Erich Witte

Waidmannsheil


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ovalen Augen an und säuselt ihr zu: „Es freut mich immer wieder, sie zu sehen, Schwester Natascha und heute um so mehr, da ich ihnen eine wunderbare Neuigkeit mitzuteilen habe.“ „Guten Tag Professor Neihus, ich wüsste nicht, was sie mir Neues erzählen könnten.“ „Oh doch Schwester, sie werden in mein Institut versetzt, um sich intensiv um meine Objekte zu kümmern.“ Bei diesen Worten wurde sein Lächeln, in seinem fast kugelrunden Gesicht, zu einem breiten, kaum hörbaren Lachen, das durch seinen kleinen, schwarzen Oberlippenbart und den unregelmäßig stehenden und gelben Zähnen, zu einem noch diabolischeren Ausdruck wird. Nataschas Augen werden noch größer, als sie schon sind und sie kann ein trockenes Schlucken nicht verhindern. „Professor, ich bin nur eine Krankenschwester, aber sie wissen, dass ich ihre Forschungen nicht gutheiße und ihre so genannten Objekte sehr bemitleide, für mich sind sie keine Objekte, sondern Lebewesen.“ „Ja, ja Schwester Natascha, ich kenne ihre Einstellung sehr gut.“ Der Prof. macht eine kleine Pause und streicht sich theatralisch über seine schwarzen, seitlich gescheitelten, mit Pomade geglätteten Haare, die durch die Geheimratsecken schon sehr weit zurück gedrängt sind: „Aber das wäre doch für sie eine Möglichkeit, etwas Gutes für meine Objekte zu tun und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass sich die Lebewesen sehr gerne von ihnen verwöhnen lassen. Außerdem ist ein diskutieren überflüssig, da bereits alles mit der Personalabteilung abgesprochen und beschlossen wurde. Morgen, um 8 Uhr 30 melden sie sich in meinem Büro!“

      Bei diesen Worten, stößt er energisch den Stuhl zurück, ignoriert seine nicht benutzte Kaffeetasse und geht mit einem stechschrittähnlichen Gang davon, der seinen inneren Zorn nach außen sichtbar werden lässt. Ein Professor Dr. Karl Neihus, lässt nun mal zu seiner Meinung, keine gegenteilige Meinung zu. Natascha schaute dem Prof. mit einem unverständlichen Blick hinterher. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen und kann es noch gar nicht fassen, was sie da gehört hatte. Da schritt er dahin, in seinem füllig wirkenden, weißen Doktorkittel, das Stethoskop demonstrativ, seitlich herausragend.

      Von ganz unten, aus dem Bauch heraus, wird ihr klar, dass sie nichts machen kann. Es wäre auch völlig zwecklos, bei dem Personalbüro vorzusprechen, da es sowieso nur Anweisungen des Prof. befolgt. Die Forschungen der Prof. sind, auch wenn sie noch so umstritten diskutiert werden, für die Klinik einfach zu wichtig, da sie auf die Forschungsgelder nicht verzichten kann.

      Ich werde das Beste draus machen, sagte sich Natascha und kümmert sich um ihren, noch warmen Kaffee, denn den gleichen Fehler wie, Professor Dr. Karl Neihus, wird sie nicht begehen, sie wird nicht auf ihren Kaffee verzichten. Ein zartes Lächeln legt sich auf ihr Gesicht, denn warum sollte sie nicht etwas Gutes tun und sich um die armen, so genannten Objekte kümmern, denn sie ist eine Krankenschwester, sie ist eine gute Krankenschwester und sie ist gerne eine Krankenschwester! Sollte der Prof. sich außerhalb der Arbeit intensiver für sie interessieren wollen, würde sie sich schon seiner erwehren können. Ihr Lächeln ist verschmitzter geworden, als sie sich locker auf den Stuhl zurücklehnt und genüsslich den restlichen Kaffee aus ihrer Tasse geniest. Danach erhebt sie sich und mit dem Bewusstsein, dass ihr einige Augenpaare nachschauen werden, verlässt sie, mit einem wiegenden Schritt, die Kantine.

      3 Weißohr und Waldblume grübeln, Natascha stellt sich vor

      „Weißohr.“

      Ein schwach wahrnehmbarer Hauch von Ton, der kaum meine Gehörnerven erreichte, schwebte zitternd durch die Luft zu mir und noch einmal:

       „Weißohr.“

      Ich schaue zu ihr rüber, in ihre trüben, verwirrten und ängstlichen Augen. „Hey, Blümchen, mache dir keine unnötigen Sorgen. Wie fühlst du dich?“

      Ihre Augen werden riesengroß und ihr Atmen heftig und hektisch, so dass ihr Brustkorb sich bis in den Grenzbereich auf und nieder bewegt. Noch einmal tief durch atmend, schleudert sie mir entgegen:

      „Ich soll mir keine Sorgen machen, wo ich auf dem Rücken liegend, mich nicht bewegen kann, da ich ja offensichtlich mit Riemen an einem Bett, oder was immer das sein soll, gefesselt bin und da fragst du auch noch, wie ich mich fühle???“

      Oh, oh, Frauen, warum müssen die immer gleich so hysterisch werden!

       „Blümchen, ich weiß wie es dir geht, mir geht es im Moment genauso, aber ich bin glücklich, dass du wieder unter den Lebenden weilst. Leider kann ich dir nichts Erfreuliches mitteilen, denn ich habe selber keine Ahnung wie wir hier hergekommen sind, noch weiß ich, was uns hier geschehen ist.“

      Waldblumes Blick verändert sich und ihre Augen, bekommen einen herzerwärmenden Blick: „Es tut mir leid, Weißohr, ich weiß, dass du nichts dafür kannst und du immer zu mir stehen wirst und mir nie, in keinster Weise, etwas Böses tun wirst. Puh, eigentlich kann ich gar nicht so viel reden, bei den Kopfschmerzen und der Übelkeit.“ Dabei schließt sie die Augen und um ihren Mund entsteht ein kaum sichtbares, ein flüchtiges Zucken.

       „Blümchen, mein Vorschlag wäre, die Augen geschlossen zu halten, uns fallen zu lassen und versuchen uns zu entspannen, da wir im Moment nichts unternehmen können, außer abzuwarten.“

       „Ja Weißohr, ich will es versuchen.“

      Irgendetwas ist mit mir, wahrscheinlich mit uns geschehen. Ich sehe Waldblume, trotz meiner geschlossenen Augen vor mir, als würde sie direkt vor mir stehen, sie ist in meinem Kopf und lässt sich nicht mehr heraus bekommen und das ist mit so viel Liebe und Zärtlichkeit verbunden, wie ich sie so noch nie empfunden habe. Jedes Detail von ihr, Ihre Augen, ihre Ohren, ihr Mund, ihre Hüften, ihre, ja alles, jede Einzelheit, die an ihr zu finden ist, sehe ich vor mir und alle diese schönen Einzelheiten berühren und küssen zu dürfen, erfüllt mich mit so viel Wärme, dass allein der Gedanke daran, ein wohltuendes Schaudern, durch meinen Körper laufen lässt. Dieses Aufwallen der Gefühle, diese liebevollen, warmen Gedanken, kannte ich vorher nicht. Waldblume war da, sie gehörte zu mir und ich gehörte zu ihr und das war so in Ordnung. Sex zu haben war auch in Ordnung, es wurde getan und das war es dann, aber jetzt ist alles anders. Liegt es an meinem, unserem Kopfverband, haben die Flachlandbewohner, mit den weißen Kitteln, etwas in unseren Köpfen angestellt, haben sie unser Gehirn manipuliert? Es scheint so und es macht mir Angst, oder sollte es mich freuen, da es mein zukünftiges Leben, vielleicht total umkrempeln wird? Das zu erfahren würde bedeuten, erst einmal hier heraus zu kommen und damit wären wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Wieso mache ich mir nur soviel Gedanken? Die habe ich mir vorher auch nicht gemacht, da war das Leben für uns ganz einfach gestrickt.

      „Waldblume, Waldblume, ich liebe dich.“ flüstere ich.

      „Oh mein Stoppelbärtchen, das hast du noch nie zu mir gesagt, aber obwohl es mich wundert, gefällt es mir. Auch ich habe dich schon eine Weile beobachtet und ich finde Gefallen daran, dich anzuschauen, etwas, das neu für mich ist.“

      Plötzlich höre ich Geräusche, die nach Schritten auf einem harten Fliesenboden klingen, auf die Tür zukommen. Ich kann Waldblume noch schnell signalisieren, dass wir uns schlafen stellen sollten, da öffnet sich schon die Tür und durch meine fast geschlossenen Augenwimpern sehe ich einen Engel, einen Engel in einem weißen Kittel hereinschweben und im gleichen Moment hör ich diesen Engel, mit einer freundlichen, melodischen Stimme sagen:

      „Hallo ihr Lieben, ich bin Schwester Natascha, wie geht es euch?“ Dann wird sie stutzig, schaut verwundert und spricht zögernd in einem Ton, als wenn sie zu sich selbst sagen würde, "ja spinn ich denn", weiter: „Ihr könnt mich ja gar nicht verstehen.“ Sie kommt zu uns, krault und tätschelt erst Waldblume und dann mich. Irgendwie spüre ich, dass sie es ehrlich meint, dass ihre kleine, herzliche Geste voll Wärme und Mitgefühl, nicht vorgetäuscht ist. Wieso kann ich ihre Sprache verstehen? Bisher konnten wir ihre Worte nicht sinngemäß wahrnehmen, aber wir kannten die unterschiedlichen Tonlagen für Stimmungen, Zorn, Befehle, Traurigkeit und so weiter, jetzt aber verstehe ich den Sinn jedes Wortes, es ist unfassbar, es ist unheimlich,…....oder wunderbar?

       „Waldblume,