was Falsches auf der Tafel,
geh mit dem Schwamm drüber!
Jesus ging nicht über’n See –
nein er schwamm drüber.
Wärst du gerne in Düsseldorf
und musst nach Hamm rüber…
Nimm das alle nicht so schwer, Baby.
Sag doch „Schwamm drüber“!
Schwamm drüber, Honey!
Das ist der Schwamm-drüber-Blues.
Es geht bergauf und wieder bergab immer links an einer wenig befahrenen Landstraße entlang. Die Vögel zwitschern, auch ich singe immer weiter. Schließlich erreiche ich gegen Abend Ledigos, die ersten hundert Kilometer meines Jakobsweges habe ich damit geschafft.
In der privaten Herberge, die ich ansteuere, werden auch einzelne Zimmer angeboten. Mir gefällt der Gedanke, allein schlafen zu können - eine Eingebung lässt mich das Vorhaben aber aufgeben. Als ich in den Zwanzig-Betten-Schlafsaal einziehe, bestätigt sich meine Vermutung: Ich bin der einzige Gast. Ich rolle den Schlafsack auf einem der unteren Etagenbetten aus. Im Waschraum, der sich unter freiem Himmel befindet, reinige ich meine Wäsche, hänge sie an die Leine in die Abendsonne und dusche genüsslich.
In der angeschlossenen Wirtschaft servieren sie wie üblich erst ab 20 Uhr Essen, ich setze mich trotzdem schon einmal hin, obwohl mir noch eine gute Stunde bleibt. Einige Einheimische gucken Fußball und rufen laut „Messi!“. Thomas fragt per SMS nach den Temperaturen und wie es mit dem Essen klappt. Es ist hier Ende März so warm wie in unserem letzten Sommerurlaub in der Bretagne. Das Essen ist wenig abwechslungsreich: Kartoffeltortilla, Käsebrot, gemischter Salat ohne Thunfisch. Das kann ich mittlerweile alles auf Spanisch bestellen.
Von den drei Hauptgerichten, die die Bedienung mir eine Stunde später vorschlägt, besteht eines aus Fleisch mit „huevos fritos“ und eines aus „patatas fritas“, was ich mit Spiegelei und Pommes Frites übersetze. Ich bestelle mir, indem ich die neu gelernten Worte wiederhole, als Sonderwunsch Spiegelei mit Pommes und freue mich, als mir die Frau später die gewünschte Kombination serviert.
Um kurz nach 21 Uhr lösche ich das Licht in meinem Schlafsaal. Eine der Außentüren, die direkt in den Garten führt, hat sich zwar schließen, jedoch nicht absperren lassen. Mir ist mulmig, ich rolle mich tief in den Schlafsack ein und schlafe immerhin sofort ein. Kurz schrecke ich auf, als ich einen lauten Knall höre – wie unheimlich! Da aber nichts weiter folgt, übermannt mich nach kurzer Zeit meine Müdigkeit.
Tag 9 - 2. April 2012: Ledigos
Gleich nach dem Aufstehen packe ich meine Sachen. Mit Ausnahme der dicken Socken ist die komplette Kleidung auf der Leine getrocknet. Die Tür zur Wirtsstube ist verriegelt, hier bekomme ich kein Frühstück - ebenso die große Eisentür, die sich als Zweittür hinter der nicht abschließbaren Außentür befindet. Daher also der Knall letzte Nacht. Meine Angst vor nächtlichen Gästen war unberechtigt. Ich nehme mir vor, zukünftig weniger ängstlich zu sein.
Zwei Müslikekse aus meinem Vorrat sind meine erste Mahlzeit des Tages. Ich genieße die morgendliche Kühle, als ich über den geschlängelten Weg an Wiesen und Büschen vorbei spaziere. Gegen 11 Uhr erreiche ich das sieben Kilometer entfernte Hostal Moratinos und staune über das perfekte Deutsch im ausliegenden Prospekt.
Ich trete ein, der helle, österlich dekorierte Raum mit einer grasgrünen Wand strahlt vor Sauberkeit. Ich frage nach einem entkoffeinierten Kaffee. Die Wirtin reicht mir nickend ein Osternest entgegen, um mir ein Schokoei daraus anzubieten. Es überrascht mich nicht, dass sie eine Deutsche ist - hier sieht es aus, wie in einer „Schöner Wohnen“-Zeitschrift. Als ich das stille Örtchen aufsuche, trete ich in ein deutsches Gäste-WC ein - ein rundes Wachbecken aus weißem Porzellan leuchtet mir entgegen, weiche Handtücher laden zum Händetrocknen ein. Erst jetzt fällt mir auf, dass die spanischen Toiletten deutlich einfacher ausgestattet sind.
Ich setze mich auf die Terrasse, schlürfe den Kaffee und erkundige mich nach den Hügeln gegenüber, in denen Öffnungen mit kleinen Türen zu sehen sind. Die Wirtin erklärt mir, dass es sich um Bodegas handelt. Den Begriff kenne ich, nun erfahre ich, dass es sich um Vorratsräume für Wein und andere Speisen handelt, quasi ein Kellerersatz. Sie reicht mir einen Ordner, in dem sie Informationen über den Jakobsweg gesammelt hat, unter anderem sind alle Pilgerunterkünfte beschrieben. Ich lese mir die Beschreibungen der kommenden Herbergen durch. In El Burgo Ranero, das ich morgen erreichen kann, gibt es eine städtische Herberge mit Waschmaschine. Auf einmal kommt bei mir das Bedürfnis hoch, meine Klamotten mal so richtig in einer Waschmaschine durchzuwaschen. Ich merke mir also den Ortsnamen.
Die Wirtin reicht mir einen Stadtplan von León, während sie mir ein Hotel empfiehlt, das sie gleich auf der Karte einzeichnet.
Nach kurzer Zeit platziert sie einen etwa vierzigjährigen Spanier mit Zahnspange an meinen Tisch. Er spricht kein Englisch, bis auf „Hola“ und „Adiós“ wechseln wir keine Worte.
Eine Viertelstunde später verlasse ich den Ort wieder. Der Camino führt eine kurze Zeit zwischen zwei Fahrbahnen einer Schnellstraße entlang. Der Jakobsweg ist nicht unbedingt immer schön, genauso wie das restliche Leben. Eigentlich macht genau das die Sache interessant.
Das Gehen macht mir leider wieder Schwierigkeiten. Der rechte Fuß ist in Ordnung, der linke dagegen schmerzt aufgrund der Blase an der Ferse so sehr, dass ich den Fuß nicht richtig abrollen kann. Immerhin scheint die Sonne - es sind bestimmt über 20 Grad - noch 387 Kilometer bis nach Santiago.
Eine halbe Stunde später holt mich der Spanier ein. Er stellt eine Frage, in der das Wort acompañar vorkommt. Weil es wie accompagner - Französisch für begleiten - klingt, errate ich, was er meint und stimme zu. Er stellt sich mir als „Miro“ vor. Wir laufen eine ganze Weile nebeneinander, ich passe mich seinem Tempo an, werde also schneller. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist er den Camino schon viele Male gepilgert. Er zeigt einigen Ehrgeiz, mir nützliche Redewendungen beizubringen.
¿Cómo estás? – Wie geht’s?
Estoy bien. – Mir geht es gut.
Estoy muy cansada. – Ich bin sehr erschöpft.
Auf den letzten Satz legt er besonderen Wert. „Muy cansada“ wiederholt er dreimal, ächzt und beugt den Oberkörper vor, sodass er mit den Händen fast den Boden erreicht. Ich spreche den Satz lachend jedes Mal mit einem ähnlichen Seufzer nach. So bekomme ich ganz umsonst den herbeigewünschten Sprachunterricht.
Als wir in Sahagún eintreffen, kenne ich die Zahlen von eins bis hundert, die Wochentage, die Grundfarben, diverse Speisen sowie Körperteile. Außerdem kann ich das wichtigste Verb hier – gehen - konjugieren. Miro erzählt stets langsam von vielen Gesten begleitet. Er meint, ich verstünde Spanisch ganz gut dafür, dass ich es nicht spreche. Kommunikation ist einfach, wenn es beide wollen!
Ich möchte wissen, ob er in Sahagún bleiben will oder weiter läuft. Für mich reicht es definitiv – die Blasen sind unerträglich. Miros Antwort verstehe ich jedoch selbst nach mehreren Erklärungsversuchen nicht. „Estación de tren“ – Bahnhof – sowie „horario“ – Fahrplan – kommen darin vor. Die Antwort ist jedenfalls weder ja noch nein. Die Frage, ob ich ihn zum Bahnhof begleite, beantworte ich entschieden mit einem „estoy muy cansada“ – bloß keinen Schritt mehr tun, als unbedingt notwendig! Miro begleitet mich zu einem Hostal, in dem auch Essen serviert wird, deutet auf sich, sagt „Bahnhof“ und macht eine ausladende Handbewegung, an deren Ende er mit den Zeigefinger auf den Stuhl zeigt. Er kommt also zurück, schließe ich daraus und nehme erst mal eine Cola.
Nach einer Weile steht Miro wieder vor mir, dieses Mal ohne Rucksack und in kurzer Hose. Offenbar hat er den Rest der Sachen in einem Schließfach deponiert. Im Übrigen kombiniere ich jetzt auch, dass er bis eben noch nicht gewusst hat, ob er einen Ort