Iris Schneider

Flucht in die Hoffnungslosigkeit


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Aber das geht doch gar nicht.“

      „Doch, geht aber doch“, antwortete Elena stolz.

      Als ich das hörte, war ich auch sehr stolz. Irgendwie aber auch glücklich.

      In den darauffolgenden Wochen ertappte ich Toni immer wieder, wie sie sich mit ihrem Noch-Ehemann wiederholt telefonisch, zankend duellierte.

      Immer öfter brach Toni nervlich angeschlagen, weinend zusammen und wusste nicht mehr ein und aus.

      Es war für uns alle eine grausame Zeit, die fast schon einem seelischen Martyrium glich. Wie konnte ein Mann nur so viel Macht über eine Frau haben? Sogar über solch eine Entfernung hinweg. Trotz alledem, schaffte ich es, mit großer Geduld, die Wogen bei Toni abermals zu glätten.

      Gemeinsam strapazierten wir in den darauffolgenden Tagen unsere Gehirne, nach Möglichkeiten zu suchen, um einer eventuellen Therapie, für seelisch und nervlich geschädigte Frauen, mit zwanghafter Reisesucht, zuzustimmen.

      Ebenso wäre es eine Gelegenheit für Toni, anschließend gestärkt ihr vernachlässigtes Eurythmie-Studium zu Ende zu bringen.

      Nach kurzem Forschen im Internet, fanden wir endlich einen Therapieplatz.

      Toni meldete sich in einer Tagesklinik an.

      Sie tat endlich etwas. Zwar redete sie nicht viel darüber, aber ich ahnte, dass sie wusste, wie ausgepowert sie war und das diese Behandlung sich zum Positiven bei ihr auswirken würde. Ich hoffte nur, dass sie das alles durchhielt. In den nächsten Tagen achtete ich ganz besonders auf Elena und wir hatten eine wunderschöne, gemeinsame Zeit miteinander. Nach einigen Wochen ging es Toni besser. Sie wirkte ruhiger und ausgeglichener. Eher verliebt. Endlich hatte ich sie und eine gesunde Hoffnung wieder.

      Dergleichen startete sie zu einem Ausbildungs-Platz, ihres wieder aufzunehmenden Studiums. Wir fuhren zu einem Vorgespräch dort hin. Zwei Stunden wartete ich draußen auf sie. Dann kam sie endlich. Als sie ins Auto stieg, sah sie unzufrieden aus.

      „Ich müsste dreimal in der Woche dort hin. Es ist auch eine Tages-Schule. Allerdings könnte ich dann dort auch schlafen.“

      „Wo liegt das Problem?

      „Willst du mich loswerden?“

      „Nö, aber ich bin doch für Elena da, wenn du das meinst“, versicherte ich eindringlich.

      Toni entschied sich dagegen. Warum auch immer. Sie fühlte sich nervlich dazu nicht in der Lage.

      Nach eingehenden Gesprächen kamen wir überein, dass sie erst einmal etwas für sich selbst tun wolle. Für Geist und Seele. Für Ausgeglichenheit und innerer Ruhe.

      Vielleicht war ja dieses Mal auch etwas für mich dabei.

      KAPITEL 7 Das Gespräch

      Nach einer gemeinsamen Epoche zu dritt, entschied sich Toni wieder nach Tunesien zu fahren. Sie hätte dort unten wieder mal Endgültiges zu klären und dieses müsse einfach sein. Ich packte schweren Herzens wieder einmal den Wagen mit allen möglichen Sachen und Geschenken. Ohne meine Anziehsachen und ohne „Meinen“ und „Deinseinen“ Hausstand. Und wieder verabschiedete ich mich mit einem Kloß im Hals und einem Ziegelstein im Bauch. Und wieder war diese Leere in der Wohnung. Kein Kinder-Geplapper mehr. Keine Kindersendung im Fernsehen und kein Wortwechsel mit Toni, über irgendwelche bevorzugten Themen und Spekulationen.

      Absolute Stille.

      Nach ihrer Abfahrt, legte Ich das Bettzeug von beiden ordentlich zusammen und setzte mich auf meine kleine Terrasse.

      Ich fragte immer wieder nach dem „Warum“. Ein breites Spektrum. Dabei hatten wir doch Missverständnisse, Sorgen und Nöte in der letzten Zeit kontinuierlich geklärt? Ich wollte meiner kleinen Familie Sicherheit und Geborgenheit geben. Aber so konnte es auf keinen Fall gut werden, wenn Toni immer wieder in diese verdammte Hoffnungslosigkeit flüchtete. Sie fühlte sich regelmäßig von Tunesien angezogen, dorthin getrieben. War sie dort unten, ergriff sie die Flucht wieder nach Deutschland. Wollte sie vielleicht gar nicht bei mir bleiben? War ich für sie nur ein Sprungbrett oder ein Flaschengeist, den sie bei jedweden Fluchtversuchen und bei Schwierigkeitsgrad zehn aus einer Boukha-Flasche herauszitierte? War es eine krasse Behinderung, Deutschen Geschlechtes, mit französischem Ursprung zu sein? Sollte ich vielleicht ein Medizinstudium absolvieren, damit sie in ihrer Harz IV Branche angesehener erschien?

      Nein, so würde sie niemals denken. Es sind sicherlich nur meine Gedanken, die sich wie Spinnweben ausbreiteten. Ich musste irgendetwas tun, was mich umstimmte. Irgendetwas. Vielleicht auch einer Therapie zustimmen?

      Guten Tag. Meine Name ist deutsche Mann…, ich binne arabisch geschädigt und auf der Suche nach mich selbst.

      Nöö…, das ging doch wirklich zu weit. Genau in diesem Moment wurde ich vernünftig.

      Ich brauchte nur einen einfachen, lausigen und verständnisvollen Gesprächspartner.

      Düsseldorf war zu weit. Jetzt sofort musste ich jemand haben. Auf der Stelle. Meine Funkuhr blinkte mir die rote Zahl 21:07 an die Zimmerdecke. Vier Sekunden später wechselte sie auf 22:17. Ich nahm die Zweite. Die schien mir realistischer zu sein. Iris! Natürlich, sie gab es ja seit einiger Zeit auch.

      Plötzlich fiel mir meine Flaschen-Notreserve ein. Kleiderkammer!?

      Vielleicht ist das Fläschchen ja auch schon kindgerecht nach Tunesia entsorgt worden.

      Schwungvoll öffnete ich meinen begehbaren Kleider Schrank…, Kammer…, Nische…, Notfall-Ramschloch… und was davon noch übrig geblieben war.

      Auf dem Boden lagen ein großer Kleiderhaufen, Kinderspielzeug mit Schuhen gepaart, abgelaufene Medikamente und zerknitterte Plastiktüten, verschiedener Art und Sorte. Hatten wir in so vielen, verschiedenen Geschäften in den letzten Wochen eingekauft? Elenas Lieblingsstoff- und Betttiere, die ich ihr gekauft hatte, lagen jammernd vor mir auf dem Boden. Wir stierten uns frustriert an.

      Wahrscheinlich wären die armen Viecher wegen ihrer Deutschen Herstellung da unten sowieso nur brutal gesteinigt worden. Gott sei Dank waren sie Geschlechtslos.

      Plötzlich, traf mich ein unerwarteter Lichtschein. Ich sah tatsächlich in der hintersten Ecke meine alte Wein-Flasche Rotschild, brav und jugendgerecht auf dem Wandregal stehen.

      Einen Abend mal für mich. Iris musste unter allen Umständen wach bleiben. Unternehmungslustig rief ich sie an. Sie meldete sich. Ich setzte sie vor die vollendete Tatsache, dass ich unbedingt mit ihr reden müsse.

      „Eigentlich wollte ich gerade Schlafen gehen, aber das werde ich dann heute mal verschieben“, sagte sie humor-und verständnisvoll.

      Juchhuh…, schiere Leidenschaft mit einem Schluck Wein und Gemütlichkeit. Ich fuhr zur Iris wie in Trance. Und ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Warum ich zur ihr fuhr…? Selbstbetrug, oder vielleicht Heimweh nach Europäischer Heimatluft? Kann ich nicht mehr sagen. Weiß ich selber nicht mehr.

      Irgendetwas trieb mich einfach zu ihr.

      Lächelnd öffnete Iris mir die Tür.

      Sie sah es mir an, dass mein Kummer mir auf der Stirn geschrieben stand.

      „Kannst du mir eine Antwort auf ein paar Fragen geben?“, fiel ich gleich mit der Tür ins Haus.

      „Ich glaube, du machst erst mal den Wein auf und ich hole ein paar Gläser.

      Das war eine geniale Idee.

      Ich beobachtet Iris. Ihre Bewegungen waren leicht und sie wirkte ausgeglichen. Ihre freundliche, aufgeschlossene Art tat mir gut.

      Ich öffnete die Flasche und goss ein. Wir stießen an.

      Einen Moment schauten wir uns in die Augen. Wärme strahlte mir entgegen. Herzlichkeit und vieles mehr.

      Etwas, was ich nicht erklären konnte, aber was ich aufsog wie ein Schwamm. Das, was ich in der letzten Zeit so sehr