Frank Wolfraum

When Rock'n Roll turns to buzinez


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unterwegs zu einem meiner wirklich guten Freunde der mit mir zusammen in der selben Dorf-Fußballmannschaft spielte. Er heißt bürgerlich Ralph W., hörte aber schon immer auf den Spitznamen „Erbs“.

      Ich kam irgendwann am frühen Nachmittag bei ihm an und wollte mit ihm seinen Geburtstag feiern. Seine Mutter öffnete mir die Tür und sagte er sei im Keller. Als ich die Tür zu diesem Kellerraum öffnete sah ich ihn, auf der Platte einer Modelleisenbahn sitzend, beim Gitarre spielen. Ich wusste nichts von seinem Hobby und davon, dass er Gitarre spielte – obwohl ich Ihn schon so viele Jahre kannte. In diesem Moment war das alles allerdings völlig sekundär. Er saß da, in seinen „Strichmännchen-Hosen“, ein Relikt, dass ihn über locker 10 Jahre begleitete und von dem er bis heute noch nicht ganz weg ist, und spielte ganz einfache zwei oder drei Akkorde auf einer alten E-Gitarre und lärmte über einen FAL-Combo Verstärker. Diese Verstärker wurden zwei Dörfer von uns entfernt gebaut, waren lausig aber robust und sind heute wahrscheinlich nur noch Leuten bekannt, die aus unserer Gegend kommen. All das hatte eigentlich eher etwas lächerliches, war aber in diesem Augenblick eine der Situationen an die ich mich mein Leben lang haargenau erinnern werde.

      Ich vergaß ihm zu gratulieren und sprach ihn sofort darauf an, warum er mir denn nie erzählt habe, dass er Gitarre spielt und sogar ein altes Aria-Schlagzeug besaß.

      Er sagte mir es gäbe da nichts zu erzählen. Das Schlagzeug gehöre einem Drummer, mit dem er einmal versucht hatte eine Band zu gründen. Da wäre auch noch ein zweiter Gitarrist namens Volker dabei gewesen, der auch als Sänger agierte. Aber sie hätten es wohl gesteckt und wollten keine Zeit mehr in die Sache investieren. Nur er selbst würde ab und zu mal hier unten sitzen und ein paar Akkorde spielen, man wüsste ja nie wofür es gut sei.

      Wir quatschten dann bei ein paar Flaschen Bier (das wir eigentlich noch gar nicht hätten trinken dürfen) über Musik und all das ganze Geschehen drum herum. Wir glaubten damals wirklich etwas vom Musikgeschäft zu wissen. Aber realistisch betrachtet hatten wir von der Musikindustrie genau so viel Ahnung wie von Ackerbau und Viehzucht.

      Bei diesen Gesprächen, haben wir sehr schnell festgestellt, dass wir beide das Gefühl hatten, einfach zehn Jahre zu jung zu sein. Denn wir waren beide Fans von Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple, The Who, The Doors, Stones, Beatles und so weiter. Auch liebten wir Musiker wie Hendrix, Clapton oder Janis Choplin. Und wir ärgerten uns, dass wir aufgrund unseres Alters nur wenige dieser Genies live erleben durften.

      Also gaben wir unseren Eltern die Schuld, mit der Begründung sie seien zu schüchtern gewesen.

      Nach all diesen Gesprächspunkten, und vielleicht auch nach dem ganzen Bier, spielte er zum Thema „Deep Purple“ die Anfangsmelodie von „Child in Time“. Sie war nicht gut interpretiert, aber sie waren zu erkennen. Ich holte mir die Snare-Drum von dem Schlagzeug, dass einem mir bis dahin vollkommen unbekannten Schlagzeuger gehörte, und begann zu singen um dann die später anfallenden Wirbel auf eben dieser Snare zu Ende zu bringen.

      Im nach hinein bin ich mir zwar bewusst, welch eine Zumutung das für die Umwelt und die Nachbarschaft war, aber das war uns egal. Es war nicht gut, aber notwendig.

      Witness of Time

      Natürlich war danach bei mir und Erbs der Gedanke geboren, unsere üblen Machenschaften in einer Band gipfeln zu lassen. Einen Schlagzeuger zu bekommen war einfach, da der Drummer dem das Drumset in Erbs’ Keller gehörte ja irgendwie erreichbar sein musste. Einen zweiten Gitarristen wollten wir auf keinen Fall. So kam ein paar Tage später der Drummer Michael Rh. auf den Plan. Er war zwei Jahre jünger als ich, aber schon größer. Daran hat sich übrigens bis heute nichts geändert.

      Ich konnte mich erinnern, dass ich auf dem Weg zu meiner Schule im Schulbus mal mit einem Jungen gesprochen hatte, der ebenfalls aus unserem Kaff kam. Der hatte mir erzählte er könnte Orgel spielen. Ich erzählte Erbs und Michael davon und beschrieb den Jungen. Erbs und Michael kannten ihn sogar und wussten wo wir ihn finden konnten.

      Es sollte sich später herausstellen, dass er einer der fähigsten von uns allen war und bis heute noch einer der besten Organisten ist die ich kenne. Leider spielt er (meines Wissens) schon lange nicht mehr öffentlich. Wir haben ihn damals bequatscht und er hat mitgemacht. Nun waren wir zu viert und brauchten einen Namen. Die Band sollte den Namen „Witness of Time“ tragen. Der Name wurde aber später der Einfachheit wegen auf „Witness“ reduziert. Wir stellten nämlich fest, dass der Name „Witness of Time“ auf einem Plakat wie wir es uns leisten konnten wegen der vielen Buchstaben viel zu klein werden würde.

      Zum Thema Plakat kann ich sagen, dass wir A2-Plakate (einfarbig schwarz-weiss) hatten, bevor wir über ein musikalische Programm verfügten. Ich war schon immer der Meinung, dass man für eine gute Sache mit der Werbung nicht früh genug beginnen kann. Das kommt wohl davon, wenn mein eine Ausbildung in diesem Bereich macht. Ein Beruf auf den ich auch heute noch stolz bin.

      Musikalisch lief das Ganze für unsere Vorstellung sehr gut. Wir hatten eine beachtliche Menge an Cover-Songs (die wir auf einer Wunschliste zusammen getragen hatten) und ich glaube mich erinnern zu können, sogar schon ein paar eigene Nummern. Allerdings mussten wir doch die Notwendigkeit eines Solo-Gitarristen erkennen. Erbs zeigte sich auf Dauer etwas überfordert. Gott sei Dank kannte unser Organist Klaus, genannt Fröschel, einen Gitarristen. Er hieß Stephan Kl. und er war ein paar Tage älter als wir, außerdem er war gut und zuverlässig. Nun begannen wir mit dem Ausbau des Proberaums in Erbs’ Keller. Wir schmissen die Modelleisenbahn raus, nagelten Teppiche an die Wände und die Decke, stopften Türrahmen und Kellerfenster mit alten Kissen und Matratzen vom Sperrmüll aus und probten fortan zweimal pro Woche. Meistens wurden daraus drei oder auch vier Proben, da keiner von uns eine feste Freundin oder ein anderes Hobby hatte.

      Stefan Kl. (l.) und Ralph „Erbs“ W. (r.)

Erbs_Kimbel.png

      Das mit den Mädels kam dann später hinzu und brachte noch einige Probleme mit sich. Aber dazu vielleicht später.

      Unser gesamtes Anfangs-Equipment bestand aus einem Aria Schlagzeug, einer Korg BX 3 Orgel mit original Lessli Kabinett, einem Drei-Kanal FAL-Combo Verstärker und einem Mikrophon. Der FAL-Combo (mit zwei 12 Zoll Speakern) diente mit einem Kanal für Erbs’ Gitarre, mit dem zweiten Kanal für meinen Gesang. Später sollte über den dritten Kanal auch noch der Bass laufen. Erbs spielte eine alte Stratocaster Kopie, Stephan eine Les Paul Kopie und einen Kombo-Verstärker.

      Da wir ja absolute Newcomer in der Musikszene waren brauchten wir jemanden, an dem wir uns etwas orientieren konnten. Es sollte jemand sein, der selbst in dem Geschäft stand und wenn möglich auch schon gewisse Erfolge und Erfahrungen hatte. Denn es ist leichter aus den Fehlern anderer zu lernen als sich dauernd aus dem eigenen Mist wieder frei zu schaufeln. So suchten wir uns jemanden, dem wir uns anvertrauen konnten und der bereit war ein paar Ahnungslose durch den Anfang zu lotsen.

      Es gab einen Angestellten in der pleite gegangenen Firma meines Großvaters zu dem ich schon immer eine besondere Bindung hatte und heute mehr denn je habe. Dieser Mann war auch Rocksänger und war in den Sechzigern, den Siebzigern und bis Mitte der Achtziger sehr erfolgreich. In den Sechzigern war er der Kopf einer Band mit dem Namen „The Clouds“. Später hatte er noch die Formation „Tschentelmen“ und etwa Mitte der Achtziger trat er als Solist auf.

      Dieser Mann heißt Peter „Pitche“ Fe. und hatte schon immer so eine Art Vaterfunktion in meinem Leben. Diese Rolle hatte er wohl deshalb, weil ich meinen eigenen Vater nie gekannt habe. Wahrscheinlich waren er und mein Großvater es auch, denen ich meinen Hang zur Musik verdanke. Mein Großvater war Schlagzeuger und somit musste ich ja vorbelastet sein. Ich hatte schon im Kindesalter immer mit Bands zu tun – allerdings waren es mehr die Musiker von Pitche. Ihn fragte ich auch eines Tages um Rat, weil meine Stimme permanent heiser war und ich stellenweise nur noch mit Zetteln kommunizieren konnte. Er nahm sich damals meiner an, sorgte für einen etwas besseren und gezielteren Einsatz meiner Stimme und betreute mich bei all meinen Problemen in dem damals noch so einfachen Amateur-Rock-Geschäft. Er war auch derjenige, der uns daran