Frank Wolfraum

When Rock'n Roll turns to buzinez


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schlummerte still und friedlich in meinem alten D-Kadett und kam gegen 18.00 Uhr am nächsten Abend in eine mir völlig unverständliche Panik und kassierte Anschisse von allen nur erdenklichen Seiten. All das veranlasste mich abzuhauen und mit Erbs, dem einzigen, der dass Ganze locker sah, einen zu trinken.

      Einen weiteren denkwürdigen Aquavid-Moment durchlebte auch ein Pfarrer in einem kleinen Dorf, der uns als Opener für eine Jugendveranstaltung gebucht hatte. Er hatte sehr wohl von unserem zweifelhaften Ruf gehört, konnte uns wegen unserer Popularität allerdings nicht umgehen. Aber er wollte Präventivmaßnahmen treffen.

      Während unserer Auftrittsvorbereitungen schloss er jeglichen Alkohol (vier Kästen Bier plante er für einen Jugendabend in einer Turnhalle!) in eine Umkleidekabine. Er tat das wohl in der Hoffnung wir würden das Fehlen des Alkohols nicht bemerken. Aber wir waren nicht nur laut, jung und durstig, sondern auch schnell. Als er sein Werk vollendet hatte ging er zurück in sein Pfarrhaus und versprach rechtzeitig um 19.00 Uhr zur Saalöffnung zurück zu sein.

      Da wir bei seinem Verschwinden gerade mal 17.00 Uhr hatten blieben uns zwei Stunden für unseren „Spaß“. Wahrscheinlich hätten wir damals gar nicht mehr soviel getrunken, weil der Alkohol durch unser zunehmendes Alter immer mehr auf den absterbenden Ast geriet. Allerdings konnten wir dieser Herausforderung nicht widerstehen. In weniger als einer Minute hatten wir seine provisorische Türverriegelung entfernt und in weniger als einer Stunde die Biervorräte vernichtet. Wir entschlossen uns, um Ärger zu vermeiden, alle Spuren zu beseitigen und außerdem wollten wir sofort bei Saalöffnung anfangen zu spielen. Auf diese Art und Weise konnte er uns während das Auftritts nicht ans Leder.

      Aus unserer Sicht musste er uns sogar noch dankbar sein, denn wir hatten schließlich dafür gesorgt, dass sich keines seiner jugendlichen Lämmer zuknallt. Er konnte es uns nie nachweisen, hat uns aber damals die vereinbarte Gage von 500,00 DM (damals noch in Mark und nicht Euro) in Mark- und Pfennigstücken ausbezahlt. Bleibt dennoch die moralische Frage: „Sollte ein Pfarrer auf einer Jugendveranstaltung Bier ausschenken?“

      Es war aber nicht nur so, dass wir den einen Pfarrer um sein Bier beschissen haben, nein – wir wurden im Gegenzug von unserem Dorfpaffen aus Kreuz gelegt.

      Unser Pfarrer unterhielt einen Verein zu Unterstützung der Dritten Welt. Da die meisten Bandmitglieder von Aquavid von ihm konfirmiert wurden, waren wir ihm gut bekannt. Und er wusste auch um unsere Popularität. Da wir in etwa zu dieser Zeit aus unserem Proberaum raus flogen in der er ein Benefizkonzert für sein Dritte Welt Projekt organisieren wollte, schlugen wir ihm einen Deal vor. Wir spielten zusammen mit einer Band Namens Tri-Vox, auf seiner Benefizveranstaltung und übernahmen die komplette Organisation für ihn. Wir machten die Werbung, stellten das Kassenpersonal etc. Alles was er tun musste, war die Schirmherrschaft zu übernehmen und am Ende des Abends einen Scheck abzuholen. Als Gegenleistung sollten wir im alten Gemeindehaus einen Proberaum bekommen. Die Keller dort waren fast alle ungenutzt.

      Dieser Deal wurde vor Zeugen abgeschlossen. Und das waren nicht nur Leute aus unserer Band. Die Band Tri-Vox brachte die PA; (wir hatten immer noch keine eigene) und wir druckten und klebten die Plakate.

      Die Veranstaltung lief gut an. Das Konzert war gut besucht, und es wurde gut getrunken und gegessen. Als wir nach Konzertende das zusammen gekommene Geld als Spende an den evangelischen Pfarrer übergaben, konnte der mehr als zufrieden sein. Als es später dann darum ging in das Gemeindezentrum einzuziehen erlitt der arme Pfarrer plötzlich einen radikalen Gedächtnisverlust. Ich bin damals fast geplatzt vor Zorn wegen diesem Protestantenpfaffen.

      Aber sein Herrgott ist wohl Musiker oder er hat zumindest ein Herz für Musiker. Denn wir hatten beim Plakatieren aufgrund unseres Übereifers eine Litfaßsäule der DSR von oben bis unten und rundherum zuplakatiert. Die Deutsche Städtereklame (Eigentümer aller dieser Plakatträger) bekam das bei einer Kontrollfahrt zu sehen. Da der Pfaffe und sein „Dritte Welt Verein“ als Schirmherr auf dem Plakat standen, bekam er eine fette Rechnung von der Deutschen Städte Reklame. Das war mir wenigstens ein kleiner Trost. Da ich ohnehin keiner Kirche angehöre habe ich seit damals auch nie wieder etwas mit diesem Verein zu tun gehabt. Bis zum heutigen Tage habe ich wahrlich kein Problem mit Gott. Aber sein Bodenpersonal ist doch ebenso scheinheilig wie fragwürdig.

      Wir machten mit Aquavid etwa 60 dieser mehr oder weniger spektakulären Auftritte. Mit jedem dieser Auftritte wuchs der Grad unserer Popularität bei den Gleichaltrigen. Ebenso wuchs der Hass der Eltern. Auch der eigenen Eltern. Mein Großvater (obwohl selbst ein Musiker) war schon immer dagegen, dass ich in einer Band spielte. Wir hatten bis zuletzt immer heftige Diskussionen über mein Verhalten gehabt. Meine Stiefmutter war wohl auch dagegen, aber von ihr ließ ich mir ohnehin nie etwas sagen. Ich habe sie – glaube ich – nie gemocht und deswegen einfach ignoriert. Vielleicht lag es auch daran, dass ich im Laufe der Zeit drei Stiefmütter vorgesetzt bekam. Mein Großvater war diesbezüglich sehr umtriebig. Vielleicht hat sich meine damalige Stiefmutter sogar wirklich Mühe gegeben. Ich hatte jedenfalls immer den Eindruck, dass ihr der eigene Sohn mehr Wert war. Aber ich war von Hause aus ein Opportunist und fühlte mich in meiner Rolle sehr wohl.

      Typisch für Aquavid: Backstage genau so viele Leute als im Publikum.

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      Vielleicht haben wir damals musikalisch so provoziert, weil wir alle in etwa die selben Schwierigkeiten hatten. Wenn ich auch der einzige war, der so ein abgefahrenes Elternhaus hatte, so hatten wir doch alle Schwierigkeiten mit den Eltern, der Obrigkeit und der Welt an sich. Altersbedingt sicherlich nicht ungewöhnlich. Ein Psychologe würde wahrscheinlich unseren Alkoholkonsum in diese Tatsache einbetten. Aber ich glaube, gesoffen haben wir nur aus Spaß.

      Wie bereits erwähnt, hatten wir mit der Zeit selbst den Kanal langsam voll und wollten in Zukunft etwas vorsichtiger mit dem Alkohol umgehen. Es wundert mich ein wenig, dass diese Erkenntnis im Alter von 18 bis 20 Jahren von selbst kam. Denn eigentlich ist nie jemand bei unseren Exzessen zu Schaden gekommen. Es gab nicht mal einen Kratzer im Auto oder ähnliches. Und das war auch gut so.

      Härtere Drogen haben wir schon immer von je her abgelehnt. Ich persönlich kann mit gutem Gewissen sagen, fast keinen Gedanken an so ein Zeug verschwendet zu haben (Selbstversuche ausgenommen). Das einzige was ich probiert habe war Haschisch. Und, weil ich sonst meine Lehre nicht geschafft hätte, jede Menge Aufputschmittel in Tablettenform. Ich schätze der ganzen Band fehlte in dieser Zeit wohl Schlaf. Allerdings habe ich auch hier irgendwann festgestellt, dass das Zeug ebenso genial wie gefährlich ist. Denn man kann mit diesen Tabletten jeden gewünschten Zustand zu jedem gewünschten Zeitpunkt herstellen. Und das macht es so gefährlich. Vor allem, wenn man einen Arzt hatte, der einem auf Zuruf alles von Valium bis Rohibnol und von Kaptagon bis Ephedrin zukommen lies.

      Auf jeden Fall entschlossen wir uns, in dieser Phase zu einer Image-Änderung von Aquavid. Allerdings nahmen wir vorher noch ein Demo-Band auf. Wir gingen dazu in ein kleines Studio nach Biebesheim am Rhein. Ich weiss bis heute noch nicht, wie wir an die Adresse kamen, oder wer uns dort hin brachte. Jedenfalls standen wir an einem Wochenende plötzlich im Studio. Meine erste Studioerfahrung verlief eigentlich so, wie man es sich bei den Beatles und anderen Bands dieser Ära gehört hatte. Nur weit weniger erfolgreich. Wir nahmen an nur einem Samstag fast 20 Songs auf. Das lief ganz einfach. Wir bauten in dem relativ großen Aufnahmeraum alles auf und spielten unser komplettes Set hintereinander weg. Die Tatsache, dass wir alle das Programm so endlos oft gespielt hatten und normalerweise auch mit Alkohol noch spielten, ermöglichte es uns im nüchternen Zustand ohne endlos viele Takes und Wiederholungen sofort gutes Material abzuliefern. Ich habe später nie verstanden, warum man am Anfang seiner Karriere problemlos an einem Wochenende ein ganzes Album aufnehmen kann, und wenn man zehn Jahre im Geschäft ist benötigt man – obwohl man doch vermeintlich besser geworden ist – für ein Album vier und mehr Monate.

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