Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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Familienähnlichkeit bestehen.

      Mauro sah hinüber zu dem jungen Alicando, dessen Hals mittlerweile dick angeschwollen war. Er röchelte erbärmlich. „Wird er sterben?“ fragte er Feren.

      Feren zuckte die Schultern: „Ich habe kein Gift verwendet. Nur einen Fluch.“

      „Aha. Einen Fluch. Nur. Bring das in Ordnung“, verlangte Mauro.

      Feren ging zu dem Jungen hin und legte ihm die Hand auf die Wunde. Mauro beobachtete, wie er sich erdete und die Fremdenergie in den Boden abfließen ließ. Feren bewegte sich ebenso knapp und präzise, wie er zu sprechen pflegte. Dieser Minimalismus ermöglichte seine enorme Geschwindigkeit.

      Bald ging es den Jungen besser. Mauro blickte wohlwollend auf Feren: „Es ist gut, dass Du zu mir gekommen bist. Ab sofort stehst Du unter meinem Schutz. Wie früher in Orod Ithryn. Halte Dich künftig an die da, das sind die Netten.“ Mauro wies auf seine jungen Ithryn, die rund um ihn standen. „Du bleibst bei Ingram, doch Du giltst ab sofort als Ithryn des Königs. Auf Lebenszeit, mit allen Rechten und Pflichten, wie Sedh und Liu. Ab jetzt bist Du unantastbar. Zweikämpfe bedürfen der Genehmigung. Wenn sie stattfinden, dann unter regulären Wettkampfbedingungen. Die Ithryn müssen Vorbilder sein. Prügeleien in der Stallgasse will ich nie wieder sehen. Klar?“

      Feren nickte.

      Mauro legte ihm die Hand auf die Schulter: „Komm mit. Wir schauen uns die Gesellenprüfung der Nachwuchszauberer an.“

      Feren ging an Mauros Seite hinüber zum Hauptgebäude. Er war erleichtert. Die Entscheidung, zum König zu gehen, war richtig gewesen. In Mauros Schatten fühlte er sich wohl. Wie früher in Orod Ithryn.

      Im großen Saal hatte man schon auf den König gewartet. Barad, der Altmeister von Orod Ithryn, kam ihm sogleich entgegen. Mauro stellte Feren vor: „Das ist der junge Mann, der mich meinen Abschluss in Orod Ithryn gekostet hat. Ich übernahm die Verantwortung für seinen schwarzmagischen Übergriff auf einen Mitschüler und wurde von der Schule gewiesen.“

      Feren sah Mauro überrascht an. Er hatte davon nichts gewusst.

      Barad schüttelte Ferens Hand. „Ich bin froh, dass Ihr hier seid, Feren. Einen wie Euch hat man besser neben als gegen sich!“ Er warf einen Blick auf Ferens Zauberzeichen.

      Mauro folgte Barads Blick: „Feren ist so gut geworden, wie Ihr es vorhergesehen habt. Grenzüberschreitungen und schwarzmagische Praktiken honoriert der Wolf von Orod Ithryn nicht. Wir sprachen kürzlich darüber. Eure ethischen Anforderungen lassen einen Schwarzmagier wie einen Anfänger aussehen. Großmeister Barren wäre nach Eurer Lesart wahrscheinlich ein Geselle niedrigen Ranges. Der Eispalast ist da nicht so zimperlich.“

      Barad widersprach. Er erkannte ebenso wie Narghey, dass Ferens Entwicklung blockiert war, weil er sich einem wichtigen Lernschritt verweigerte.

      Gildemeister Malfarin kam dazu und berichtete über den Stand der Prüfungen: „Die Masse derer, die mit Mühe die Gesellenprüfung schaffen, wollten wir Euch ersparen. Jetzt kommt die Abschlussprüfung im Kombat-Zaubern, zu der nur die wirklich talentierten Nachwuchszauberer antreten. Jeder von denen hat das Zeug zum Meister.“

      „Es sind diesmal besonders viele“, erläuterte Hohepriester Keor, der die Oberhoheit über die Schule hatte. „Im letzten Frühjahr gab es keine Abschlussprüfung. Wir behielten die Jungs ein Jahr länger. Dadurch konnten wir sie auf Eure Anforderungen besser vorbereiten. Nun prüfen wir zwei Jahrgänge auf einmal.“

      „Wir haben auch Mädchen in der Endauswahl – falls Fräulein Jorid Verstärkung braucht.“ Barad zwinkerte Jorid zu, doch sie stellte sich taub.

      Mauro hingegen fand die Idee interessant: „Ich hätte gerne Kombat-Zauberinnen als persönliche Eskorte für meine Gattin. Achtet darauf, dass die Mädels gut reiten können. Die Eraindi möchte gerne das Umland erkunden“

      Barad ging im Geiste die einzelnen Bewerberinnen durch. „Ein halbes Dutzend kann ich sofort aufbieten. Für mehr müssen wir den nächsten Jahrgang abwarten!“

      Mauro war einverstanden: „Ich nehme das halbe Dutzend. Danke.“

      „Hauptmann Rüdiger, für Euch haben wir nach speziellen Talenten gespürt. Mittlerweile habe ich begriffen, was die Ithryn des Königs können müssen. Wir haben den Ausbildungsplan angepasst. Seht Euch die beiden an.“ Malfarin deutete auf zwei junge Männer: „Die sind wie für Euch geschnitzt. Modus Beobachten, ein Gedächtnis wie ein Elephant und herausragende kombinatorische Fähigkeiten. Sie sind fit in Rhetorik und Fragetechnik, Heeres- und Landeskunde sowie sämtlichen Verhörmethoden. Sie können sich unsichtbar machen und über imaginierte Brücken gehen. Auch in Telepathie und Gedankenspionage haben wir sie unterwiesen. Die könnt Ihr sofort einsetzen.“

      Rüdiger schaute verdutzt. Malfarins Worte klangen befremdlich an. Im Grunde hatte er die Anforderungen jedoch treffend beschrieben.

      „Die beiden sehen nicht wie große Krieger aus“, bemerkte Ingram. „Der eine bewegt sich träge wie ein Bär. Der andere ist so hibbelig, dass man vom Zusehen schwindlig wird. Beim Reden schneidet er Grimassen. Kann mir nicht vorstellen, dass die im Kampf viel taugen.“

      „Das sind keine Kombat-Zauberer“, bestätigte Malfarin. „Ihre Fähigkeiten sitzen im Kopf. Die beiden memorieren Euch eine komplette Konferenz.“

      „Nicht uninteressant“, überlegte Rüdiger.

      „Übernehmt sie, wenn Ihr wollt“, schlug Mauro Rüdiger vor. „Das Privileg >Ithryn des Königs< vergebe ich allerdings nur noch an ausgewählte Leute, wie heute an Feren. Die Neuen gehören formell meiner Garde an. Ihr könnt sie austauschen, falls ihr bessere findet.“

      „Über die beiden seltsamen Figuren wird Bodir sich gewiss freuen!“ spottete Ingram.

      „Ich nehme sie“, entschied Rüdiger und wandte sich wieder den Prüfungen zu.

      Mauro war überwältigt von Zahl und Qualität der Prüflinge. Das große Furukiya offenbarte ihm endlich seine personellen Ressourcen. In Ostgilgart hatte er nach ihnen gefahndet, mit mäßiger Ausbeute. Stattdessen saßen sie in Mandrilar auf der Schule und warteten auf seinen Ruf. Jeder einzelne, der da unten sein Bestes gab, war sofort einsetzbar. Traurig stimmte ihn bloß, wie wenige von ihnen zehn Jahre später noch am Leben sein würden. Vielleicht hatte diese Generation ja bessere Chancen.

      „Wir haben uns über jeden einzelnen dieser jungen Männer Gedanken gemacht. Sie sind schließlich die Zukunft des Landes“, erläuterte Malfarin. „Etwa ein Viertel von ihnen sind Alicandos. Als Clanchef seid Ihr für ihre Unterbringung verantwortlich. Narghey kümmert sich bereits darum.“ Malfarin war glücklich über die Fügung, dass sein Schwager Narghey die Clan-Angelegenheiten für den König versah. Das stärkte seinen eigenen Einfluss.

      Mauro sah zu Narghey hinüber. Serghey stand gerade bei ihm und berichtete mit roten Ohren über den Vorfall von vorhin. Narghey schickte sich an, sofort zum König zu eilen, doch Mauro bedeutete ihm >jetzt nicht<. Seine Wut war längst verraucht. Serghey war kein übler Bursche. Mauro hatte seinerzeit selbst keine Gelegenheit für einen Zweikampf ungenutzt gelassen. Mit Feren hatte der Alicando allerdings den Falschen erwischt. Zum Glück konnte Mauro das Schlimmste verhindern. Er würde es mit einer Ermahnung bewenden lassen.

      Hohepriester Keor war besorgt um die Zukunft der jungen Zauberer: „Früher erhielten die Jahrgangsbesten automatisch einen Ruf zu König Curons Garde. Wie wird das gehen, nachdem Ihr Auswahl und Ausstattung der Gardisten in die Hände der Fürsten gelegt habt?“

      Malfarin sah kein Problem: „Jeder Fürst ist interessiert, die talentierten Leute beim König unterzubringen. Wir stehen untereinander im Wettbewerb. Die Fluktuation ist groß genug, dass wir die Jahrgangsbesten nachschieben können.“

      Mauro nickte. Interessiert verfolgte er die Darbietungen der angehenden Kombat-Zauberer.

      „Welche würdet Ihr nehmen?“ wollte Barad wissen.

      Mauro zeigte ihm zwei.