Iris Schneider

Flucht in die Hoffnungslosigkeit


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habe heute Abend nicht das Gleiche vor“, sagte ich tollpatschig.

      „Mich stört es keineswegs, wenn ein Mann weint. Im Gegenteil, es sollte eigentlich eine Erleichterung für deine Seele sein.“ Wenn dir danach ist, tu es einfach.“

      Ich sah einen Eimer für meine noch nicht geflossenen Tränen vor mir stehen. Vorsichtig schob ich ihn mit dem Fuß beiseite. Wollte mir meine Psyche jetzt auch noch in den Rücken fallen?

      Viele Worte sagte Iris nicht, aber die wenigen die sie sagte, brachten mich zu Nachdenken.

      Mir war immer noch hundeelend zumute. Mein Vorhaben, Iris unzählige Fragen über meinen tiefsten, verzweifelten Seelenschmerz zu stellen, um diese dann in kleinste Details zu zerpflücken, und in größten Trauergebärden und Selbstmitleidschübe zu verarbeiten, maß ich in den nächsten Augenblicken immer weniger Bedeutung bei. Klein und hässlich saß plötzlich Gollum vor mir, der wieder einmal seinen gierigen Blick nicht von dem ersehnten Ring lassen konnte. Mir war keinesfalls nach Ring zu Mute.

      Iris zündete ein paar Kerzen an. Leise Musik spielte im Hintergrund.

      Katie M. - Blues in the Night-. Wir schwiegen eine Weile. Ich wurde automatisch ruhiger .Gollum auch.

      „Ist sie wieder gefahren?“

      „Ja“, sagte ich leise und kaum hörbar.

      „Sie wird auch wiederkommen.“

      „Ich verarbeite es irgendwie aber nicht mehr, Iris.“

      „Es ist zwischen euch ein Seelenband entstanden. Wenn sich solch ein Band erst einmal gefestigt hat, kann man solches schlecht wieder lösen. Das Schlimme daran ist, Toni ist mit ihrem Seelenband wahrscheinlich noch bei ihrem Ehemann verhaftet. Mit Gewalt ist da nichts zu machen. Es sei denn, es geschieht durch Schock oder eine Enttäuschung. Desto empfindlicher die Seele ist, umso größer sind die Seelenschmerzen die damit verbunden sind. Es braucht seine Zeit. Alles braucht eben Zeit.“

      Ich hörte zu. Es tat mir gut. Von solch einer Seite hatte ich unsere Beziehung noch nicht betrachtet. Seelenband. Bestimmt war meins schon ausgeleiert

      „Du musst eben noch Geduld haben, Rolf.“

      Geduld, das, was ich momentan nicht mehr hatte.

      Ich sah Iris an. Ihre Worte gingen tiefer ins Herz, als ich dachte.

      „Ich weiß nicht, ob diese Geduld in mir noch auffindbar ist, denn der Schmerz wird von Mal zu Mal größer und es wächst eine unbegreifliche Hoffnungslosigkeit.“

      Ich goss noch einmal Wein nach

      „Kennt Toni deine Angst? Kennt sie deinen Schmerz, den du um Sie und das Kind hast? Oder spielst du nur den Verständnisvollen und den Coolen?“

      Darüber hatte ich auch noch nicht nachgedacht. Meistens verbarg ich diese Gefühle, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen. Aber müsste sie es nicht selbst schon längst gespürt haben?

      „Ich glaube, ich kann dir diese Frage keinesfalls beantworten. Meine Gefühle spielen augenblicklich verrückt und ich begreife nichts mehr.“

      „Lass dir Zeit Rolf und versuche dich irgendwie abzulenken. Sie ist immer wiedergekommen und wird

      auch dieses Mal wiederkommen.“

      „Ja, ich versuche es.“

      Ich fuhr zurück nachhause.

      Bei der nächsten Aussprache mit Toni, werde ich eingehend alles klären.

      KAPITEL 8 Der Mann ist das Problem…

      Wochenlang hatte ich mir Gedanken gemacht, ob deutsche Männer bei deutschen Frauen vielleicht nicht mehr auf Platz Eins stehen und Zielstrebige Tunesier eben besser punkten.

      In Tunesien gilt eben das Motto „ Das bisschen Haushalt, sagt mein Mann“

      Während dem Deutschen Männlichen Geschlecht schon früh ein Haushalts-Motto samt System mit integriert worden ist. Sozusagen, in die Wiege mit hineingelegt worden ist. Immerhin zum Wohl der Deutschen Frauen, die dann in aller Ruhe, sich den anstrengenden Einkaufs-Welten widmen dürfen.

      Was hat er, was ich nicht habe, dachte ich immer mehr. Gebe ich auch zu, dass ich daran gedacht habe. Mehrmalig öffnete ich abstruse Internetseiten, um vergleichsweise sämtliche Unmoralitäten bei mir ausschalten zu können, ehe ich an mir selbst verzweifelte.

      Ich zählte wiederholt alle Kosenamen samt anhängigen Nebensätzen auf, die ich von Toni in der Zeit unseres Zusammenlebens bis dato erhalten hatte.

      Du stinkst wie ein Aschenbecher! Daran könnte ich arbeiten.

      Warum hast du die Wäsche noch nicht aufgehängt. Könnte ich…, nö, sehe ich gar nicht mehr ein.

      Du schnarchst wie ein Walross in der Nacht. Das tat allerdings sehr weh.

      Das kannst du nicht verstehen, davon hast du keine Ahnung…als Deutscher. Da haben wir es wieder. Deutsch sein ist eben nicht alles.

      Also liegt es nicht nur allein an meiner Deutschen Männlichkeit. Dabei hatte ich ihr oft genug gesagt, dass ich väterlicherseits, französischer Abstammung bin.

      Hat auch nix genutzt. Obwohl mal vor meinem Nachnahmen ein „Von“ gestanden hat. So schnell kann Blaues Blut also wieder verblassen. Nur weil grausame Franzosen während der damaligen, Französischen Revolution, einfach ein kostbares „Von“ aberkannt hatten. Mein Vater allerdings sagte, dass er dieses in sehr jungen Jahren sinnlos und ohne nachzudenken verzockt hatte. Wie auch immer. Verarmter Adel.

      Plötzlich stand vor meinem geistigen Auge eine wichtige Sache, die ich beinahe vergessen hatte. URLAUB! Ein Urlaub zu dritt. Das war‘s.

      Den hatten wir wahrhaftig noch nicht gehabt.

      Das ist eigentlich das Wichtigste in einer Familie. Damit sie auch mal etwas anderes sehen, als Zimmerluft, Marktplätze, und ebenfalls schwere Einkäufe und Besorgungen für Arabische Schwieger-Mütter zu tätigen. Alle paar Wochen nur die gleiche trockene Italia und Tunesia–Luft, mit Höhlenerlebnissen pur. Wie entsetzlich für die Beiden.

      Ich musste langsam aber sicher meiner Familie endlich etwas anderes bieten. Mir wird etwas einfallen. Weg mit dem Theatralischen Getue. Endlich mal wieder zu etwas wildendschlossen sein.

      Nachdem die beiden wieder zuhause waren, schien eine sichtliche Veränderung eingetreten zu sein.

      Toni war etwas stiller geworden und Elena intelligenter.

      „Ich habe mir gedacht“, sagte ich mit einem großzügigen Anlauf. „Wir drei werden mal verreisen!“

      Vier Augen starrten mich verblüfft an.

      „Schon wieder? Wir sind doch gerade erst hier angekommen.“

      Nein…, ich resigniere nicht! Auf keinen Fall.

      „Es muss ja nicht sofort sein, aber in der nächstliegenden Zeit. Es wäre für Elena auch vorschulisch äußerst interessant, Ausstellungen und andere Sehenswürdigkeiten und vor allen Dingen die Kultur, ihrer Deutschen Heimat kennenzulernen“, begründete ich voller Überzeugung

      Nach meinen klarartikulierten Sätzen, rannte Elena zu ihrem noch nicht ausgepackten, Mini-Reisekoffer und zog nach mehrmaligem Herumwühlen ein Heft und ein Buch heraus.

      „Hier, das habe ich schon in der Vorschule in Tunesien geschrieben.“

      Ich war entsetzt. Ich sah tatsächlich arabische Buchstaben und Kamel-Zeichnungen. Es waren sogar geschriebene Worte zu erkennen.

      Das arme Kind. Helft ihm.

      „Ich kann sogar schon meinen Namen und Guten Morgen schreiben. Guck mal hier in mein Heft rein“

       Ich war zutiefst erschüttert. Denn ich konnte wieder mal etwas nicht deuten. Noch nicht mal, eine banale, arabische Kinderhandschrift. -Sabah el kher-,