Erich Witte

Waidmannsheil


Скачать книгу

habe auch Angst, aber Schwester Natascha ist bestimmt keine Gefahr und ich werde jetzt versuchen sie anzusprechen.“

      „Schwester Natascha!“ Natascha schaut überrascht über ihre Schulter zur der Tür, sieht aber niemand, blickt zurück zu mir, mit einem verwunderten Gesichtsausdruck.

      „Ja Schwester Natascha, ich bin es, ich bin in Ihrem Kopf.“ „Wie ist so etwas möglich, wie kann das sein?“

      „Das ist ganz einfach, wir Waldbewohner haben telepathische Fähigkeiten.“ „Ha, ha, ganz einfach und wieso Waldbewohner?“

      „Wir nennen uns Waldbewohner und euch bezeichnen wir, mit Flachlandbewohner. Soll ich Ihnen erzählen, warum es für uns so einfach ist, mit der Telepathie?“ „Ja, ich bitte darum.“ Sagt sie etwas kurz angebunden.

      „Also gut, wie Sie ja als Krankenschwester wissen, wird unser Gehirn von elektrischen Strömen beherrscht und die haben wir uns zunutze gemacht. In einer kleinen Ecke unserer Schaltzentrale, befindet sich eine Art Sender, der unsere Gedanken als Stromwellen durch den Äther schickt und bei Ihnen kommen sie wieder als Worte an und umgekehrt geht es genau so. Jetzt wird es etwas schwieriger, da jedes Gehirn individuell ist, sind auch die Gehirnströme verschieden. Man könnte sagen, jedes Gehirn läuft mit einer anderen Frequenz und wir können diese Frequenzen erkennen und stellen unseren Sender darauf ein. Zwischen uns Waldbewohnern ist es kilometerweit möglich, aber zwischen euch und uns wahrscheinlich nur eine kurze Distanz, weil ihr über keinen eigenen Sender verfügt.“ Natascha schaut mich immer noch sehr verwundert an und fragt: „Wieso versteht ihr unsere Sprache?“

      „Das weiß ich auch nicht. Ich vermute, ihre Arztkollegen haben in unseren Köpfen einige Veränderungen vorgenommen.“ Natascha hält sich an meinem Lager fest, als würden ihr die Knie weich werden, holt tief Luft und sagt: „Ich kann es noch gar nicht fassen, es kommt mir vor, als wäre ich in einem schlechten Film. Habt ihr auch Namen?“

       „Ja, da drüben liegt meine liebe Frau Waldblume und ich werde Weißohr genannt. Du kannst dir sicher vorstellen warum. Übrigens, du brauchst nicht laut reden, sondern kannst uns die Worte wie wir, über deine Gedanken zu uns schicken.“ „Ihr könnt unsere Gedanken lesen?“

      „Nein, nein, so ist es nicht, denn die Gedanken bleiben in euren Kopf, aber wir können sie nur lesen, wenn sie euer Gehirn verlassen und das geschieht nur, wenn Ihr es so wollt uns also mit euren Gedanken direkt ansprecht.“ „Da bin ich ja beruhigt.“ Sagt sie leicht sarkastisch.

      Ich frage mich, ob ich ihr vertrauen kann, soll ich sie um Hilfe bitten? Ich sehe zu Waldblume rüber, sie schaut mich an und nickt mir zu und ich lächle zurück:

       „O. K., du bist also auch der Meinung, dass wir ihr trauen können.“

      „Schwester Natascha, können Sie uns helfen, diese Anstalt zu verlassen?“ Verblüfft schaut sie mich an. „Wie stellt ihr euch das vor?“ Platzt es aus ihr hervor.

      „Befreien sie uns von den Fesseln und den Rest der Flucht schaffen wir allein.“ Natascha sieht mich an und schüttelt den Kopf:

      „Nein, nein, so geht es nicht, ihr würdet nicht weit kommen, da ihr überall im Hause auffallen würdet. Ich möchte euch ja helfen, da ich meinen Beruf gewählt habe, um für die Patienten da zu sein, egal welcher Rasse sie angehören, was ich überhaupt nicht möchte, mit zu helfen, dass Patienten zu Experimenten und seelischer Folter missbraucht werden. Bitte habt etwas Geduld, ich werde mir etwas überlegen. In der Zwischenzeit besorge ich etwas zum Essen und Trinken, denn ich könnte mir vorstellen, dass ihr in dieser Beziehung, als Objekte, sehr nachlässig behandelt werdet. Noch etwas, es wird in Kürze eine Visite mit Professor Dr. Karl Neihus stattfinden und der Prof. hört sich sehr gerne reden, vielleicht könnt ihr, bei der Gelegenheit, einiges darüber erfahren, was mit euch geschehen ist, aber lasst es keinen wissen, dass ihr uns versteht.“

      Ich sehe wie Waldblume dankbar zu ihr rüber schaut und mit einer warmen Stimme zu ihr sagt:

       „Danke Natascha, ich darf Sie doch so nennen?“

      „Ja, natürlich, sehr gerne und tschüss bis bald.“ Mit diesen Worten und einem Lächeln, dreht sie sich um, stutzt, schaut noch einmal zu uns zurück und sagt mit einem noch wärmer werdenden Lächeln:

      „Ein Du wäre auch sehr gut angebracht.“ Mit diesen, leicht unsicher ausgesprochenen Worten, wendet sie sich wieder der Tür zu und eilt aus dem Zimmer.

       „Ich hoffe sie kann uns irgendwie helfen.“

       „Ja, das hoffe ich auch.“

      4 Der Jägerstammtisch

      Es ist die bürgerlichste und bekannteste Gaststätte in der ganzen Stadt. Ihr Name „Springender Hirsch“ und da ist es nicht verwunderlich, dass sich in ihren Räumlichkeiten ein Jägerstammtisch befindet. In einer Ecke des Schankraumes, in der Nähe des Tresens, steht ein großer, massiver, runder Tisch, „Eiche rustikal“. An den Wänden, auf einer beige Leinentapete, hängen Ölschinken mit Jagdszenen und ausgestopften Jagdtrophäen. Diese Trophäen, würden sicher noch viel lieber in der freien Natur umher streifen, als sich hier, im ausgestopften Zustand an einer Wand zu befinden und das nur teilweise, wie der imposante Kopf eines Keilers es demonstrativ dokumentiert.

      Um den Tisch herum sitzen 7 Honoratioren der Stadt. Der Herr Bürgermeister Dr. Günter Behrens, ein untersetzter, pausbäckiger Mann, mit einer rötlichen Hautfarbe, die von vielen, kleinen, bläulichen Äderchen durchzogen ist. Seine kleinen, listig blickenden Augen, huschen wieselflink von einem Tischnachbarn, zum nächsten. Seine dicke Hornbrille wird scheinbar allein von der Nase getragen und seine dicklichen Lippen, lassen von Zeit zu Zeit ein leises, schmatzendes Geräusch hören. Seine großen, abstehenden Ohren, ragen aus einem fast kahlköpfigen Schädel heraus. Sein Körper ist in einem weißen Oberhemd, mit einer lila Krawatte verziert und in einem anthrazitfarbenen Sakko gezwängt. Der Optiker Georg Fischer, ist wohl das absolute Gegenteil des Herrn Bürgermeister, er könnte Willhelm Busch als Schneider Böck, Modell gestanden haben und so bedarf es wohl keiner weiteren Beschreibung. Der Schulrektor des Heinrich Heine Gymnasium, Dr. Heinz Janssen, strahlt eine Gelassenheit aus und sein herablassender Blick verdeutlicht, dass er sich in diesem Kreis für den intelligentesten hält. Für Ihn ist der Herr Professor Dr. Karl Neihus kein Genie, sondern nur ein Fachidiot. Durch seine kalten, grauen Augen, den schmalen Lippen und der blonden Kurzhaarfrisur, wirkt die ganze Person sehr dominant. Der Polizeipräsident Marcel Pierer, ist eine imposante Erscheinung, mit den wohl breitesten Schultern in der ganzen Tischrunde. Alles an ihm wirkt grobknochig, seine Wangenknochen, sein Kinn, seine vorstehende Stirn und dies alles wird durch den starkwüchsigen, schwarz glänzenden Harrschopf und den buschigen Augenbrauen verstärkt. Die dunkelblaue Polizeiuniform rundet die ganze, befehlsgewohnte Persönlichkeit ab. Der Förster Eduard Grünwald, ist der sportliche Typ In dieser Runde. Seine braun getönte Haut, ist ein Indiz für häufigen Aufenthalt in der frischen, freien Luft. Seine hageren, aber gleichmäßigen Gesichtszüge, werden durch tiefe Falten zerfurcht, die seinem smarten, freundlichen Erscheinungsbild keinen Abbruch tun. Seine grünen Augen scheinen ständig zu lächeln. Sein Lodenjanker, erinnerte nur ansatzweiße an eine Jägeruniform, gibt seinem Auftreten aber eine elegante Note. Der Industrieunternehmer Stephan Bartels, ist ein hagerer, blassheutiger Typ, in einem teuren, Anthrazit Maßanzug, einem hellblauen Seidenhemd und einer silbergrauer, anthrazitstreifigen Seidenkrawatte. In seinem Gesicht dominiert die große Brille, mit ihrem robinroten Horngestell. Seine ergrauten Haare, werden mit Pomade flach an seinen Kopf angelegt. Seine blauen, stechenden Augen, in Verbindung mit seiner schmalen Nase, geben ihm ein adlerhaftes Aussehen. Der Professor Dr. Karl Neihus, ist bereits allen bekannt.

      Diese ehrenwerten Herren, treffen sich zweimal im Monat, einmal abends und einmal, so wie heute, mittags, zu einem ausgiebigen Mittagessen, mit anschließendem Plaudern und in dieser Phase befand sich jetzt die Runde. Der Bürgermeister lässt seinen Blick über jeden einzelnen streifen und fragt: „Was haltet