Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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in der Tat langweilig, wenn man sie nicht verteidigen muss.“ Er machte eine längere Pause. Wie sollte er sie am besten fragen? Schließlich entschied er, direkt zum Punkt zu kommen: „Unser Trupp wurde aufgelöst. Ich weiß nicht, wohin… Braucht der König noch einen Kombat-Zauberer?“

      Jorid sah Feren ernst an: „Ich habe von der Truppenauflösung gehört. Es fällt mir schwer zu begreifen, dass Pado seinen besten Mann im Regen stehen lässt!“

      Feren bemühte sich, die Unterhaltung an der Oberfläche zu halten: „Pado hat jetzt andere Aufgaben.“

      „Das rechtfertigt sein Verhalten nicht. Ich will sehen, was ich tun kann.“ Für Jorid stand es außer Frage, dass sie Feren helfen würde. Nicht nur, weil er ihr in Gralta das Leben gerettet hatte. Er war in ihren Augen der Beste. Sein Können als Zauberer hatte sie ebenso beeindruckt wie sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Leuten. „Die Ithryn des Königs rekrutieren nicht. Uns wählt der König persönlich. Das muss man sich verdienen.“ Sie sagte das nicht ohne Stolz. Sie hatte es sich verdient. „Doch Ingram, der Kommandant der Kethischen Garde, wünscht sich einen eigenen Kombat-Zauberer. Er hat keinen mehr, seit Liu nach Passar geschickt wurde. Ihm könnte ich Euch vorstellen.“

      Feren wusste, wer Liu war. Den vermochte er leicht zu ersetzen. Doch ein Punkt war noch zu klären. „Wer ist Ingrams Vorgesetzter?“ fragte Feren.

      „Früher war das Hagen von Landskron“ sagte Jorid mit einem Hauch von Bedauern. „Seit seinem Tod kümmert sich der König selbst um uns. Pado hätte ihm diese Aufgabe nur zu gerne abgenommen, doch es hat nicht funktioniert. Er hat nicht begriffen, was wir eigentlich tun. Der Dummkopf wollte Kombat-Zauberer aus uns machen! Shui ist immer noch sauer auf ihn. Jetzt betreut uns der Halbelfe Eryndîr – ein umgänglicher Typ.“

      Feren atmete auf. Er kannte Eryndîr nicht, doch jeder andere als Hanok sollte ihm Recht sein. „Würdet Ihr mich Hauptmann Ingram empfehlen?“

      „Kommt am besten gleich mit!“

      Ingram war angetan von der Aussicht, einen erfahrenen Kombat-Zauberer für seine Truppe zu bekommen. Er zögerte nicht lange, Feren eine Chance zu geben.

      Jeder Neue musste sich einer Prozedur unterziehen, die sie liebevoll „Gesinnungsprüfung“ nannten. Es war eine ziemlich ruppige Form der Befragung. Sie sollte verhindern, dass der Anwärter Gesinnungen verbarg, die den König gefährden konnten. Nur wenn es keinerlei Bedenken gegen seine Treue gab, durfte er seinen Dienst antreten.

      Shui nahm sich Feren selbst vor. Rüdiger, dem diese Aufgabe normalerweise zugefallen wäre, wurde nebenan im großen Festsaal feierlich in die Gilde von Orod Ithryn aufgenommen. Er erlebte soeben eine freudige Überraschung: kaum war der stilisierte Wolfskopf auf seinem Oberarm angebracht, veränderte sich das Zauberzeichen so lange, bis es den ersten Meistergrad anzeigte.

      Feren hatte nicht die Absicht, Shui etwas zu verschweigen. Akribisch ging er durch die Stationen seines Lebens, zu denen auch die Schlacht der steinernen Särge gehörte. Er sprach offen über seine Fehde mit Hanok und bestand darauf, diesem keinesfalls unterstellt zu werden. Seine Netzwerkaktivitäten kamen nur ganz am Rande zur Sprache. Feren vermochte Shui unterschwellig zu überzeugen, dass dieses Thema nicht von Interesse war. Problemlos erhielt er seine Freigabe.

      Ingram versprach Feren, schnellstmöglich des Königs Einverständnis einzuholen. Bis dahin konnte er schon einmal in die Truppenunterkunft einziehen. Was sollte der König dagegen haben, einen weiteren von Pados Kombat-Zauberern in seine Dienste zu nehmen?

      Feren betrat das ihm zugewiesene Quartier, grüßte knapp und rollte seine Decke aus. Die anwesenden Kethen beäugten ihn misstrauisch. Sie hatten zu viel Respekt vor dem Zauberer, um sich mit ihm anzulegen. Feren setzte sich mit dem Rücken an die warme Kaminwand und nahm seine typische Stellung ein: Beine abgewinkelt und weit gespreizt, Arme locker und scheinbar absichtslos darüber gelegt, Augen halb geschlossen. Die Kethen wären erstaunt gewesen, wie schnell er aus dieser absurden Position angreifen konnte. Seine Kameraden nannten ihn nicht umsonst „die Katze“. Eben noch träge am Ofen dösend, dann aus dem Nichts ein tödlicher Sprung. Dafür war Feren bekannt.

      Doch alles blieb ruhig. Feren nutzte die Zeit, um Sedh telepathisch einen Besuch abzustatten.

      Sedh lachte Tränen, als er hörte, wo Feren sich gerade befand. Doch es waren Tränen der Verzweiflung. „Der König hatte vollkommen Recht. Der Kampf des Netzwerks war längst gewonnen. Ich habe es nicht begriffen und weitergekämpft. Dadurch verspielte ich sein Vertrauen und endete in diesem zweifellos sehr komfortablen Exil. Aus der Ferne sehe ich zu, wie einer nach dem anderen bei ihm auftaucht. Es wäre meine Aufgabe gewesen, alle Netzwerk-Kameraden gleich zu Beginn zum König zu bringen. Mit Empfehlung, als die beste Truppe, die er haben kann. Ich habe geschwiegen, um euch zu schützen. Heute frage ich mich, wovor?“

      „Du wusstest nicht, wem Du dienst…“ sagte Feren.

      „Doch, ich habe es gewusst: Gal Dúath, dem Sohn von Licht und Schatten. Doch ich sah nur den Schatten, wo auch viel Licht gewesen ist. Der König hat vor einem Jahr nach Dir gefragt. Wäre ich damals schon so schlau gewesen, ich hätte dafür gesorgt, dass man Dir den roten Teppich ausrollt. Jetzt musstest Du Dich durch die Hintertür einschleichen und für diesen engstirnigen Kethen Ingram arbeiten. Feren, verzeih mir!“

      Feren wischte Sedhs Entschuldigung beiseite. Vielleicht war es gut so, dass er sich erst aus der Distanz ein Bild machen konnte. Was ihn viel mehr bewegte, war das Fehlen eines Großmeisters für seine eigene Weiterentwicklung.

      Sedh konnte seine Bedenken nicht zerstreuen: „Was Du gesehen hast, sind alle. Balkir von Xalmeida ist im Ruhestand. Mehr gibt es nicht.“

      Feren wollte das nicht glauben: „Wo sind die anderen?“

      „Welche anderen?“ fragte Sedh. „Alagos, Uluk, Narghey und Shigat, ja selbst Pado - die haben uns nicht so viel voraus, dass wir in Ehrfurcht erstarren müssten.“ Er zählte weitere Namen auf, die längst unter der Erde lagen. „Die Großen sind alle tot. Allein seit der Wintersonnenwende fielen Hagen von Landskron, Torrens Sohn Warden und Beor von Malfar.“

      Die Nachricht von Beors Tod überraschte Feren. Beor war der Pate seines gleichnamigen Sohnes.

      Sedh fuhr fort: „Es hilft nichts, Feren. Wir sind mittlerweile die Alten! Heute hast Du meinen Großneffen Shui kennen gelernt. Er macht einen großartigen Job. Zehn Jahre ist er jünger als ich. Zehn Jahre sind eine Ewigkeit! Feren, wir sind die Etablierten, die die Welt gestalten. Wir haben heute die Macht, Dinge zu ändern. Unsere Fehler sind es, für die die Jungen uns dereinst zur Rechenschaft ziehen werden. Hier in Angport habe ich das Sagen und schaue mir selbst beim Fehlermachen zu. Ich verstehe den König heute besser als je zuvor. Es ist nicht einfach, immer die richtige Entscheidung zu treffen.“

      Feren rief sich die Bilder des heutigen Tages zurück ins Gedächtnis. Die Ithryn des Königs. Junge Leute um die zwanzig. Eine neue Generation. War er wirklich schon der Alte, von dem Shui lernen konnte? Er fühlte sich nicht danach.

      Sedh erzählte: „Ich hatte letzte Woche ein längeres Gespräch mit Patron Greven. Es gab ein paar Dinge, die ich für mich geklärt haben wollte…. Er erzählte mir, dass er schwer krank war. Er rechnete mit seinem Tode, doch seine Zeit war noch nicht abgelaufen. Als Hanok Amrun besetzte, floh er nach Tolego. Dort traf er auf die richtige Heilerin, die das Problem erkannte. Sie schickte ihn durch alle sieben Tore der Unterwelt. Und zurück. Es war eine furchtbare Zeit. Doch er wurde gesund. Eine Weile wird er noch brauchen, um die Erkenntnisse der Reise zu verdauen. Schon jetzt weiß er, dass nichts mehr ist wie davor.“

      „Soll ich ihn bedauern?“ fragte Feren kalt.

      „Nein. Er ist stärker geworden, weiser und mächtiger. Die zerstörerischen Kämpfe des Netzwerkes liegen hinter ihm. Er ist bereit, etwas Neues aufzubauen. Etwas, das wachsen kann….“

      Feren verstand nicht, was der andere ihm damit sagen wollte.

      Sedh wurde präziser: „Auch Du sollst nicht länger in der Vergangenheit festhängen. Furin ist tot. Du lebst. Finde