Tom Hochberger

Art-City


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Noname ist unser Mann mit der Maske. Für Neueinsteiger, die wir als sehr sportlich einstufen, haben wir ein spezielles Begrüßungsritual kreiert. Sie dürfen gegen `Mr. Noname´ kämpfen, und falls es einer schafft, ihn zu besiegen darf er ihm die Maske abnehmen.“

      „Und wie vielen ist das bisher gelungen?“

      „Bis jetzt noch niemandem.“

      „Aha“, Summer schluckte.

      „Na, interessiert?“

      Summer überlegte kurz, während er der durchtrainierten Helen in ihre funkelnden, hellblauen Augen schaute. Sie lächelte, wodurch sie noch attraktiver wirkte, als sie es sowieso schon war. Schließlich sagte er ja. Helen erklärte ihm die Regeln und führte ihn dabei in einen etwas abgelegenen Raum, der mit einer ca. 3x3 Meter großen Matte ausgelegt war. Der Raum war hell und freundlich gestaltet. Links und rechts der Matte befanden sich jeweils 3 Stufen, auf denen Zuschauer Platz nehmen konnten.

      „Wir sagen den Kampf für elf Uhr an.“

      Es war bereits zwanzig vor elf und Summer wurde es leicht mulmig. Auf was hatte er sich da nur eingelassen? Er absolvierte ein kleines Aufwärmtraining, indem er auf der Stelle lief, seine Arme kreisen ließ und seinen Körper ordentlich durchdehnte. Ein paar Zuschauer nahmen währenddessen Platz. Kurz vor elf betrat `Mr. Noname´ den Raum. Alles, was man von ihm sehen konnte, waren seine Augen. Sein Kopf war von einer weißen Maske umhüllt, der Rest seines Körpers mit einem weißen Kampfanzug. Der Journalist wünschte sich auf einmal, dieses seltsame Begrüßungsritual nicht angenommen zu haben und blickte zu Helen hinüber. Diese lächelte freundlich, aber bestimmt. Sie zwinkerte ihm zu, so als ob sie sagen wollte:

      „Ich weiß, was du denkst. Aber jetzt ist es zu spät.“

      Obwohl Summer einen halben Kopf größer war, als sein Gegenüber spürte er förmlich, dass er keine Chance hatte. Trotzdem mobilisierte er all seine Kräfte und versuchte sie zu bündeln. Der Gong ertönte. Schon nach Sekunden hatte Noname Summer mit einem gekonnten Griff unter Kontrolle. Dieser wehrte sich nach allen Regeln der Kunst und konnte auch kurze Zeit dagegen halten. Für einen Moment lang sah es sogar so aus, als hätte er eine geringe Chance, den Kampf für sich zu entscheiden. Doch just in diesem Moment packten ihn die gestählten Arme seines Gegners und wirbelten seinen Körper in Bruchteilen von Sekunden umher. Im gleichen Moment noch machte Noname eine Vorwärtsbewegung mit dem rechten Fuß, und kurz bevor Summer den Boden wieder berührte, zog Noname den Fuß nach hinten. Summer fiel. Ganz so leicht machte der es seinem Gegner jedoch nicht. Noch im Fall packte Summer ihn am Kragen seines Kampfanzugs und riss ihn mit zu Boden. Während Summer gekonnt auf den Rücken fiel, ließ er seinen Gegner über ihm rotieren. Dieser rollte sich ebenfalls über den Rücken ab und kam wieder zum Stehen. Verwirrende Gedanken schossen Summer durch den Kopf. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass sein Gegner nicht gegen ihn, sondern irgendetwas anderes kämpfte. Ein Raunen ging durch die Zuschauer, als sie sich erneut gegenüberstanden. Scheinbar waren sie erstaunt, dass der Fight länger als zwei Minuten dauerte. Das war nicht nur irgendein bedeutungsloser Showkampf. Er spürte das, schließlich war er nicht umsonst Top-Journalist. Und so als ob das Schicksal seine Vermutung unterstreichen wollte, fiel Noname jetzt wie ein wild gewordener Stier über ihn her, packte ihn und wirbelte ihn gnadenlos durch die Luft. Summer schaffte es, wie durch ein Wunder, noch einmal zum Stehen zu kommen. Er startete einen weiteren Gegenangriff, scheiterte aber kläglich. Noname warf ihn endgültig zu Boden. Summer lag mit dem Rücken auf der Matte, Nonames Knie drückte mit Macht auf seine Brust. Der Reporter hob die rechte Hand, was bedeutete, dass er aufgab. Der Kampf dauerte ca. 4 Minuten und scheinbar hatte Summer damit einen Rekord gebrochen. Noname verließ fluchtartig den Raum, als er merkte, dass die Leute nicht ihm Beifall klatschten, sondern Summer. Dieser fühlte sich geschmeichelt, obwohl er verloren hatte. Seltsam dachte er und wandte sich wieder Helen zu.

      „Na, schöne Frau, wie war ich?“, fragte er sie. Für ihn war es an der Zeit seinen unwiderstehlichen Charme spielen zu lassen, denn schließlich war er ja nicht nur zum Vergnügen hier. Er musste auch noch etwas für seine Studie tun.

      „Gut, aber nicht gut genug“, entgegnete sie ihm kühl. Er hatte den Eindruck, dass sie eine plötzliche Sinneswandlung vollzogen hatte, und fragte sich, ob die Sache mit dem Kampf mehr zu bedeuten hatte, als es nach außen hin den Anschein machte.

      „Okay Helen, was hast du denn noch so auf Lager?“

      „Ich zeige dir jetzt den Rest, und dann kannst du dich alleine vergnügen, wenn du willst.“

      „Und wenn ich auf deine nette Gesellschaft nicht verzichten will?“

      „Dann kann ich natürlich auch an deiner Seite bleiben“, antwortete ihm Helen, während sie ihren Kopf nach hinten warf und dabei ihre schwarze Haarpracht leicht sein Gesicht berührte. Sie roch unwiderstehlich. Summer glaubte zwar nicht, dass er ihr vertrauen konnte, dennoch fasste er in diesem Moment den Entschluss, näher an sie heranzukommen.

      „Das wäre wirklich sehr nett. Sag mal, diesen `Mr. Noname´, kennst du den auch ohne Maske?“

      Helen antwortete nicht spontan, sie machte den Eindruck, als müsste sie sich die Antwort erst ausdenken.

      „Nein, niemand des Personals kennt ihn ohne Maske, außer unserem Chef natürlich.“

      „Und wie heißt euer Chef?“

      „Ron Steele, aber der ist so gut wie nie im Haus.“

      Sie waren mittlerweile im Kraftraum angekommen. Summer stählte an verschiedenen Geräten seine Muskeln, während Helen sich mit einem anderen Angestellten unterhielt. Der Blick des Journalisten klebte förmlich auf Helen. Sie hatte etwas an sich, das ihn magisch anzog. Nachdem er sein Training absolviert hatte, wandte er sich wieder an sie.

      „Na schöne Frau, was schlägst du vor? Was könnten wir jetzt noch tun?“

      Helen blickte ihm tief in die Augen, lächelte verschmitzt und sagte:

      „Wir könnten noch eine Runde schwimmen gehen und aufpassen, dass wir dabei nicht untergehen.“

      „Warum sollten wir denn untergehen?“

      Summer lächelte ebenso und ließ dabei seine tiefblauen Augen blitzen.

      „Das Wasser in Art-City kann sehr stürmisch sein.“

      Er tat so, als machte er sich nichts aus Helens etwas eigenartigen Bemerkungen.

      „Okay, dann lass uns sehen, wer stärker ist, der Sturm oder wir.“

      Die beiden sprangen in das kühle Nass im Erdgeschoss und schwammen ein paar Runden um die Wette. Summer war zwar bis zum Schluss eine Nasenlänge voraus, aber er musste alles geben. Helen jedoch schien vollkommen unbeeindruckt zu sein von seiner Leistung. Als er sich umsah, bemerkte er auf einmal, dass sie die einzigen Menschen in dem großen Becken waren. In diesem Moment bauten sich meterhohe Wellen auf und ein künstlicher Sturm peitschte durch die Halle. Summer war wahrlich kein Mann von Furcht, aber jetzt packten ihn die Wellen und wirbelten ihn durch die Gegend wie ein Stück Treibholz. Er fragte sich, ob das ein Attentat auf ihn sein sollte. Angst verspürte er nicht, aber ein leicht beklemmendes Gefühl überkam ihn. Doch just in diesem Moment schlängelte sich ein Arm unter seinen und umklammerte seine Brust. Ohne dass er sich richtig bewusst war, was passierte wurde er ans Ufer gezogen. Es war Helen, sie fischte ihn raus und legte ihn auf den Boden. Wenig später legten die Wellen sich wieder. Er war sichtlich durcheinander und wütend.

      „Was war das denn? Gehört das auch zu eurem Begrüßungsprogramm?“ Helen lächelte ihn an.

      „Nein, das war ein Einfall von mir persönlich, wollte mal sehen, was du so drauf hast.“

      „Sehr witzig!“, sagte Summer.

      „Das finde ich auch!“, entgegnete sie ihm und konnte sich ein leicht schadenfrohes Lachen nicht verkneifen.

      „Ich würde mal sagen, das kostet dich etwas!“, meinte