Tom Hochberger

Art-City


Скачать книгу

und Menschen unter ihm. Völlig schwerelos dachte er plötzlich an Helen und ihr unwiderstehliches Lächeln. Ihm wurde warm, aber gleichzeitig versuchte er, die in ihm aufkeimenden Gefühle zu unterdrücken. Er machte einen Sprung in seiner Gedankenwelt weg von Helen und hin zu seinem Auftrag. So langsam musste er mal etwas tun. Als er nach unten sah, wurde ihm bewusst, dass es bei seinem Auftrag eigentlich völlig egal war, wen er sich als Interviewpartner suchte. In jenem Moment beschloss er, den Meflugator zu kaufen und damit seine Befragungsobjekte von oben auszuspähen. Wie ein Adler, der seine Beute jagt. Sichtlich zufrieden landete er wieder bei Micky, dem Verkäufer.

      „Hey Mister, gehen Sie immer gleich so zur Sache mit Geräten, die Sie noch gar nicht kennen?“

      Summer grinste.

      „Kommt drauf an, was das Gerät zu bieten hat. Kann ich bei Ihnen über Superinternet bezahlen?“

      „Was für eine Frage, logisch können Sie das. Um das Gerät draußen benutzen zu können, müssen Sie sich noch eine Lizenz bei der Verwaltung holen. Bevor Sie die bekommen, müssen Sie aber das Reglement zur Benutzung des Luftraums über Art-City gelesen haben. Das können Sie auch von uns bekommen, indem wir die Daten direkt auf Ihre Multiquantwatch transferieren.

      „Gut, machen wir´s so.“

      Summer bezahlte und war beinahe schon durch den Ausgang verschwunden, als der Verkäufer ihm hinterher schrie:

      „Und fliegen Sie nicht, bevor Sie die Lizenz haben. Sonst können Sie leicht im ...“

      Er hörte die letzten Worte des Verkäufers nicht mehr, was aber besser für ihn gewesen wäre. Mit seinem Paket unter dem Arm schlängelte er sich durch die Menschenmassen der Metropole. Tierisch genervt von dem ständigen Gerempel der Passanten, beschloss er, das neu erworbene Produkt gleich zu nutzen. Ein paar Ecken weiter kannte er einen Platz, an dem nicht soviel Gedränge herrschte. Er packte den Meflugator aus, schraubte die Steuerung an das Gerät und stopfte die Verpackung in einen öffentlichen Müllbehälter. Voller Vorfreude schnallte er sich das Gerät auf den Rücken, den Gurt um den Bauch und drückte den Starterknopf. Mit enormer Geschwindigkeit schoss Summer in den Himmel. Bis zu seiner Wohnung waren es gut und gerne fünf Kilometer. Bei den eisigen Temperaturen war es ein Problem, dass Summer keine Handschuhe trug und auch sonst nicht gerade passend angezogen war. Um seine Hände warmzuhalten, bewegte er seine Finger permanent. Intensiv beschäftigt mit dem Wärmehaushalt seines Körpers traute er seinen Augen nicht, als ihn plötzlich ein blau-schwarz gekleideter, ebenfalls mit einem Meflugator ausgestatteter, Safeguardian überholte. Auf dessen Gerät leuchtete mit roter Diodenschrift „bitte folgen“ auf. Ohne zu zögern, befolgte er die Anweisung und der Safeguardian dirigierte Summer auf den Boden.

      „Guten Tag, ich bin Sergeant Cippro. Ihren Ausweis und die Fluglizenz bitte.“

      Ziemlich überrascht von der Präsenz des Safeguardians in der Luft zückte Summer seinen Ausweis und hielt ihn dem Sergeant vor die Nase.

      „Gut, Mister Summer. Und jetzt Ihre Fluglizenz bitte.“

      Summer nestelte verlegen an seinen Taschen herum und suchte krampfhaft nach einer glaubhaften Ausrede. Aber außer einem ziemlich gequetschtem Ähem brachte er nichts heraus.

      „Haben Sie etwa keine?“

      Summer überlegte kurz und beschloss, die Wahrheit zu sagen.

      „Nein, ich habe noch keine. Das Gerät habe ich eben erst gekauft. Genervt von dem vielen Gewusel am Boden habe ich beschlossen, den Meflugator gleich zu nutzen und nach Hause zu fliegen.“

      Cippro runzelte die Stirn, kratzte sich mit einem besorgten Gesichtsausdruck an der Schläfe und fragte:

      „Hat man Ihnen denn nicht gesagt, dass Sie eine Lizenz brauchen?“ Summer zog die Achseln nach oben und die Mundwinkel nach unten. „Doch, das hat man. Aber ich dachte so schlimm kann das schon nicht sein.“

      Die Miene des Sergeants wurde immer ernster.

      „Immer Ärger mit euch Fluganfängern! Nachdem Sie das Reglement höchstwahrscheinlich auch nicht gelesen haben, wissen Sie demnach auch nicht, dass ein Flug ohne gültige Lizenz zwangsläufig zu einer 30-tägigen Haftstrafe führt, oder?“

      Summer überfiel plötzlich ein Gefühl von totaler Ohnmacht. Sein Magen verkrampfte sich und er spürte, wie sein Herz schneller zu pochen begann.

      „Aber jetzt hören Sie mal, ich habe doch nichts verbrochen. Kann man das nicht irgendwie anders regeln?“, fragte er.

      „Was meinen Sie?“

      „Na, gegen Kaution oder so?“

      „Glauben Sie denn, dass das in Art-City irgendjemanden jucken würde, wenn er Kaution bezahlen müsste? Es tut mir leid, Mr. Summer. An Ihrer Haftstrafe führt kein Weg vorbei.“

      „Moment könnten Sie mir bitte erklären, was so arg ist an meiner Tat?“

      „Das kann ich, Sie können von Glück reden, dass ich Sie erwischt habe. Hätten Sie die Stadt auf dem Luftweg verlassen und wären irgendwann wieder hereingekommen, dann hätte man Sie eliminieren müssen. Bei Erwerb einer Fluglizenz werden die Daten, die sich auf ihrem eingepflanzten Mikrochip befinden mit denen Ihrer Fluglizenz gekoppelt und im Zentralcomputer gespeichert. Dringt irgendjemand in den Luftraum von Art-City ein, so wird er automatisch gescannt. Wenn der Zentralcomputer dann feststellt, dass irgendwelche Daten fehlen oder der Pilot keine gültige Fluglizenz hat, alarmiert er uns. In diesem Fall haben wir den Auftrag, den ungebetenen Gast zu eliminieren.“

      Summer wurde fahl im Gesicht und fühlte sich plötzlich elend.

      „Eliminieren?“, fragte er mit verdutztem Blick.

      „Aber warum denn, das kann doch nicht sein. Was soll denn das alles? Ich dachte, Art-City wäre die Vorzeigestadt schlechthin und dann so etwas. Wozu diese brutalen Sicherheitsvorkehrungen?“

      Als Summer sich selbst reden hörte, drehte sich ihm der Magen um. Die Erkenntnis, bisher sehr naiv in Bezug auf die Stadt gewesen zu sein, traf ihn hart. Zu hart, als dass er es schnell verarbeiten konnte.

      „Fragen Sie nicht mich, fragen Sie den Bürgermeister oder den Regierungsbeauftragten. Sie sind doch der Topjournalist beim Dailys. Wir führen nur unsere Befehle aus.“

      Summer zuckte zusammen, als er das hörte.

      „Woher wissen Sie das?“

      „Was? Dass Sie Journalist sind? Ihr eingepflanzter Mikrochip transferiert automatisch alle relevanten Daten über Sie auf meine Mulitquantwatch, sobald ich ihren Ausweis scanne. Rein technisch wäre das auch ohne diese Scannerei möglich, ist aber eine kleine Sicherheitsmaßnahme, welche die Regierung bei Routinekontrollen wie dieser der Bevölkerung zugesteht. In welcher Zeit leben Sie eigentlich? Gerade ein Mann wie Sie müsste doch ein bisschen besser Bescheid wissen.“

      Christopher Summer wurde immer übler zumute. Er fühlte sich, als ob ihn ein Fausthieb unvorbereitet in die Magengegend getroffen hätte. Der Journalist war ein kluger Mann und doch wurde er soeben seiner kindlichen Naivität überführt. Seine Gedanken stellten sich jetzt um und er beschloss aus Sicherheitsgründen, die Konversation mit dem Safeguardian nicht mehr weiter zu intensivieren.

      „Ja, da haben Sie wohl recht, und wie geht es jetzt weiter?“

      Sergeant Cippros Miene entspannte sich ein wenig. Er war sichtlich beruhigt, dass Summer nicht weiter löcherte.

      „Sie werden heute noch vor ein ordentliches Gericht gestellt und verurteilt. Einen Verteidiger brauchen Sie nicht. Ihr Urteil lautet so oder so 30 Tage Haft. Sie können natürlich gerne mit Ihrem Anwalt telefonieren, aber er wird Ihnen dasselbe sagen. Direkt nach Ihrer Verhandlung wird man Sie ins Gefängnis bringen. Der morgige Tag gilt dann als Erster Ihrer Haftstrafe.“

       9

      Конец