Brigitte Brandl

Malverde


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      Brigitte Brandl

      Malverde

      Das Unkraut namens Lüge gedeiht überall

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       MALVERDE

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       21

       22

       23

       24

       25

       Impressum neobooks

      MALVERDE

       1

      Die Limousinen fuhren durchs Tor, die Einfahrt hoch bis zum Vorplatz, gewichtig, stattlich, bedeutsam. Sie reihten sich auf vor der Blumenrabatte mit den lila Orchideen, die die Jubilarin sich zum Fünfzigsten gewünscht hatte.

      Piet stand auf dem Balkon und zählte die Wagen, als könne er die Minuten zählen, die ihm noch blieben, bis er runter musste in die Halle, wo die Eltern die Gäste begrüßten.

      Dann kam der Anruf. Niemand sonst hätte um diese Zeit anrufen können! Silvia und Henning waren unten in der Halle, alle anderen auch. Als er die ko­lumbianische Län­derkennung auf dem Display sah, fing er an zu zittern. Wie hatte er darauf ge­wartet, die ganzen verdammten Wo­chen lang!

      Zuerst hörte er nur ein Rau­schen, dann eine Stimme. Er kannte die Stimme, aber es war nicht die, die er hören wollte. Es war die Stimme von Hugo, dem Bürgermeister. Er atmete in den Hörer, als trüge er eine große Last.

      „Hugo! Was ist denn passiert, um Himmels Willen?“ drängte Piet, und der Bürgermeister begann zu schluchzen.

      „Es war ein Unfall! Du weißt doch, Pedro, dass Acacio immer ge­fahren ist como un loco. Die Straßen sind schlecht und der Wagen ist alt, aber das hat er doch nie hören wollen! Zweimal hat sich der Wa­gen überschlagen! Als man ihn gefunden hat, lag er in dem Metallgestell als ob er schliefe, ganz ru­hig.“ Hugo seufzte laut. „Er hat nicht gelitten,“ stam­melte er, „Pedro, er hat wenigstens nicht gelitten! Er hat sich das Genick gebrochen. Acacio ist tot.“

      Piet wollte antworten, aber in seinem Kopf war nichts mehr, was er hätte sagen kön­nen. Der Schock schnürte ihm die Kehle zu, und das Zimmer verschwamm zu einem wa­bernden Brei aus Farben.

      Er ließ das Telefon fallen und drückte sei­ne Hand vor den Mund. Die Säure, die aus seinem Magen aufstieg, trieb ihm die Tränen in die Augen. Es gelang ihm gerade noch, das Badezimmer zu er­reichen, bevor er sich übergab. Der beißende Geruch nahm ihm die Luft, und die Stimmen aus der Halle mischten sich mit Hugos Schluchzen. Alles ergoss sich wie ein Schwall über ihn, und selbst den Schmerz, als er mit dem Kopf auf den Ba­dezimmerboden aufschlug, spürte er nicht. Hugos Geisterstimme wiederholte immer wieder: „Acacio ist tot.“

      Als er wieder zu sich kam, sah er seinen Vater, der ihn entsetzt anstarrte. Er sei doch wohl nicht jetzt schon betrun­ken? Am Geburtstagsfest seiner Mutter?

      Piet kniff die Augen zusammen. Schlag ihn ins Gesicht, schlag ihn doch einfach ins Gesicht! war sein einziger Gedanke. Doch er war nicht einmal in der Lage, seine Hand zu heben. Er drehte seinen Kopf weg, aber er konnte auch nicht heu­len.

      „Piet, was ist mir dir?“ hörte er seine Mutter fragen und die grimmige Antwort seines Va­ters: „Unser Sohn ist betrunken! Sieh zu, dass die Gäste nichts mer­ken.“

      Piet schloss die Augen wieder, und der Abscheu drehte ihm fast noch einmal den Magen um. Er wollte schreien, so lange bis er aufwachte aus diesem Alptraum und tatsächlich be­soffen irgendwo in seinem Zimmer lag. Mach, dass das nicht wahr ist, Herrgott, mach, dass ich spinne, aber lass das hier nicht wirklich sein! Würg doch nochmal, Piet Lo­ber, spuck es doch raus, dann ist es vorbei, und alles ist wie bis­her. Nichts ist passiert!

      Doch es war passiert. Und er wusste es. Er lag auf dem Badezimmerboden, und wenn er die Augen öffnete, würde er wie­der das Gesicht seines Vaters sehen. Statt Sorge oder wenigstens Ratlosigkeit wäre nur Verachtung darin. „Wir haben Gäste!“

      Piet spürte keine Trauer mehr, nur Abscheu. Kalten, gifti­gen Abscheu. Er griff seinen Vater am Arm. „Ich bin nicht betrunken, Vater. Acacio ist tot. Autounfall. Hugo hat gerade an­gerufen.“

      Er sah zu seiner Mutter. „Sag Deinen Gästen, ich bin krank.“

      Dann stand er auf und ging in sein Zimmer.

      Den Flug nach Kolum­bien buchte er tags darauf.

      2

      Was für ein Blick! Der Landeanflug auf den internationalen Flug­hafen El Dorado ist stets spektakulär. Die Maschine durchkreuzt enorme Wolkentürme, dann wieder reißt die Wolken­wand auf, und das Panorama ist faszinierend: die Bergketten halten die die weite Hochebene wie in einer Umarmung,