Frank Wolfraum

When Rock'n Roll turns to buzinez


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so lange proben konnten wie wir wollten. Der Proberaum war relativ weit entfernt von unseren Wohnorten und so konnten wir unbehelligt von Freunden an unserem neuen Image feilen. Obwohl mit unserem neuen Standort eine nicht unerhebliche Fahrerei und damit verbundene Kosten auf uns zu kamen, genossen wir es sehr.

      Brainchild

      Wir wollten wieder zurück zu englischen Texten. Wir wollten nicht mehr die Hau-Ruck Band sein. Vielleicht wurden wir auch ein bisschen reifer, vielleicht auch intellektueller. Aber auf jeden Fall war uns zu diesem Zeitpunkt klar, wir wollten Profimusiker werden. Wir wollten darum kämpfen nach oben zu kommen. Man sollte nicht mehr zu unseren Konzerten gehen, um ein paar party-fegende Halbalkoholiker zu erleben. Außerdem wollten wir für alle Gleichaltrigen spielen. Denn uns hing noch sehr lange das Verbot einiger Eltern nach, die ihren Kindern untersagt hatten unsere Auftritte zu besuchen. Das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam, aber es gab wirklich eine ganze Reihen von Eltern die ihren Kindern unsere Konzerte verboten hatten.

      Hinten v.l.n.r.: Norbert Cl., Frank Wolfraum, Burkhard Gl. Vorne v.l.n.r.: Frank Gi., Andreas Sch., Bernd Lt.

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      Durch ziemlich beschissene Umstände trennten wir uns damals von unserem Freund Michael Rh. an den Drums. Für ihn übernahm unser Organist Fröschel die Rolle des Schlagzeugers und als neuer Keyboarder kam damals Bernd Ld., genannt Lucky, zu uns. Er ist für mich bis heute noch einer der perfektesten Musiker mit dem ich jemals auf einer Bühne gestanden habe. Auch wenn wir menschlich nicht immer so gut miteinander arbeiten konnten, so hatten wir doch nie Streit.

      Mit Lucky kam dann auch eine musikalische Wende. Da er auf den Einsatz einer Orgel verzichtete (ich habe diesen Umstand immer bedauert) und statt dessen Synthesizer und diverse Keyboards einsetzte, hatten wir sofort einen ganz anderen Stil. Man kann sich als Nicht-Musiker wahrscheinlich nur schwer vorstellen, wie viel es ausmacht, wenn das Brüllen von Hammond-Orgel und Lesslie durch das Einfügen von sphärischen Streichern und ähnlichem ersetzt wird.

      Man kann genau die selben Lieder spielen und erhält trotzdem ein vollkommen verändertes Hörergebnis. Trotz dieser Tatsache verwarfen wir alles alte Material und komponierten völlig neue Songs. Damals übrigens mit einer Leichtigkeit, wie ich sie mir heute manchmal wünschen würde.

      Nach relativ kurzer Zeit hatten wir ein beachtliches Programm von ca. 20 Songs beisammen. Diesmal war das Material bedeutend besser durchdacht und arrangiert. Die Texte waren wieder englisch und wir fingen damals an, mit einem echten Chor – damit meine ich echten Satzgesang und nicht Unisono-Gebrüll – zu arbeiten. Da wir völlig weg wollten von dem Aquavid Image brauchten wir einen neuen Namen für diese Band. In einem alten Webster-Dictionary, dass der Ami mal irgendwann im Proberaum rumfliegen ließ, fanden wir den Namen BRAINCHILD. Was ja wörtlich übersetzt soviel bedeutet wie „Gehirnkind“. Aber sinngemäß ist es so etwas wie ein Geistesblitz oder so.

      Wir hatten aufgrund unserer üppigen Arrangements und unseres neuen Stils natürlich einen gewissen Touch von Bombast-Rock der, wie wir meinten, durch den Namen Brainchild repräsentiert wurde. Aber das war Ende der Achtziger kein Nachteil. Und da Lucky auch ein sehr guter Gitarrist war, konnten wir auch durchaus gitarrenlastige Kracher bringen. Wir waren flexibler als je zuvor.

      Leider blieb bei dieser Umstrukturierung der Begründer meines musikalischen Werdegangs auf der Strecke. Erbs verließ uns.

      Dass ich unter dieser Trennung persönlich sehr gelitten habe brauche ich wohl nicht zu sagen. Ich werde aber hier darauf nicht näher eingehen. Unsere Besetzung war fortan Klaus (Fröschel) Mz. am Schlagzeug, Norbert (Ami) Cl. am Bass, Burkhard (Buck) Gl. an der Gitarre, Bernd (Lucky) Ld. an den Keyboards und ich als Sänger.

      Beflügelt von den Einflüssen unseres neuen Sounds, wurde mein Denken immer mehr in Richtung Bombast geprägt. Ich träumte davon in einer Band zu arbeiten, die mit zwei Sängern gleichzeitig arbeitet. Aber nicht wie bei Bands wie Styx, wo die Sänger auch als Instrumentalisten arbeiten, sondern wirklich zwei echte reine und sonst nichts tuende Sänger. Ich fand einen Gleichgesinnten in dieser Idee in meinem damals schon langjährigen Freund Andreas Sch..

      Normalerweise würde ein Mann wie er ein eigenes Kapitel verdienen. Aber das müsste er schon selbst schreiben. Andreas war damals schon eine der schillernden Figuren im Rock-Regional-Geschäft. Er hatte eine sehr einprägsame und ausdrucksvolle Stimme. Und im Gegensatz zu meinem doch wohl eher etwas dreckigen und rauen Organ eine gewisse Brillanz, die ich bis heute noch bewundere.

      Sein einziger Fehler zu dem damaligen Zeitpunkt war, er hatte seine Laufbahn nach Tri-Vox und diversen anderen Bands etwa ein Jahr zuvor beendet. Er wollte auch nach langem Belabern meinerseits nicht zurück.

      Als Brainchild sich in ein kleines Studio eingemietet hatte um Demobänder zu produzieren, bat ich Andreas doch bei einer Nummer Background zu singen. Natürlich hatte ich ganz andere Pläne, aber ab und zu muss man Diplomat sein. Einmal im Studio angekommen gab ich ihm seinen Text. Er bemerkte, dass der Text recht lang sei. Darauf entgegnete ich ihm, er müsse nur jede zweite Zeile singen und im Refrain die erste hohe Stimme. Der Song hieß „Together Forever“ und wurde später zu einem unserer erfolgreichsten Lieder. Nach den Aufnahmen hatte Andreas Sch. wieder Blut geleckt. Ich konnte ihn nun dazu mobilisieren bei uns einzusteigen und verwirklichte auf diese Weise einen weiteren Traum für mich.

      Ein bitterer Beigeschmack der Aufnahmen war, dass die Leute in diesem Studio trotz des hohen Alters das sie hatten und ihrer Erfahrung über die sie angeblich verfügten nicht im Stande waren, mit all ihrer High-Tech unsere Songs vernünftig aufzuzeichnen. So gingen wir in ein anderes Studio und wiederholten die Aufnahmen. Dies Taten wir unter dem Protest unseres Schlagzeugers Fröschel der daraufhin ausstieg. Es folgten noch ein paar kleinere private Streitigkeiten, die aber längst beigelegt sind und die niemanden etwas angehen. Auf jeden Fall waren wir mitten in den Aufnahmen und hatten keinen Drummer mehr. Da Studiomusiker nicht in Frage kamen, wegen ihres hohen Preises und unserer beschissenen Kasse, machten wir die Bekanntschaft mit einem Drum Computer, der für die damaligen Verhältnisse und die Verhältnisse des Studios wirklich gut war. So brachten wir die Aufnahmen zu Ende und konzentrierten uns auf die Suche nach einem neuen Schlagzeuger.

      Zum Thema Aufnahmen kann ich jedem nur folgende Tipps geben: Wenn jemand in ein Studio geht, sollte er sich niemals von irgend welchen teuren und bunten blinkenden Geräten beeindrucken lassen. Es entscheidet der Bediener über Gedeih oder Verderb. Des Weiteren sollte man sich immer Referenz-Aufnahmen, sprich Bänder von anderen Bands die in diesem Studio aufgenommen haben, geben lassen und sie auf den verschiedensten Anlagen durch probieren. Auch im Auto oder ähnliches. Eine gute Aufnahme klingt überall gut. Nicht nur in der Nobel-Hifi-Anlage. Bekommt man als Antwort es gäbe keine Referenz-Bänder oder man könnte sie aus irgendwelchen rechtlichen Gründen nicht bekommen, verlasst das Studio ohne Umweg. Ach ja, ein Demo-Band ist das wichtigste Utensil einer Band. Man tritt damit an Plattenfirmen, Agenturen und Veranstalter heran. Es muss also mindestens so gut sein, dass man es auf Platte pressen kann. Man sollte auch nie Freunde fragen wie es ihnen gefällt. Ohne Böses zu wollen, sagen diese Leute oft es währe hervorragend, weil sie dich nicht verletzen wollen. Aber ich muss gestehen, obwohl ich das selbst weiss, hören unsere Bänder auch heute noch zuerst unsere Freunde.

      Persönlich würde ich mir heute zu allen Aufnahmen die ich mache einen unabhängigen Produzenten holen. Ein echter Profi kostet zwar viel Geld, aber wenn ich überlege wie viel Geld ich für Demos (bis heute sind es fast dreißig Stück) ausgegeben habe, hätte ich mit weniger Geld besseres Material erhalten und hätte viel Zeit und Nerven in diversen billig Studios gespart. Die Adressen von Produzenten kann man bei jeder Plattenfirma oder jedem Musikverlag erfragen.

      Zurück zu Brainchild. Wir suchten noch immer einen Schlagzeuger. Wir schalteten Anzeigen und verteilten Flugzettel in Musikgeschäften. Wir erlebten Dinge, die eigentlich eher in einem schlechten Film zuhause sein sollten. Ich glaube nur Musiker können sich vorstellen was für Chaoten sich auf solche Anzeigen melden. Wenn man mal regional bekannt ist, dann wissen die Anrufer was sie erwartet und ein Großteil der Idioten verschont dich