Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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      Solveig Kern

      Ferens Heimkehr

      Furuks Erbe Band 6

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1: Die Frau des Königs

       Kapitel 2: Ein Brettspiel

       Kapitel 3: Königlicher Sommer

       Kapitel 4: Im Palast

       Impressum neobooks

      Kapitel 1: Die Frau des Königs

      Mauro schaffte es gerade noch, vor den ersten Schneefällen den Wolkenpass zu überqueren. Hätte er länger gezögert, wäre die Passage unter hohen Schneewehen verschwunden gewesen. Nun ritten sie aus den nördlichen Hügeln auf die Hauptstadt zu. Aus dieser Perspektive sah Mandrilar noch viel bedrohlicher aus, als von der westlichen Seite. Je näher sie an die Stadt herankamen, desto einsilbiger wurde Mauro. Düstere Erinnerungen waren mit diesen Mauern verbunden. Weder bei seinem ersten Einzug nach dem Ithrynmaeth noch bei seiner Rückkehr nach dem gewonnenen Krieg gegen die Kojotim hatten die Bürger ihn willkommen geheißen. Mandrilar – das hieß für ihn Alpträume, Gestank und Verrat.

      Sigrun hatte seinen Stimmungswechsel wahrgenommen. Sie versuchte, sich selbst ein Bild von der Stadt zu machen. Aus der Ferne sah sie aus wie ein riesiges Gehirn. Das Gebilde schien zu pulsieren. Es schickte eine düstere Schwingung ins Land. Sigrun schauderte.

      Mauro bemerkte ihr Frösteln. „Wenig einladend.“

      „Eine Dämonenstadt“, erwiderte Sigrun.

      Mauro sah sie überrascht an. In der Tat hatte der graue Moloch etwas Dämonisches an sich. Mit geschlossenen Augen spürte er der Schwingung nach. Da war nichts Lichtes, Freundliches. Nur dumpfe Bedrohung. >Man sollte Mandrilar dem Erdboden gleich machen<, schoss ihm durch den Kopf. Zu Sigrun sagte er: „Fürchtet Euch nicht, Liebste. Wir bleiben nicht länger als nötig. Sobald die Luft lauer wird, ziehen wir nach Süden. Frühling in Alicando gehört zu den schönsten Dingen, die dieses Land zu bieten hat. Winter in Mandrilar hingegen zu den schrecklichsten.“

      „Ihr werdet Euch hier krönen lassen?“ fragte Sigrun.

      Mauro schüttelte den Kopf. Er hatte sich schon vor einiger Zeit dagegen entschieden. „Ich tat einen Schwur, dass ich die Krone erst annehme, wenn ich dem Heere den Sieg und dem Volk den Frieden gebracht habe. Der Sieg wurde mir letztes Jahr zuteil, doch den Frieden muss ich erst schaffen. Neylar ist nicht das einzige Lehen, das neu geordnet werden muss. Für andere vakante Provinzen habe ich keinen so überzeugenden Kandidaten wie Bertram. Ich muss gut überlegen, in wessen Hände ich Land und Leute gebe. Erst wenn all diese offenen Fragen geregelt, das Land bestellt und die erste Friedensernte eingefahren ist, will ich zur Krönung reiten. So habe ich es der Hohepriesterin gesagt. Sie hat meine Entscheidung akzeptiert.“

      Mauro erwähnte nicht, dass es mehrere Gründe gab, die Krönung hinauszuzögern: zum einen wollte er die zauberhafte junge Sigrun nicht gleich zu Beginn mit Königin Yerion konfrontieren. Mauro zweifelte keinen Moment daran, dass Yerion Sigrun die Herrin zeigen und ihre Unterwerfung einfordern würde. Er war noch zu sehr in Flitterwochenstimmung, als dass er Sigrun diese Demütigung zugemutet hätte. Zum anderen beschäftigte ihn die Frage, zu welchem Pakt der Dämon ihn damals verleiten wollte. Ehe er darauf keine Antwort fand, würde er die Maiyar-Krone nicht annehmen. Lieber trug er die Alicando-Krone seines Großvaters Xiron.

      Sie umrundeten die Stadt, um Sigrun den Einzug über die Prachtstraße zu ermöglichen. Vor dem Haupttor sammelten sie sich zum Einzug.

      Mauro ließ die Erinnerung an seinen letzten Besuch vor seinem geistigen Auge vorüberziehen. Die Rebellen hatten ihnen den Zugang verwehrt. Yerion hatte die Göttin beschworen und mit ihrer Hilfe das Öffnen der Tore erzwungen. In den Straßen und vor dem Palast wurde heftig gekämpft. Mauro erinnerte sich an den Gestank von Blut und Unrat. Beides floss im wolkenbruchartigen Regen die Straße entlang. Nun kehrte Mauro in seine Hauptstadt zurück. Würde es ein neuerliches Blutbad geben? Er mahnte seine Garde zur Wachsamkeit.

      Auch Sigrun war beklommen. Die Almanen lebten nicht in Städten. Die Festung Moringart war ihr schon groß und unübersichtlich erschienen. Mandrilar überstieg ihre kühnsten Vorstellungen. Das mehrstöckige Stadttor war so furchteinflössend, dass sie sich wie eine Zwergin vorkam. Da sollte sie hindurch reiten? Hier sollte sie als Frau des Königs leben und ihre Kinder großziehen? Sie fühlte sich mutlos und niedergedrückt.

      Auf Mauros Signal hin schwangen die riesigen Torflügel auf. Den Mechanismus betätigten mehrere Männer und Maulesel. Die Torwache trat zackig an und salutierte vor dem König. Mauro lenkte sein Pferd zur Seite und sprach mit dem Hauptmann. So erfuhr er, dass die im Dienst verbliebenen, gut ausgebildeten Stadtwächter drei der fünf Tore kontrollierten. Für die beiden kleineren Torposten hatte Alagos neue Leute eingestellt. Der Hauptmann ließ durchblicken, dass es sich um Fremdlinge aus anderen Provinzen handelte. Immerhin erfuhr Mauro, dass in der Stadt wieder Ruhe und Ordnung herrschten.

      Während Mauro sich mit dem Hauptmann der Torwache unterhielt, war Sigrun schon ein Stückchen voran geritten. Jetzt eilte er ihr nach und traute seinen Augen nicht: die Hauptstrasse war gesäumt von einer Menschenmenge, die Blumen streute und >Eraindi< (Königs-Frau) rief. Kinder waren zu Sigrun hingelaufen und reichten ihr Blumen. Die Gardisten wollten die Kinder abdrängen. Sigrun jedoch beugte sich hinunter und nahm mit freundlichen Worten die Blumen entgegen. Die Menge jubelte ihr zu. Auf dem ganzen Weg bis zum Schlosstor begleitete sie eine Welle der Begeisterung. Die bedrohlichen Hochhäuser und die düsteren Gassen nahm Sigrun in dem Trubel gar nicht wahr. Die Menschen von Mandrilar bereiteten ihr einen unvergesslich herzlichen Empfang.

      Mauros Tage in Mandrilar waren randvoll mit Aufgaben. Sie gingen ihm leicht von der Hand, denn am Abend wartete der schönste Lohn: seine junge Frau. „Wie kommt Ihr zurecht?“ wollte er von Sigrun wissen. Die erste Woche im Palast von Mandrilar lag bereits hinter ihr.

      „Ich weiß nicht recht, was ich mit meinen Tagen anfangen soll“, entgegnete Sigrun wahrheitsgemäß. „Hier gibt es keine Möglichkeit, auszureiten. Nirgendwo ein bisschen Grün. Pflichten habe ich keine. Alles, was getan werden muss, wird von anderen erledigt. Ich kann nur abwarten, bis Euer Tagwerk getan ist, Liebster. Dann bin ich gerne für Euch da.“

      „Ihr braucht Zerstreuung“, konstatierte Mauro. „Der Winter hat kaum begonnen. Es wird Wochen dauern, bis wir Mandrilar wieder verlassen. Nur herumzusitzen macht Euch trübsinnig. Ihr solltet Hofdamen haben, die Euch die Zeit vertreiben. Mir fällt bloß keine ein, die sich eignet.“

      Sigrun nickte betrübt: „Auch ich kenne niemanden, mit dem ich gerne beisammen wäre. Die Frauen von Alagos, Narghey, Goswin und Eryndîr geben sich große Mühe, doch sie sind wesentlich älter als ich. Rüdigers Käthe ist eine Nervensäge. Die jüngeren Mandrilaninnen scheinen sich vor mir zu verstecken. Selbst Tellia macht sich rar. Wir sind nie richtig vertraut miteinander geworden.“

      Mauro lachte bitter. „Vor mir haben die Mandrilanen auch ihre Töchter versteckt. Zu Beginn meinte ich, hier gäbe es überhaupt keine Frauen.“

      „Liebster, ich will mich nicht beklagen. Meine Gefährtin Ortrud ist mir eine wichtige Stütze. Ich bin froh, dass sie den Banditen entkommen ist.“

      Ortrud war nach dem Feuer am Mondteich mehrere Tage verschwunden. Sie erzählte