Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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der schwarzen und der weißen Zauberer. Mauro bot an, sein mittlerweile recht umfangreiches Wissen über Barrens Labyrinth der 1000 Schrecken zu teilen. Im Austausch hoffte er, die noch fehlenden Mosaiksteinchen zu erhalten.

      Gastgeber war die schwarze Gilde von Orod Ithryn. Die großen Meister der Furukim waren allesamt vertreten.

      Bei den weißen Zauberern galt die Einladung vor allem den Meistern der Caladrim. Dem Bund der Lichtbringer gehörte Mauro seit Ostgilgart an. Heute teilte er sein Wissen vorbehaltlos mit allen Zaubergilden, die unter Barrens Grausamkeiten gelitten hatten. Dadurch fühlten sich jene bestätigt, die damals für seine Aufnahme in die Gemeinschaft der Caladrim gestimmt hatten.

      Die Altmeister materialisierten sich der Reihe nach im großen Versammlungssaal des Schlosses. Fürst Torren erschien erstmalig persönlich im Palast von Mandrilar. Er hielt es für unverzichtbar, sich als ranghöchster Zauberer von Furukiya in diesem Kreis sehen zu lassen. Schließlich war das Labyrinth, um das es heute gehen sollte, zum Teil seine Schöpfung.

      Mauro hatte inzwischen keine Mühe mehr, auf den mächtigen Zauberer zuzugehen. Er begrüßte ihn freundlich und sagte ihm ein Vier-Augen-Gespräch zu.

      König Kelros von Aglar war gekommen. Mauro hieß ihn herzlich willkommen. Noch größer war die Freude, als bald darauf Schlobart eintraf.

      Die jüngeren Großmeister, die ihren Körper noch nicht mit durch den Äther nehmen konnten, nahmen mit ihrem Astralleib an der Zusammenkunft teil. Einer von ihnen war Iarwains Sohn Neldor.

      Die anderen weilten schon länger in Mandrilar: Hohepriesterin Suza, Hohepriester Keor, die Herren aus Orod Ithryn und natürlich Gildemeister Malfarin. Hanok war anwesend, weil er das Labyrinth kannte. Yvo, Jago, Lucca und Shui postierten sich an den Seiten des Raumes. Ihre Aufgabe war, die Teilnehmer zu beobachten und die Inhalte der Konferenz zu memorieren.

      Hohepriesterin Suza nahm Yerions protokollarische Aufgaben wahr. Die Königin der alten Völker hatte wegen ihrer Schwangerschaft abgesagt. Das Kind war in dem denkwürdigen Fruchtbarkeitsritual gezeugt worden, als der Feuergott der Erdgöttin beiwohnte. Weil das als besonders gutes Omen galt, durfte Yerion kein Risiko eingehen.

      Mauro fasste die Erkenntnisse zusammen: „Barrens Schrecken lassen sich auf eine begrenzte Zahl von Grundmustern reduzieren. Sobald man eine Hauptgestalt aufgelöst hat, verlieren alle anderen aus dem gleichen Muster ihre Macht. Dieses Wissen allein hilft wenig. Sie entwickeln immer neue Erscheinungsformen, die wir nicht auf Anhieb zuordnen können. Deshalb brauchen wir ihre Namen. Spricht man ein Geistwesen mit seinem richtigen Namen an, muss es gehorchen.“

      Fürst Torren runzelte die Stirn: „Das klingt plausibel. Dennoch kann ich euch nicht helfen. Ich habe am Labyrinth mitgebaut, aber die Anzahl der Grundmuster kenne ich nicht. Und dann erst die Namen…“

      „Vielleicht kennt nicht einmal Barren den Bauplan des Labyrinths?“ Diesen Verdacht hegte Mauro seit längerem. Er hatte einige der Figuren gegen ihren Meister gekehrt. Barren war ihren Schrecken ebenso hilflos ausgeliefert wie alle anderen.

      „Das würde bedeuten, dass Barren und Torren intuitiv eine Quelle uralten Wissens angezapft haben. Bewusst besitzen sie keinen Zugang dazu. Wir müssen uns durch die Bibliotheken der alten Völker wühlen. Gewiss gibt es Aufzeichnungen...“ Meister Neldor war Spezialist für solche Recherchen. Allerdings war zu befürchten, dass sie auf die Ergebnisse ein halbes Jahrhundert warten mussten.

      „Es gibt Aufzeichnungen. Ich habe in einer Vision ein Buch gesehen. Es stand in einer riesigen Bibliothek. Das Buch erkenne ich wieder, doch wo ist die Bibliothek?“

      „Handelt es sich um die versunkene Bibliothek von Mandrilar?“ Fürst Torren war erstaunt. „Es gab Gerüchte, dass sie noch existiert. Barren und ich haben den Palast jahrelang durchsucht. Vielleicht gelingt es Euch….“

      Schlobart war nicht bereit, so lange zu warten: „Eine jahrelange Suche bringt uns nicht weiter. Es muss einen anderen Weg geben.“

      „Hat jemand eine spontane Eingebung? Sprecht sie aus!“

      Hohepriesterin Suza rief aufgeregt: „Die Zahl sieben. Es gibt sieben Grundenergien, aus denen die Schöpfung gewoben ist.“

      Barad war überrascht: „Auf den sieben Grundenergien basieren unsere Zaubertechniken. Könnten auch die 1000 Schrecken aus diesen Uressenzen gewoben sein?“

      Fürst Torren überlegte: „Möglich wäre es.“

      „Möglich?“ Suza geriet in Fahrt. „Alle energetischen Gebilde bestehen aus den sieben Urenergien. Ein Systembruch ist nicht denkbar. Ihr rüttelt an den Grundfesten unseres Weltbildes!“

      König Mauro dachte zu Ende, was hier im Raum stand: „Wenn die 1000 Schrecken energetische Gebilde sind, die sich auf sieben Grundmuster reduzieren, und diese Grundmuster den Urenergien entsprechen, dann haben wir es hier mit den sieben Urängsten zu tun. Der Formenreichtum in Barrens Labyrinth basiert auf ihren Kombinationen und Abwandlungen.“

      Im Raum wurde es still. Jeder reflektierte Mauros Worte für sich. Schließlich wiederholte Barad langsam: „Alles, was uns im Leben Furcht einflößt, basiert auf den sieben Urängsten. Das Labyrinth ist aus dieser Substanz gewoben.“

      Torren bekräftigte: „Sieben mal sieben Kombinationsmöglichkeiten – mehr gibt es nicht.“

      „In Barrens variantenreicher Bilderwelt sehen sie bloß nach mehr aus“, bestätigte Mauro.

      Gildemeister Malfarin faltete die Hände vor dem Gesicht: "So einfach ist das! Mit diesem Wissen hätten wir viele wackere Männer retten können. Mein Vater war eines der Opfer. Erschöpft von den Kämpfen gegen Barrens Geister starb er eines frühen Todes."

      König Kelros seufzte: "Wackere Männer haben im Labyrinth den Verstand verloren. Selbst die, die rausgekommen sind, litten bis an ihr Lebensende Höllenqualen"

      Hanok wusste, wovon sie sprachen. Er selbst war in Barrens Labyrinth gefoltert worden. Bloß zuzuhören, wenn die anderen darüber redeten, war für ihn unerträglich. Kalter Schweiß lief über seinen Rücken hinunter. Immer wieder fokussierte er seine Augen. Er musste sich versichern, dass er nicht mit einem derben Sack über den Kopf vor Barren kniete. Sobald er die Augen schloss, fielen die Gespenster über ihn her.

      "Wir Zauberer wissen mit Ängsten umzugehen. Schattenarbeit ist unser tägliches Brot.“ Zumindest für Mauro traf das zu.

      Hohepriesterin Suza wollte das nicht gelten lassen: „Nach meiner Kenntnis habt ihr Zauberer mehr Erfahrung mit dem Kreieren von Ängsten als mit deren Heilung. Wie ich höre, setzt Ihr Euer Wissen inzwischen als Waffe ein."

      Mauro ging nicht auf Suzas Kommentar ein. Er wollte nicht vor allen bekennen, dass sie Recht hatte. "Die Experten im Heilen von Ängsten sind die Hochelfen. Sie haben mich dereinst an ihrem Wissen teilhaben lassen. Vielleicht helfen sie uns, Leitlinien der Heilung zu erstellen."

      Suza protestierte: "Diese Kunst sollte den Tempeln vorbehalten bleiben. Selbstverständlich stehen wir allen Menschen zur Seite, die Heilung brauchen. Das ist unser göttlicher Auftrag. Dieses brisante Wissen darf nicht in die falschen Hände geraten. Ihr habt erlebt, welchen Unfug man damit anstellen kann.“

      "Lasst uns das Wissen erst in Händen haben, ehe wir es zu hüten beginnen.“ Barad kannte Suzas Empfindlichkeit.

      "Bisher waren die Hochelfen nicht gerade kooperativ. Königin Galbereth teilt ihr hehres Wissen nicht mit jedermann", sagte Suza spitz. Das Verhältnis zwischen beiden Damen war nicht gerade herzlich.

      Natürlich hatte Elfenkönigin Galbereth die Konferenz verfolgt. Sie war als Ringträgerin selbst ein Mitglied der Caladrim. Jetzt hielt sie die Zeit für gekommen, sich im Kreise der Anwesenden zu zeigen.

      Galbereths Auftritte waren atemberaubend (möglicherweise der Hauptgrund, weshalb Suza sie nicht ausstehen konnte). Jeder der anwesenden Männer hätte geschworen, nie eine schönere Frau gesehen zu haben. Ein Strahlen begleitete die Elfenkönigin, dessen Quelle in ihrem Innersten zu sitzen schien. Sie ging