Tom Hochberger

Art-City


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es nicht zulassen, dass dieses Werk durch einen Kollaborateur zerstört wird. Geehrte Vereinigte, ab heute gilt: Wer diesen gemeinen Verräter überführt, der wird aufgenommen in den Kreis der Absoluten. Dies sollte Ansporn genug sein. Ansonsten arbeiten Sie bitte auch heute wieder laut Plan. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen.“

      Die Halbkugel schloss sich und schwebte durch ein Loch in der Decke aus dem Raum. Ein lautes und aufgeregtes Gemurmel brach unter den Safeguardians aus. Einige hatten von diesem Gerücht schon etwas gehört, für andere war es völlig neu. Wer konnte jetzt noch dem anderen vertrauen? Bruce Garner schaute in den Dienstplan, er war an diesem Tag für den Westbereich eingeteilt. Sein Partner war Alan Carelite. Die beiden arbeiteten oft zusammen und waren ein eingespieltes Team. Sie verstanden sich beinahe blind. Sie verließen das Gebäude und durchstreiften ihr zugeteiltes Gebiet.

      „Hey Bruce, warst du nicht neulich in diesen mysteriösen Vorfall an der Westwall verwickelt?“, fragte Carelite.

      Garners Magen zog sich augenblicklich zusammen, er ließ sich aber nichts anmerken.

      „Wieso mysteriös?“, stellte er die Gegenfrage mit kräftiger Stimme.

      „Na ja, weil irgendwie niemand etwas Näheres darüber weiß.“

      „Warum auch, so aufregend war das nicht. Ich musste ein paar Verstoßene in die Flucht schlagen und auf sie feuern. Das war alles.“

      Carelite fragte nicht weiter. Er wusste nur zu gut, wer und wie Garner war. Nur ein Narr würde sich mit ihm in irgendeiner Form messen wollen. Überwiegend schweigend vollendeten sie ihr Tagwerk.

      Als Bruce Garner die Haustür aufsperrte, schlug ihm ein unwiderstehlicher Duft entgegen, der ihn förmlich in die Küche sog. Kim schlang seine Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Während der bullige Bruce sein Essen verschlang, sagte Kim:

      „Du, ich muss dir etwas sagen. Ich habe mich entschlossen, wieder zu arbeiten“, sagte sie.

      „Soso, und was, wenn ich fragen darf?“

      „Im Dailys suchen sie jemand für Datentransfers und -bearbeitung. Das wäre doch genau das Richtige für mich, meinst du nicht?“

      Bruce verschluckte sich, als er das hörte, und musste husten. Ausgerechnet im Dailys dachte er sich.

      „Warum willst du denn arbeiten gehen?“

      „Warum denn nicht? Soll ich zu Hause rum sitzen und versauern?“

      Bruce Garner verstand sie ganz genau, aber er stellte sich dumm.

      „Ich brauche eine Beschäftigung und ehrlich gesagt, es ist mir eigentlich vollkommen egal, was du davon hältst.“

      Der Safeguardian sprach kein Wort mehr, die Angst kroch aber wieder unaufhaltsam in seine Knochen. Kim schaute ihn an und fragte sich, was nur mit ihm los sei. Aber sie hatte das Gefühl, vollkommen machtlos zu sein. Obwohl sie ihn liebte, kam sie nicht mehr an ihn heran.

      „Das Essen war lecker. Ich schaue noch auf einen Absacker bei Aaron vorbei.“

      „Ja, ist gut.“

       7

       Alte Freunde

      Garner lümmelte quer über zwei Sitze des Schwebebahnenabteils, als eine kleine, untersetzte Frau, etwa Mitte 60 den Zug betrat. Seinen Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen, seine Hände zu Fäusten geballt und diese in den Taschen seines Mantels vergraben. Er wollte nichts sehen und nichts hören. Während die Frau sich in den Sitz fallen ließ, murmelte sie vor sich hin.

      „Irgendwann wird er zurückkommen, irgendwann wird er zurückkommen.“ Garner schaute unter seinem Hut vor, bewegte sich dabei aber so gut wie gar nicht. Er wollte nur mal sehen, wer diese wunderliche Frau war, aber ein Gespräch um alles in der Welt vermeiden. Ihr Kopf war bedeckt mit schwarzem, etwas zerzaustem und teilweise ergrautem Haar. Ihr Gesicht war von tiefen Furchen gezeichnet. An den Gesichtszügen konnte man sehen, dass sie einmal sehr hübsch gewesen sein muss. Aber jetzt war sie es nicht mehr. Garner überlegte, was dieser Frau wohl so zugesetzt hatte, dass sie so aussah. Er malte sich aus, wie lange es wohl bei ihm dauern würde, bis er sein attraktives Äußeres verloren hätte.

      „Hey Sie“, krächzte die Frau, „lümmeln Sie zu Hause auch so rum?“

      Garner fand, dass das diese Frau nicht im Geringsten irgendetwas anginge, und gab keinen Ton von sich.

      „Na ja, wir werden alle an der Nase rumgeführt, aber das werden Sie schon noch merken. Spätestens, wenn er wieder kommt und glauben Sie mir, er kommt wieder.“

      Jetzt interessierte es Garner aber doch, von wem die Alte da redete. Mit seinem Zeigefinger schob er seinen Hut etwas nach oben und schaute die Frau an.

      „Wer kommt wieder?“, fragte Garner.

      Mit einem leicht triumphalen Blitzen in den Augen sagte sie:

      „Mein Fred. Und dann wird bewiesen werden, dass ich nicht verrückt bin.“ Garner verzog keine Miene und antwortete auch nicht, während die Bahn Exitnumber 17 erreichte. Wortlos verschwand er nach draußen. Auf dem Weg ins `Red Dot´ versuchte er die Begegnung von soeben zu vergessen. „Hm, nur eine verdrehte Alte“, dachte er sich.

      Es war Freitagabend und im Lokal war enorm viel los. Als Garner die Tür öffnete, schlugen ihm lautstarkes Stimmengewirr und durchdringende Musik entgegen. Es brauchte schon einigen Körpereinsatz, um sich durch die Menge zu schieben. An der Bar angekommen, bestellte er sich bei Linda einen Guardianspear.

      „Soll ich Aaron holen?“

      „Ja Linda, das wäre sehr nett von dir.“

      Während Garner auf Aaron wartete, beobachtete er das bunte Treiben und die Lichter blitzten ihm ins Gesicht.

      „Hallo Bruce. Welch Glanz in meiner bescheidenen Hütte. Komm mit, wir gehen an ein ruhigeres Plätzchen.“

      Aaron Altinghaus ging seinem Freund voran bis auf die zehnte Ebene. Dort herrschte eine angenehmere Lautstärke vor und der Raum, den sie betraten, verströmte eine beruhigende Atmosphäre. Eine große Glasfront schirmte die loungeartig angelegte Sitzlandschaft vom Rest des Lokals ab. Sie ließen sich in den großzügigen Polstermöbeln nieder und betrachteten nun das Geschehen aus sicherem Abstand von oben.

      „Hey Bruce, stell dir vor wer neulich mit so nem coolen Typen bei mir gegessen hat.“

      „Na, wer denn?“

      „Die rassige Schwarze, die schon öfter hier war.“

      „Wen meinst du?“

      „Jetzt komm schon, tu nicht so. Du weißt genau, wen ich meine. Die, die immer an der Bar rum steht und allen männlichen Wesen allein durch ihre Anwesenheit den Kopf verdreht.“

      „Aha, und wie sah ihr Begleiter aus?“, fragte Garner.

      „Groß, schlank, sportlich, halblange, dunkelblonde Haare und cool gekleidet.“

      Garner nippte an seinem Drink und verschluckte sich fast, als er das hörte, denn es musste sich der Beschreibung nach um Summer handeln.

      „Warum erzählst du mir das eigentlich?“, fragte er.

      „Na, du kennst ja die Kleine und da dachte ich, es würde dich vielleicht interessieren. Dir gefällt sie doch auch.“

      „Mann Aaron, wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich mit Kim verheiratet bin und ich sie sehr liebe.“

      „Ach so, klar. Wie konnte ich das nur vergessen.“

      Die kreuz und quer verlaufenden Mini-Hoverwalks und die Mischung aus Stahlgestängen und roter Polsterung schufen ein bizarres Bild.

      „Bruce, kannst du mir mal erklären, was mit dir los ist?“

      Der