Tom Hochberger

Art-City


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ihm versichert hatte, dass er auch in Eigenregie arbeiten konnte, hatte er sich erst vor kurzer Zeit dazu entschlossen, etwas über diese Elitetruppe zu schreiben. Ein nicht lange währendes Vergnügen. Ausgerechnet jetzt, da er so nah an Garner dran war, bekam er diesen anderen Auftrag. Er beschloss, an diesem Tag nicht mehr zu arbeiten. Immer noch wütend packte er seine Sachen und fuhr nach Hause in sein hypermodernes Penthouse hoch über der Stadt. Arm war in Art-City zwar so gut wie niemand, aber er gehörte - ebenso wie Altinghaus und Garner - mit zu den Topverdienern.

      „Beleuchtung, leicht gedämpft“, sagte er, als er seine Wohnung betrat, woraufhin der gesamte Raum von einem angenehmen und ockergelben Licht durchflutet wurde. Der Hunger trieb ihn in die Küche, er wollte sehen, was seine Haushälterin ihm gekocht hatte. Ein wunderschönes rosa Lachsfilet mit Knoblauchsoße auf einem Nest aus Tagliatelle waren auf einem großen weißen Teller angerichtet. Diesen schob Summer in den Multiofen, der das Essen in wenigen Sekunden erhitzte, während ihm bereits das Wasser im Mund zusammenlief, denn seine Angestellte kochte vorzüglich. Er schenkte sich ein Glas Chardonnay ein, nahm den Teller und verschwand in sein Wohnzimmer. Das Bild eines riesigen, bunten Lichtermeers bot sich durch die großen Fensterscheiben des Penthouses. Drei Fronten des Raums waren aus Glas, in einer Ecke befanden sich eine weiße Ledergarnitur und ein Beistelltisch aus silbergrauem Stahl. Summer setzte sich und verspeiste genüsslich den leckeren Fisch samt Nudeln, während er die Aussicht genoss. Unzählige Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er hatte alles, wovon er je geträumt hatte und trotzdem bekam er dieses seltsame Gefühl nicht los, dass ihm irgendetwas fehlte. Klar, er war bereits 39 und hatte sich immer noch nicht dazu durchringen können, zu heiraten. Gelegenheiten dazu hätte er genügend gehabt. Die Frauen flogen auf ihn, aber er liebte das Leben, das er lebte, zu sehr. Die weiblichen Wesen wollten nicht ständig auf gepackten Koffern sitzen und einmal hier und einmal da leben. Aber er wusste im tiefsten Inneren, dass es noch etwas anderes gab, das ihm fehlte, aber er konnte es nicht definieren, so sehr er es auch versuchte. Nachdem er gegessen und eine Weile sinniert hatte, stand er auf und besuchte sein Holodeck.

      „Superinternet Art-City, Vergnügungs- und Freizeitbereich!“, sagte er in den Raum, woraufhin mit sanftem, kaum vernehmbarem Rauschen sein Cybercarpet hochfuhr.

      „Willkommen im virtuellen Art-City. Sie haben den Vergnügungs- und Freizeitbereich gewählt. Wünschen Sie eine spezielle Einrichtung oder soll Ihnen Supercyberspace eine Führung geben?“

      „Die Moon-Hall bitte“, entgegnete Summer.

      In Sekundenschnelle befand er sich im virtuellen 3D-Bereich der Moon-Hall. Er hatte mal etwas davon gehört, war aber noch nie dort gewesen. Der Stand der Technik machte es möglich, sich die Halle in Originalgröße und -dimension anzusehen. Summer stand auf einer Art Laufband, mit jedem Schritt, den er ging, bewegte sich das virtuelle Gebilde um ihn herum in entgegengesetzter Richtung. So konnte man überall hingelangen und sich umsehen. Die Funktion der Moon-Hall, nämlich die Erdanziehungskraft auf ein Sechstel zu reduzieren, konnte über Superinternet allerdings nicht übertragen werden. Welchen Grund auch hätte dann der Besucher noch gehabt, die Einrichtung vor Ort zu besuchen? Mit purer Lust bewegte sich Summer durch den 3D-Speicher des Vergnügungsprojekts. In der Halle war es dunkel, Sterne waren am Himmel zu sehen und der Boden war dem des Erdtrabanten nachgeahmt. Überall standen Mondfahrzeuge herum.

      „Information!“, sagte Summer laut.

      „Herzlich willkommen in der Moon-Hall“, ertönte eine weiche, angenehme Frauenstimme.

      „Unsere Einrichtung ist täglich geöffnet von 6 bis 24 Uhr. Der Eintrittspreis für einen ganzen Tag beträgt 14 Dellron. Kinder bis 14 Jahre bezahlen nur die Hälfte. Eine Stundenkarte kostet 2 Dellron. Sie erreichen uns vom Zentrum aus mit der Ostlinie des City-Traffic-Systems. Steigen Sie aus bei Exit-Number 36. Von dort nehmen Sie den Hoverwalk Moon-Street, der direkt zu uns führt. Wünschen Sie noch mehr Informationen?“

      „Nein“, sagte Summer, „Fitnessbereich von Art-City bitte.“

      „Vielen Dank für Ihren Besuch, wir würden uns freuen, Sie bald in unserer Erholungseinrichtung begrüßen zu dürfen, wir leiten Sie jetzt weiter zum Fitnessbereich von Art-City. Was speziell wünschen Sie?“

      „Größtes Fitnessstudio der Stadt.“

      Wiederum in Sekundenschnelle befand sich der Journalist im virtuellen Raum des „Bodycheck“.

      „Hi, du suchst den ultimativen Kick für deinen Körper? Den Powertrip schlechthin? Die Wahnsinnssuperkompensation? Dann bist du bei uns genau richtig. Wir sind Fitness pur!“

      Die testosterongeladene Männerstimme wurde unterbrochen von einer aufpeitschenden, neuzeitlichen Powermusik.

      „Ein bisschen überzogen“, dachte sich Summer, aber immerhin wurde man von dieser Art der Eigenwerbung wach gerüttelt. Das Bodycheck war kein gewöhnliches Fitnessstudio, so wie man es von früher kannte. Summer befand sich gerade im Erdgeschoss, dort war der Hydrobereich untergebracht. Nichts anderes als ein Sportschwimmbecken, auf den ersten Blick zumindest. Es war riesig und verschiedenste Naturszenarien konnten dort nachgeahmt werden. Angefangen von einem ruhigen, spiegelglatten Gebirgssee bis hin zum sturmgepeitschten Meer. Summer ging in den 2. Stock auf die Spielebene. Dort konnte man sich bei sämtlichen Ballsportarten austoben. Im 3. Stock war der Ausdauerbereich untergebracht. Lauf- und Radbahnen verschiedenster Art. Im 4. Stock der Kampfsport. Sämtliche Budosportarten beispielsweise waren dort zu erlernen. Im 5. Stock dann die klassische Fitnessstudioausstattung. Modernste Geräte zum Aufbau von purer Muskelmasse. Im 6. Stock der Wellnessbereich mit riesengroßer Saunalandschaft.

      „Information!“, sagte Summer.

      „Du möchtest zu uns kommen? Diese Entscheidung wirst du nicht bereuen. Ein Jahresabo von nur 480 Dellron kannst du hier und jetzt sofort buchen. Möchtest du buchen?“

      „Nein, aber ich hätte gerne für morgen ein Tagesticket.“

      „Okay, das wären 12 Dellron.“

      „Okay, ich überweise direkt. Centralbank Art-City, Giro Christopher Summer bitte.“

      „Sie wünschen, Mr. Summer?“

      „Direktanweisung, 12 Dellron an Bodycheck bitte.“

      „Sprachmodulation Christopher Summer positiv, Anweisung soeben erfolgt, vielen Dank für Ihren Auftrag.“

      „Auch von uns vielen Dank, Christopher. Wünschst du für morgen einen Health-Leader? Ein spezieller Service für unsere Kunden ohne Extrakosten. Ein Health-Leader ist ein persönlicher Fitnesstrainer, der dich auf deine Gesundheit überprüft und ein Programm nach deinen Bedürfnissen erstellt. Wenn du diesen Service in Anspruch nehmen möchtest, einfach mit Ja antworten.“

      „Ja.“

      „Gut, benötigst du noch etwas?“

      „Nein.“

      „Okay, der Bodycheck wünscht eine erholsame Nacht und viel Spaß morgen!“

      „Superinternet aus!“, befahl Summer in den Raum hinein, woraufhin das Cybercarpet herunterfuhr und das Holodeck sich abschaltete. Summer war müde und hatte genug für heute. Der große, gut aussehende Hobbysportler freute sich schon auf den folgenden Tag. Wenn es ihm möglich war, verband er seinen Beruf mit persönlichen Interessen oder Dingen, die ihm Spaß machten. Seine bevorstehende Aufgabe war ideal dafür. Er hatte seinen Ärger bereits verarbeitet und war dabei, sich innerlich auf den Auftrag vorzubereiten. Mit seinem geistigen Auge war er immer schon ein paar Schritte weiter als in der Realität. Sein Gefühl sagte ihm, dass der kommende Tag ein wichtiger werden würde. Er betrat das Badezimmer, in dessen Mitte sich eine kreisrunde Wanne mit einem Durchmesser von ungefähr zweieinhalb Metern befand. Man konnte dieses Ding als Badewanne und Whirlpool benutzen, aber auch als Dusche. Die Toilette verbarg sich in einem abgetrennten Bereich hinter einer Extratür. Hinter der Multiwanne war außerdem noch eine kleine Sauna untergebracht. Der ganze Raum war gefliest, Boden, Decke und Wände. In Weiß untermalt von ein paar dezenten blauen Fließen. Beim