Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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aus ihrer Heimat nehmen. Deshalb duldete er Ortruds Anwesenheit, obwohl er ihr zutiefst misstraute. „Es ist nicht gut, wenn Ihr Euch von den Einheimischen abkapselt. Ich werde für die Gesellschaft gleichaltriger Damen sorgen. Wenn schon die Mandrilanen ihre Töchter unter Verschluss halten, holen wir eben Sommerländerinnen. Gleich morgen spreche ich mit Condir Uluk.“

      Kurze Zeit später traf Condir Uluk aus Alicando ein. Mit ihm kam ein ganzer Pulk von Sommerländerinnen in die Hauptstadt.

      Der Winter war die Zeit, wo Pläne geschmiedet und Politik gemacht wurde. Alle, die Rang und Namen hatten, wollten dabei mitmischen. Traditionell folgten die Gattinnen ihren Männern, sobald diese für längere Zeit an einem festen Ort stationiert waren. Das Leben eines Kriegers konnte kurz sein. Deshalb nutzten die Paare jede Gelegenheit für ein längeres Beisammensein. Die edlen Damen wurden von ihren Zofen und Mägden begleitet. Das brachte auch die einfachen Krieger zum Träumen.

      Uluk hatte unverheiratete Mädchen mitgebracht, die seine Gattin Choja als Hofdamen für geeignet hielt. Darunter waren seine eigene Tochter Ana und seine Nichte Ildigo. Er geleitete sie zu Sigrun.

      Die Eraindi longierte gerade den feurigen schneeweißen Hengst, den Mauro ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Sie konnte es kaum erwarten, mit dem prächtigen Tier ins Gelände zu reiten. Doch leider fand der König keine Zeit – und allein mit Ortrud ließ er sie nicht gehen. Nun hoffte sie auf die neuen Hofdamen, die sie eskortieren würden.

      Ortrud kam zu ihr gelaufen: „Sigrun, Deine Eskorte ist eingetroffen! Nimm Deine Untertanen in Empfang. Im Land, wo immer die Sonne scheint, ist es zum Ausreiten offenbar zu heiß. Die Mädchen hocken im Sattel, als wären sie Mehlsäcke!“ Mit diesen spöttischen Worten übernahm Ortrud von Sigrun die Zügel des Hengstes.

      Condir Uluk begrüßte die Eraindi mit ausgesuchter Höflichkeit. Er stellte ihr die jungen Damen vor. Der Gesichtsschnitt und die mandelförmigen Augen beider Mädchen deuteten darauf hin, dass zumindest ein Elternteil aus der östlichen Steppe stammte. Bei Ana war es die Mutter, die große Hexe Choja aus Yian Mah. Bei Ildigo ihr Vater Shakir, der bei der Garde diente. Ildigo war eine kühle Schönheit mit auffallend langem, schimmerndem schwarzem Haar. Ihr Gesicht war fein wie eine Elfenbeinschnitzerei, und ihre Kleidung unterstrich perfekt die makellosen Formen ihres jugendlichen Körpers. Man sah ihr an, dass sie gewohnt war, alle Blicke auf sich zu ziehen. Uluks Tochter Ana war eher der burschikose Typ. Während Ildigo wirkte, als wäre sie zu schön zum Atmen, steckte Ana voller Leben. Stets hatte sie ein Lachen im Gesicht und war zu allerlei Späßen aufgelegt. Die beiden Mädchen beugten tief das Knie vor ihrer künftigen Herrin.

      Sigrun hatte Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Sie sind jung…“ sagte sie zu Uluk.

      „Gerade frisch von der Zauberschule“, bestätigte der stolze Vater. „Beide haben mit ansehnlichem Erfolg abgeschnitten. Meine Tochter Ana interessiert sich für Wirtschaft und Politik – genau wie Ihr. Sie wird Euch gewiss eine angenehme Gesprächspartnerin sein.“

      „Und wofür interessiert sich Ildigo?“ Ortrud stand halb hinter dem Hengst verdeckt und sprach Almanisch, so dass die Sommerländer sie nicht verstanden. „Für Männer!“

      Sigrun musste ein Lachen verbeißen. Sie hieß die beiden jungen Damen in aller Form willkommen. „Könnt ihr reiten?“ wollte sie wissen.

      „Selbstverständlich!“ erwiderte Ana stolz. „Wir sind von Alicando bis hierher geritten!“

      Sigrun, die mit Pferden aufgewachsen war, hatte andere Vorstellungen von einer guten Reiterin. Die beiden wirkten auf sie, als könnten sie ein Pferd nicht von einem Maultier unterscheiden. Ildigo vermied jede unnötige Bewegung. Sigrun fragte scheinheilig: „Seid Ihr vom Pferd gefallen? Ihr macht den Eindruck, als hättet Ihr Schmerzen!“

      Ildigo bekam einen roten Kopf und rieb sich verstohlen den Ellbogen. Es gab keinen Knochen im Leib, der ihr nicht wehtat. „Ich muss gestehen, dass ich das Reiten noch üben muss. Es geht mit jedem Tag besser!“ versicherte sie mit einem Gesicht, das ihre Behauptung Lügen strafte.

      „Wenn sie so fleißig weiter übt, macht sie bald Kopfstände im Sattel!“ ätzte Ortrud aus dem Hintergrund.

      Sigrun dankte Uluk für seine Mühe und verabschiedete die Mädchen. Kaum waren die Sommerländer außer Sichtweite, fielen sich Sigrun und Ortrud lachend in die Arme: „Das sind zwei spezielle Grazien, die der gute Condir da anschleppt! Ich wette, die Übung dient bloß dazu, beiden möglichst schnell zu einem passablen Ehemann zu verhelfen!“

      „Ich fürchte, Du hast Recht. Im Alter dieser Mädchen hatte ich auch bloß Jungs im Kopf!“ Sigrun seufzte: „Das sind nicht die gleichaltrigen Gesprächspartnerinnen, die ich mir als Hofdamen gewünscht hätte.“

      „Immerhin können sie reiten!“ bemerkte Ortrud. „Das heißt im Klartext, sie haben es geschafft, mehrere Stunden aufrecht auf einem Pferderücken zu sitzen. Damit kommen sie ganz groß raus!“

      „Was soll ich tun, Ortrud?“ fragte Sigrun. „Soll ich sie zurückweisen? Solch kicherndes Jungvolk möchte ich wahrlich nicht den ganzen Tag um mich haben. Andererseits will ich den König nicht brüskieren. Er hat sich Mühe gegeben, mir Zerstreuung zu verschaffen. Gäbe es bessere Kandidatinnen, hätte er sie aufgeboten!“

      „Natürlich wirst Du die Mädels behalten!“ Ortrud war mehr als zufrieden mit Uluks Wahl. Diese jungen Dinger gefährdeten ihre Vormachtstellung nicht. „Was hast Du gegen kicherndes Jungvolk? Denke nur, wie viel Spaß wir beide haben, wenn die Jungs vor der Kammer der königlichen Hofdamen Schlange stehen. Vielleicht fällt auch für mich etwas ab!“

      „Du denkst immer nur an eines!“ Sigrun gab der Freundin einen wohlmeinenden Klaps. Lachend wandten sich beide wieder der Arbeit mit dem Pferd zu.

      „Wir könnten wetten, welche von beiden als erste verheiratet ist!“ schlug Ortrud nach einer Weile vor. „Ich tippe auf die kühle Ildigo.“

      „Bildschön, aber leblos wie ein Gemälde. Die quirlige Ana kommt gewiss besser an“, vermutete Sigrun.

      „Ildigo oder Ana. Wenn ich gewinne, gibst Du mir einen Beutel Goldstücke. Gewinnst Du, gebe ich Dir einen Kuss. Lass uns Spaß mit den Mädels haben. Schlag ein, Eraindi, die Wette gilt!“

      Wie früher in Orod Ithryn

      Im Kaminzimmer des Königs hatten sich die Würdenträger der Zaubergilde von Orod Ithryn versammelt. Zwei der anwesenden Herren kamen direkt aus Orod Ithryn. Hexenmeister Barad unterstützte Mauro nach Kräften. Längst hatte er erkannt, wie sehr der Zauberer auf dem Thron von Furukiya der Gemeinschaft förderlich war. Barad hatte einen Spezialisten mitgebracht, der an Mauros Energiemanagement arbeiten sollte.

      Ziel der Zusammenkunft war, verborgene Gefahren im Umfeld des Königs zu entdecken und eine Abwehrstrategie gegen Mauros Widersacher Barren zu finden. Mauros Schutz hatte für Orod Ithryn oberste Priorität.

      Es herrschte angespannte Konzentration. Mauro berichtete der Reihe nach über sämtliche Begegnungen zwischen ihm und Barren. Er versuchte, sich an möglichst viele Details zu erinnern. Die anderen halfen ihm mit Fragen und Ergänzungen.

      Zum wiederholten Male wetterte Goswin gegen Hanok: "Herr, Ihr dürft diesen Mann nicht länger in Eurer Nähe dulden. Ihr könnt nicht abschätzen, was Barren in seinem Kopf angerichtet hat."

      Mauro verteidigte seine Entscheidung: "Ich habe Hanoks Barrieren sofort nach seiner Befreiung überprüft. Sie waren intakt."

      "Trotzdem könnt Ihr nicht wissen, ob Barren einen Anker gesetzt hat, den er später aktiviert. Konnte er damit rechnen, dass ihr Hanok am Leben lasst? Dann hat er ihn gewiss als Waffe präpariert“, mahnte Goswin.

      Mauro dachte nach: „Ich halte das für unwahrscheinlich. Gemäß den Gepflogenheiten dieses Landes dürfte Barren nicht viele Gedanken an Hanoks Überleben verschwendet haben. Wäre ich nur einen Tag später aufgetaucht, hätte er ihn mir tot übergeben."

      "Wahrscheinlich