Solveig Kern

Ferens Heimkehr


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Stütze sein. Ich bin optimistisch, dass ich ihn angemessen auf seine Aufgabe als Jäger vorbereiten kann.“

      „Welche Aufgaben hat ein Jäger?“

      „Er steht Euch im Kampf gegen den Dämon zur Seite. Doch er ist gleichzeitig ein Risiko: fällt er, reißt er Euch mit.“

      „Wie Barren seinen Bruder Curon?“

      „Genau so. Barren und ich waren König Curons Jäger. Als Barren die Seite wechselte, konnte auch Curon nicht mehr bestehen. Sein Kampf war verloren, noch ehe er richtig begonnen hatte.“

      „Erzählt mir mehr darüber.“

      „Ein andermal. Im Moment müsst Ihr nicht mehr wissen, als Ihr ohnedies schon erfahren habt. Ihr wart bei Val d’Ossar und König Kelros. Ihr habt mit Hohepriesterin Suza gesprochen. Jetzt erst kommt Ihr zu mir. Was soll ich davon halten?“

      „Dass ich Euch nicht über den Weg traue“, bekannte Mauro unumwunden.

      „Eben. Vertrauen kann man nicht erzwingen. Immerhin habt Ihr heute einen ersten Schritt gemacht. Weitere werden folgen. Ich stehe zu Eurer Verfügung.“

      „Ich danke Euch, Altmeister Torren. Auch dafür, dass Ihr heute hierhergekommen seid.“

      „Es war spannend. Die Frage nach der Systematik hatte ich mir nie gestellt. Heute konnte ich erkennen, wie hilfreich sie ist. Und ich habe die zauberhafte Königin Galbereth gesehen. Selbst für meine alten Augen ist das ein Vergnügen!“ Für kurze Zeit lag ein fast verklärtes Lächeln auf Torrens Gesicht. Dann wurde er schlagartig ernst und fragte Mauro: „Wie weit seid Ihr in der Entscheidung wegen der Lehen?“

      Diesmal war Mauro auf die Frage vorbereitet: „Mit Euch würde ich mir rasch handelseinig, doch ich bin unsicher, wer gerade in Tolego das Sagen hat. Wie mir scheint, tobt ein Machtkampf zwischen Eurem Sohn Vreden und Eurem Enkel Nôrden. Der Ausgang ist für mich nicht absehbar.“

      Torren nahm sich mit der Antwort Zeit. Mauros unumwundene Art, auf den Punkt zu kommen, brachte ihn aus dem Konzept. Schließlich fragte er: „Wie würde Euer Angebot aussehen, wenn Ihr es nur mit mir zu tun hättet?“

      Die Antwort fiel Mauro nicht schwer: „Ich würde Burg Amrun an Yvo geben. Er braucht früher oder später eine eigene Burg. Welche der Burgen, über die ich noch verfügen kann, ich Euch als Ersatz anbiete, bin ich mir noch nicht schlüssig. Vielleicht Passar.“

      Torren hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Wollte der König den Tolegos zwei Burgen anbieten? Längst betrachtete Torren Yvo als Angehörigen seines Clans. „Was hindert Euch daran, uns diese Lösung vorzuschlagen?“ fragte er vorsichtig.

      Mauros Antwort ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Solange Nôrden mir den gebührenden Respekt vorenthält, kann Tolego nicht mit meiner Großzügigkeit rechnen.“

      Fürst Torren verhielt sich, als wüsste er nichts über das gespannte Verhältnis zwischen Mauro und Nôrden: „Eure Worte höre ich mit Besorgnis. Was hat mein Enkel falsch gemacht?“

      Mauro berichtete über ein paar Situationen, bei denen er sich über Nôrdens Verhalten geärgert hatte.

      Fürst Torren hörte schweigend zu. Nichts an seiner Haltung ließ erkennen, wie er zu der Sache stand. In seinem Kopf jedoch arbeitete es. Er wusste genau, was los war: Nôrden hatte keinerlei Respekt vor dem Sohn seines früheren Herrn Curon. Seine Geringschätzung vermochte er nicht zu verbergen. Mauro, der nur wenige Jahre älter war als der Tolego, schätzte diesen ebenso gering. Er duldete ihn, solang seines Großvaters Macht ihn schützte. War das nicht mehr der Fall, würde Mauro den ersten sich bietenden Vorwand nutzen, um Nôrden wie eine lästige Gewandlaus zu zerquetschen. Konnte er ihm gar Hochverrat anhängen, fiel der gesamte Clan mit ihm. Fürst Torren sah vor seinem geistigen Auge Horrorvisionen aufsteigen, dass Tolego bald genauso von Almanen regiert werden könnte wie die Nachbarprovinz Neylar. Das durfte nicht geschehen. Doch er konnte sich von Mauro keine Vorschriften machen lassen. Die Wahl des Clanchefs war eine interne Angelegenheit, in der der König kein Mitspracherecht besaß. Das musste auch in Zukunft so bleiben. Fürst Torren saß in der Klemme und brauchte Zeit zum Nachdenken. Geschickt ermutigte er Mauro, seinem Ärger über Nôrden freien Lauf zu lassen.

      Mauro durchschaute das Manöver nicht und wetterte weiter: „Alle Fürsten schickten fünfundzwanzig ihrer besten Männer für meine Garde. Nôrden gibt mir die, die er nicht haben will. Nichts gegen die Männer aus Amrun. Sie machen einen guten Job. Ich werde sie auf jeden Fall behalten. Doch ich hätte bessere Qualität von Tolego erwartet.“

      Fürst Torren nickte nur. Wieder verzog er keine Mine. „Was noch?“ fragte er.

      Mauro hatte fast alle Pfeile verschossen. Zuletzt kam ihm die Gesellenprüfung der Kombat-Zauberer in den Sinn: „Was soll ich davon halten, dass alle anderen Clans ihre talentierten Leute zu mir schicken – nur der Jahrgangsbeste kehrt heim nach Tolego?“ ereiferte er sich. „Gildemeister Malfarin lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihn. Er meinte, der Junge wäre >wie geschnitzt für die Ithryn des Königs<. Genau das waren seine Worte. Ist der Junge jetzt bei mir? Nein!“

      Das waren in der Tat die Worte des Gildemeisters gewesen, sie hatten sich allerdings nicht auf Stork bezogen. Mauro merkte nicht, dass ihm ein Fehler unterlaufen war, aber Fürst Torren hakte sofort ein: „Ich wusste nicht, dass Ihr Stork von Amrun für Eure Ithryn haben wollt“, sagte er in einem Tonfall, als wäre er höchst verwundert. „Selbstverständlich bekommt Ihr ihn. Es ist mir sogar eine Ehre. Der Junge weilt noch in der Stadt und wird sich gleich morgen früh zum Dienst melden!“

      Mauro stutzte. Irgendetwas kam ihm merkwürdig vor.

      Fürst Torren ließ Mauro keine Zeit, darüber nachzudenken. Er griff das ursprüngliche Thema wieder auf: „Es wäre nicht klug, einen Mann zum Clanchef zu ernennen, der dem König missfällt. Dennoch bitte ich Euch, zu verstehen, dass ich in den Machtkampf um meine Nachfolge nicht eingreifen möchte. Zu viele Nachfolger habe ich schon auserkoren, die dann vor mir diese Welt verließen.“

      Mauro war überzeugt, dass Torren sehr wohl eingreifen würde, sobald sein Vermächtnis in Gefahr geriet. Im Moment musste er ihm die Chance geben, das Gesicht zu wahren. So sagte er nur: „Ihr versteht, dass es mir nicht einerlei sein kann, wer über Tolego herrscht.“

      „Wenn Ihr wollt, könnt Ihr in aller Ruhe abwarten, wer sich am Ende durchsetzt“, bot Fürst Torren an. „Bis dahin bewirtschaften wir weiterhin Burg Sevas.“ Dann fügte er fast jovial hinzu: „Und der junge Stork ist ab sofort Euer Mann!“

      „Ich wusste doch, dass wir uns verstehen“, sagte Mauro zufrieden.

      Im Gehen mahnte Fürst Torren: „Meine Zeit währt nicht ewig. Der zweite Jäger – findet ihn!“

      Nach Fürst Torrens Abgang hing Mauro eine Weile lang schweigend seinen Gedanken nach.

      Jorid unterbrach ihn nicht. Sie genoss es, wenn sie, wie jetzt, allein mit Mauro arbeiten konnte. Meist sprach er dann freimütiger mit ihr.

      Schließlich schlug Mauro mit der Faust auf den Tisch. „Ich hätte mich niemals hinreißen lassen dürfen, wie ein Waschweib über Nôrdens Verfehlungen herzuziehen. Von Anfang an hatte ich nichts Konkretes gegen ihn vorzubringen. Torren hat mich einfach ins Leere laufen lassen – bis ich selbst bemerkt habe, wie unsinnig meine Argumente sind…“

      „Kann es sein, dass Ihr dem Fürsten unbeabsichtigt ein Angebot gemacht habt?“ begann Jorid vorsichtig.

      „Ein Angebot?“ wunderte sich Mauro. „Meint Ihr, weil ich Passar erwähnte? Er wird sich wohl denken, dass ich Vreden nicht zum Spaß dort eingesetzt habe.“

      Jorid schüttelte den Kopf: „Ihr habt ihm gesagt, dass Ihr Stork für die Ithryn haben wollt.“

      Mauro griff sich an den Kopf: „Stork sollte zur Garde und nicht zu den Ithryn berufen werden!“ Jetzt erst merkte er die Verwechslung. „Damit habe ich dem greisen Fürsten in der Tat ein unbeabsichtigtes Geschenk gemacht.