern befand sich die vermeintlich gleiche silberne Tür wie am Aufzug. Als Bruce sich dem Portal näherte, tat sich eine Öffnung in der Wand auf und eine kleine Kamera kam zum Vorschein. Er legte seinen linken Zeigefinger auf den Fingerabdruckscanner, der ebenfalls aus der Wand ragte. Gleichzeitig lugte er in die Linse der Kamera, welche die Iris seines Auges scannte. Nachdem Garner seinen Namen genannt hatte, öffnete sich die Tür und er verschwand dahinter.

      Summer fuhr indessen zum Bürogebäude des Dailys. Statt sich vom Autorobot chauffieren zu lassen, zog er es vor, selbst Gas zu geben. Nachdem er das Gefährt in der Tiefgarage abgestellt hatte, brachte ihn der Aufzug in das Erdgeschoss. Gelassen betrat er die große Empfangshalle, wo die warmen Sonnenstrahlen hell durch das Glasdach fielen. Zahlreiche kreuz und quer verlaufende Stahlträger zierten das Foyer. Zügig, aber nicht überhastet ging er in sein Büro, das sich im 9. Stock des Gebäudes befand, wobei er den Saal durchquerte, in dem all die anderen Reporter arbeiteten, die kein eigenes Büro hatten. Der eine oder andere schaute von seinem Schreibtisch auf und wünschte ihm einen guten Morgen. Als er sein großzügig angelegtes Arbeitszimmer betrat, erschien sofort das Konterfei seines Chefs auf der Projektionsfläche mitten im Raum.

      „Guten Morgen Mr. Summer“, schallte es durch das Arbeitszimmer des Reporters, „bitte kommen Sie in mein Büro, ich habe einen neuen Auftrag für Sie.“

      „Was, aber wieso? Ich bin doch an einer Story dran!“

      „Ja, das weiß ich, aber vergessen Sie das erst mal. Wir haben einen großen Auftrag bekommen, und da ich das nicht versauen will, brauche ich den besten Journalisten, den der Dailys zu bieten hat. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Also kommen Sie bitte jetzt gleich rauf in mein Büro, danke.“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, beendete Dangler das Gespräch. Die virtuelle Bildfläche zog sich blitzschnell wie ein angeklicktes Icon zusammen und verschwand im Nichts.

      „Kaffee, schwarz!“, sagte Summer in den Raum hinein, woraufhin sofort heißes Wasser durch die Maschine rauschte und das gewünschte Getränk produzierte. Summer war sauer, als er die Tasse aus dem Gerät holte, setzte sich an seinen Schreibtisch und versuchte sich zu beruhigen. Gerade jetzt, wo er langsam Spaß daran fand, über die Safeguardians zu recherchieren. Er war sich so sicher, dass er ein Exklusivinterview mit Garner bekommen würde. Aber er wusste, wenn der Chef einen Auftrag für ihn hatte, gab´s daran nichts zu rütteln. Dennoch schmeichelte selbst einem hartgesottenen Reporter wie Summer die Aussage seines Chefs, er sei der Beste. Schmunzelnd trank er die Tasse leer