Tom Hochberger

Art-City


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wärst du bereit, deine Umwelt zu belügen, um sie zu retten?“

      „Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.“

      „Na so, wie ich es gesagt habe. Ich will es mal so beschreiben. Nehmen wir an, deinem Schuppen hier wäre noch ein Bordell angeschlossen und niemand außer dir, den Kunden und den Nutten wüssten davon. Aber ein Bordell zu betreiben ist in Art-City verboten, trotzdem brauchst du es, weil sich der Laden sonst nicht trägt. Würde es rauskommen, müssten alle deine Beschäftigten in den Knast wandern, auch die, die nichts davon wussten. Auf einmal riecht einer deiner normalen Angestellten Lunte und fängt an dich zu löchern. Dieser weiß aber nicht, dass er in den Knast wandert, wenn alles auffliegt. Du schätzt diesen Angestellten sehr und willst nicht, dass ihm was passiert, also was tust du? Weihst du ihn ein, selbst auf die Gefahr hin, dass er dich und dummerweise sich selbst verraten würde, oder würdest du ihn einfach belügen?“

      Aaron legte sein Gesicht leicht zur Seite und schaute seinen Freund mit zusammengekniffenen Augen fragend an.

      „Bruce, ich weiß nicht, was du zur Zeit für Spielchen treibst und ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich das überhaupt noch wissen will. Aber etwas kann ich dir sagen, du weißt ganz genau, dass niemand in Art-City dazu gezwungen wäre, illegale Geschäfte zu betreiben, um seinen Laden am Leben zu erhalten. Schon rein von daher kann ich dir nicht ganz folgen, was du eigentlich willst.“

      „Das Ganze ist ja auch nur eine fiktive Geschichte, die ich mir soeben ausgedacht habe. Es geht nur um den Kern der Story. Also, was würdest du machen mit deinem Angestellten?“

      „Auch da kann ich dir nicht folgen, warum sollte der nicht wissen, dass er auch mit dran wäre?“

      Mit einer Miene der leichten Verzweiflung schnaufte Bruce laut durch. „Mann Aaron, jetzt stell dich halt nicht so an. Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff. Im Grunde genommen geht es darum, ob man jemanden belügen soll, um ihn zu retten. Selbst auf die Gefahr hin, dass man denjenigen dann verliert.“

      Aaron nahm einen Schluck von seinem Drink, um etwas Zeit zu gewinnen und den Rüffel seines Freundes zu verarbeiten.

      „Ich will dich mal was fragen Bruce, gibt es eigentlich noch irgendeinen Menschen auf der Welt, dem du vertraust?“

      Der Safeguardian brauste innerlich auf, ließ sich aber nach außen hin nichts anmerken. Ignoranter Idiot dachte er sich. Was weiß der denn schon? Gar nichts weiß er. Er kapiert ja noch nicht einmal, worum es geht. Es geht um alles, um wirklich alles. Und er stellt so eine bescheuerte Gefühlsfrage. Garner war drauf und dran, einfach aufzustehen und zu gehen. Als ob Altinghaus Gedanken lesen könnte, sagte er:

      „Steh jetzt nicht auf und geh, sondern sag mir endlich, was los ist.“

      Jetzt war Bruce der Verzweiflung wirklich sehr nahe.

      „Merkst du nicht, dass ich es dir nicht sagen kann? Außerdem hast du vorhin selbst gesagt, du wüsstest nicht, ob du es noch wissen willst. Also, jetzt spiel doch mir zuliebe einfach mal mit. Was würdest du tun?“

      Aaron zwirbelte mit Daumen und Zeigefinger an seinem Schnurrbart herum und überlegte.

      „Ich wills mal so sagen, jemanden zu belügen, dem man eigentlich vertrauen sollte, bedeutet normalerweise nichts anderes, als ihn zu missbrauchen. Aber wenn es notwendig ist, ihn durch die Lüge zu retten, würde ich es wahrscheinlich auch tun. Das Verzwickte an der ganzen Geschichte ist nur, dass ich selbst nicht damit klarkommen würde, illegale Geschäfte zu betreiben.“

      Mit einem durchdringenden Blick schaute Aaron seinem Freund in die Augen und hoffte, dass dieser die Anspielung verstand und gleichzeitig nicht durchdrehte. Ihm war vollkommen klar, dass er sich mit dem Schlusssatz seiner Bemerkung auf äußerst gefährliches Terrain begab. Er kannte Bruce von Kindesbeinen an und wusste, dass dieser in einem ungünstigen Moment schon mal die Kontrolle über sich selbst verlieren konnte. Garner hatte zwar durch seinen Beruf gelernt, sich im Griff zu behalten, allerdings war er in der Zwischenzeit auch zur reinsten Kampfmaschine mutiert. Zwar würde der Safeguardian seinen Job verlieren, falls er sich nicht im Zaum halten konnte, aber darauf mochte sich sein Kumpel nicht verlassen. Bruce Garner verstand die Anspielung, blieb aber ruhig. Den durchdringenden Blick seines Freundes erwiderte er, sagte aber trotzdem kein Wort.

      „Okay Bruce, du kannst es mir nicht sagen, ob du unsaubere Geschäfte betreibst, aber das eine sollst du wissen. Bevor du irgendetwas Dummes anstellst, komm lieber zu mir und rede mit mir. Du kannst mir vertrauen.“ Aaron war klar, dass sein Freund nicht mehr herausrücken würde, und beließ es dabei. Bruce dachte über die verzwickte Situation in seinem Job nach und wie er es anstellen konnte, sich mit den Gegebenheiten so zu arrangieren, dass er noch einigermaßen vernünftig leben konnte. Die beiden lehnten sich zurück, ließen sich noch einen Drink bringen und verbrachten mehr oder weniger wortlos den Rest des Abends.

       8

       Der Meflugator

      Die Sonne stand senkrecht über der Stadt und ihre Strahlen durchdrangen die klirrende Kälte mit intensiver Helligkeit. Christopher Summer schlenderte kreuz und quer durch das Zentrum der Metropole. Vorbei an unzähligen Geschäften und kuriosen Gestalten, die alle ihre Ware an den Mann bringen wollten. Er betrat einen Laden für Miniflugtechnik. Im Inneren entpuppte sich das Geschäft als eine riesengroße Halle, in der man die Produkte vor Ort testen konnte. Summer blieb an einem Meflugator hängen. Er schnallte sich das Ding auf den Rücken und ergriff den Joystick, der sich jetzt auf der Höhe seiner rechten Hand befand. Kurz bevor er auf den Starterknopf drücken wollte, kam ein Verkäufer herbeigestürzt.

      „Hey Mister, meinen Sie nicht, Sie sollten sich das Ding mal erklären lassen, bevor Sie damit die Gegend unsicher machen?“

      Summer wartete mit seiner Antwort, bis der Verkäufer bei ihm angelangt war, und grinste vergnügt.

      „Wollte nur mal sehen, wie lange es dauert, bis jemand kommt und mich bedient.“

      „Ha ha, sehr witzig. Muss ich schon sagen“, grunzte der freakige Schwarze mit der Zottelfrisur.

      „Ja, genau, also dann erklären Sie mal“, sagte Summer.

      „Okay Chef, richtig umgeschnallt haben Sie sich das Ding ja schon. In Ihrer rechten Hand befinden sich Starter und Steuerung des Meflugators, auch genannt Joystick. Wenn Sie den roten Knopf drücken, starten Sie den Druckkompensator des Meflugators. Ein Mechanismus im Gerät bewirkt, dass immer so viel Pressluft im Kompensator bleibt, wie Sie zum Starten brauchen. Während des Fluges arbeitet das Gerät gleichmäßig in zwei Takten. Ansaugtakt und Kompressionstakt. In Höhe des Zeigefingers befindet sich der Geschwindigkeitsregulator. Je stärker Sie drauf drücken, desto höher wird die Frequenz der Takte und somit auch das Tempo. Ziehen Sie den Joystick nach hinten, steigen Sie. Drücken Sie ihn nach vorne, sinken Sie. Bewegen Sie ihn nach links, fliegen Sie nach links. Bewegen Sie ihn nach rechts, fliegen Sie nach rechts. Möchten Sie das Gerät jetzt ausprobieren?“

      Ohne zu überlegen, bejahte der Journalist die Frage.

      „Gut. Zentrale, ich möchte einen Probeflug anmelden. Befindet sich momentan sonst noch jemand in der Luft?“

      „Nein Micky, das geht in Ordnung. Probeflug freigegeben, Flugzeit zehn Minuten“, tönte es aus dem kleinen schwarzen Knopf, den Micky am Hals trug.

      „Also Mister, Sie haben es gehört. Der Luftraum gehört Ihnen für zehn Minuten. Dann müssen Sie wieder hier sein. Aber seien Sie vorsichtig, das Ding hat einen giftigen Abzug.“

      Summer rückte den Meflugator zurecht, schnallte sich den Gurt um den Bauch und startete. Er spürte, wie sein Magen in der Ausgangsposition verharren wollte, als er den Regulator drückte und ruckartig abhob. Mit einer für einen Anfänger viel zu hohen Geschwindigkeit jettete er durch die Luft. Berauscht vom Adrenalin, das durch seinen Körper schoss, nahm er die Geschwindigkeit nicht zurück, sondern erhöhte sie sogar noch. Er flog hin und her, kreuz