Frank Wolfraum

When Rock'n Roll turns to buzinez


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machen sich die meisten Musiker viel zu viele Gedanken über alles, was das Publikum hören oder sehen könnte. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das Publikum bedeutend weniger hört als man selbst. Ich habe schon bei manchen Auftritten um ganze Halbtöne daneben gelegen, oder bei fehlendem Monitoring mehrmals Einsätze verpasst und man hat mir nachher gesagt es wäre die Show meines Lebens gewesen. Nur die eigene Band und die bei jedem Konzert anwesende „Musikerpolizei“ (diese Sorte alberner Musiker, die nur zu Konzerten geht, um die Fehler anderer aufzudecken – obwohl sie selbst meistens die größten Nieten sind) haben etwas gemerkt. Aber leichte Verstimmungen an Gitarre oder Bass, vergessene Abschläge oder verpatzte Choreinsätze etc. bleiben von den meisten unbemerkt. Dennoch sollte man Live so fehlerfrei wie möglich sein, um die daraus resultierende Selbstsicherheit für die Spielfreude zu nutzen.

      Als wir um 21.45 Uhr fertig und entnervt von den vielen Stromausfällen in die Garderobe kamen, suchten wir vergebens Pitche. Wen immer wir fragten, keiner hatte ihn oder einen seiner Musiker gesehen. Wie wir später erfuhren steckten die Jungs irgendwo im Nebel. Der Schulleiter wollte nach einer viertel Stunde wieder Musik hören. Also gingen wir noch mal raus und spielten wie die Bekloppten unsere Songs erneut durch. Irgendwann beim dritten mal „Knocking on heavens door“ hörte ich plötzlich eine mir vertraute Stimme. Pitche war da. Die Band zwar noch nicht; aber wenigstens er. Wir sangen zu zweit eine fünfzehn Minuten Version von Bob Dylans Machwerk und er übertönte alle meine falschen Töne.

      Als dann endlich seine Band eintraf gingen wir nach fast drei Stunden Auftritt von der Bühne. Wir waren so fertig, dass wir von Pitche nichts mehr mitbekamen. Das einzige was wir noch mitgekriegt haben war, dass sie Pitche nach ungefähr drei Nummern den Strom abdrehten. Denn um 24.00 Uhr musste alles geräumt sein. Es tat mir damals sehr leid für ihn, zumal niemand von uns Geld bekam.

      Letzte Besetzung von Witness v.l.n.r.: Bernd W., Frank Wolfraum, Peter If., Michael Wl., Michael Rh., Klaus M., Ralph W.

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      Dies war dann auch der letzte Auftritt dieser Formation unter dem Namen Witness. Nicht dass wir nicht angekommen währen, sondern wir wollten etwas Neues und Anderes machen. Es gab auch einige personelle Wechsel und Umstrukturierungen. Was nicht heißen soll, dass jemand rausgeworfen wurde, nur hatte der eine oder andere festgestellt, dass das Musik-Bizz doch nicht sein Fall war.

      Aquavid

      Aus Witness wurde in dieser Zeit die Deutsch-Rock-Band „Aquavid“. Eigentlich hieß sie Aquavit, wie der Schnaps, aber das war dann doch zu gefährlich, wegen des eingetragenen Markenzeichens der Alkohol Firma. Wir hatten in dieser Zeit einige Besetzungswechsel an Bass und Sologitarre. Am Bass kam Norbert Cl., den wir Ami nannten. Nicht um ihn zu ärgern, sondern weil er einer war (vorher gab noch ein gewisser Dirk Schw. ein kurzes Gastspiel am Bass). An der Sologitarre kam nach Michael Wl. – und noch jemand an den ich mich nicht mehr erinnern kann – Burkhard Gl. (ein echtes Gitarrentier). Der Einfachheit wegen nannten wir ihn Buck.

      Aquavid (stehend v.l.n.r.): Burkhard „Buck” Gl., Norbert „Ami” Cl., Frank Wolfraum, (sitzend v.l.n.r.): Klaus „Fröschel“ M., Ralph „Erbs“ W., Michael Rh.

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      In dieser Besetzung bestritten wir während dem Ende der Neuen Deutschen Welle-Ära viele wirkliche geniale Auftritte. Wir machten damals unserem Namen alle Ehre. Wir waren nicht nur als Partyband bekannt, sondern mussten auch mit dem Ruf leben, dass wir den Getränken bei all unseren Gigs ein jähes Ende setzten. Eines der Highlights war damals ein Auftritt bei einem Open-Air auf der Burg Frankenstein. Wir spielten damals vor einer Band mit dem Namen Nightmare. Diese Band bestand aus insgesamt 10 Musikern und spielte einen echt guten Funk-Rock. Es war im Juni und trotzdem war es relativ kalt. Nach dem Aufbau, der bei uns eigentlich immer in etwa dreißig Minuten überstanden war, hatten wir einen Deal mit dem Typ an der Getränkeausgabe. Wir bekamen markierte Cola-Deckel und gegen Vorlage eines solchen Deckels bekamen wir Getränke unserer Wahl. Um circa 16.00 Uhr waren wir mit dem Soundcheck fertig und hatten nicht mehr viel zu tun. Also haben wir angefangen, uns der Getränkevernichtung zuzuwenden. Wir spielten „Ritterburg“ und bekriegten uns mit imaginären Pfeilen und fochten mit einigen Ästen sensationelle Duelle aus. Das ganze gipfelte dann in einem Versöhnungsumtrunk der bis kurz vor unserem Auftritt dauerte.

      Die Show selbst war damals eigentlich mehr oder weniger Routine. Die Zuschauerzahl war eher lausig, da 40 Kilometer entfernt im Waldstadion Frankfurt am Main Bruce Springsteen spielte. Wir lieferten unser zwei Stunden Programm, an dessen Ende ich -– wegen des vielen Alkohols – ständig das Micro fallen lies. Nach unserem Auftritt, der übrigens ungetrübt durch die Tatsache dass ich unter dem Applaus der Zuschauer mehrere Male von der Bühne gepinkelt habe und einmal auf dem Rückweg ins Schlagzeug fiel, gut verlief, wurden dann mit dem Veranstalter die Getränke abgerechnet. Dabei kam zum Vorschein, dass die zehnköpfigen Nightmare etwa 15 Bier und 15 Cola-Asbach hatten und wir als Sextett doch genau 80 Biere, 30 Asbach und 25 Cola-Asbach plus etwa 30 Paar Landjägerwürste verzehrt hatten. Daraufhin wurde uns ein nie kontrolliertes Hausverbot erteilt. All diesen Widrigkeiten zum Trotz wuchs unsere Beliebtheit und mit ihr die Zahl unserer Auftritte. Heute glaube ich, dass viele Leute nur kamen, um mal wieder mit zu erleben, wie sich einer von uns (meistens unser Drummer Mike und / oder ich) daneben benahm. Vom heutigen Tag aus gesehen, waren wir eigentlich eine Zumutung. Aber irgendwie hat es vielen Leuten offensichtlich gefallen.

      Dieses Konzert auf der Burg Frankenstein war allerdings nach seinem Ende noch lange nicht vorbei. Eine kleine Nachwirkung eines jeden Konzertes war, dass wir alle noch zurück fahren mussten. Meine Freundin, die damals unseren Auftritt verpasste und gerade rechtzeitig zu Nightmare auf das Open-Airgelände kam, konnte mich, als ich auf sie zulief nicht einmal mehr auffangen und so landete ich aufgrund meines Alkoholspiegels einen Meter von ihr entfernt stumpf und hart auf der Nase und hatte schon wieder mal Zoff. Aber daran war ich zu dieser Zeit gewöhnt. Es war die Phase, wo ich mich mit allem und jedem anlegte. Selbst vor Handgreiflichkeiten jeder Art (außer gegen Frauen) schreckte ich kaum bis gar nicht zurück.

      Als es darum ging von der Burg Frankenstein Nachhause zu fahren, musste ich mich zwischen zwei Abfahrten entscheiden. Ich wählte zielstrebig die verkehrte Abfahrt und musste auf einer Serpentinenstraße drehen. Diese Wendung wurde von meiner Freundin durch hysterische Angstschreie begleitet. Ich muss aber auch zugeben, dass selbst ich in meinem Suff einen riesigen Schreck bekam, als ich die Wagentür öffnete und mit einem Rad bereits im Freien hing. Heute muss ich wohl den Hinweis geben: Bitte nicht nachmachen!

      Die Tatsache, dass ich als einziger von der Band in die falsche Richtung fuhr, gab dem Rest der Band einen Vorsprung von etwa dreißig Minuten. Und der sollte sich noch übel auswirken.

      Die Band war bereits im Proberaum und hatte ausgeladen, als sie feststellten, dass ich nicht nachkam. Sie dachten ich wäre wohl direkt nach Hause gefahren und würde am nächsten Tag zum Ausladen kommen. Also fuhren sie ihrer Wege. Ich kam mit Verspätung am Proberaum an und verfluchte die anderen, die nicht auf mich warteten und hatte keine Lust mehr auszuladen. Also fuhr ich ohne auszuladen wieder weg. Meine Freundin wollte mich, als wir bei ihr Zuhause ankamen, auf keinen Fall in diesem Zustand in der elterlichen Wohnung haben. Also musste ich heim zu mir fah-ren. Dort angekommen schaffte ich es problemlos, die Garage zu öffnen und meinen Wagen zu parken. Die Haustür bekam ich allerdings nicht auf. Nach mehreren Versuchen entschloss ich mich dazu wieder die Garage zu öffnen und mich in meinen Wagen zu legen. Da es in der Garage nicht all zu kalt war, schlief ich gut und fest. Ich schlief den Schlaf eines gerechten aber betrunkenen Musikers.

      Am nächsten Morgen sah die Band im Proberaum, dass ich immer noch nicht ausgeladen hatte und riefen bei meiner Freundin an, ob ich denn bei Ihr währe. Diese verneinte, und rief bei meinen Eltern an. Die wiederum sahen aus dem Fenster auf die Straße – wo mein Auto für gewöhnlich stand, weil ich normalerweise zu faul war um die Garagentür zu öffnen – und verneinten ebenfalls meine Anwesenheit. Ich war also augenscheinlich weder Zuhause, noch bei der Freundin, noch im Proberaum.