Hans Ulrich Süss

Der Aufstieg des Karl Ernst Schober


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das war ein gutes Geschäft. "Es ist leider ja nun bald das Einzige das übrig geblieben ist. Mein Vorgänger, der Prochaska, dürfte ja auch noch nach New York. Jetzt hat der Dr. Merckle uns ja praktisch verboten, uns um unser angestammtes Geschäft zu kümmern." Seine Stimme zitterte etwas, Spitzlmoser war leicht zu erschüttern. Schober fragte sich, wie der wohl reagiert, wenn ihn ein Einkäufer unter Druck setzt? Besser er malte sich das nicht aus, er wollte es sowieso nicht ändern.

      "Aber das ist doch verständlich", antwortete Schober. "Merckle hat den Prof. Unterholzer hinter sich und die Verantwortung für den Aufbau des Geschäftes in den USA. Da ist doch klar, da ist es nicht sinnvoll, sich im Chemikaliengeschäft mit Kleinmengen gegenseitig zu stören. Der Merckle hat mit Unterholzer darüber gesprochen, wie sehr Ihre Aktivitäten die Preisbildung beeinflussen und der hat es Hohlenberger erklärt."

      "Es ist trotzdem nicht schön, zu sehen, wie unser Exportmarkt schrumpft. Ich bin gerne jedes Jahr nach New York geflogen." meinte Spitzlmoser traurig und naiv zugleich: "Stellen Sie sich vor, der Sauerstein von der Technik hat mir doch ganz frech Nigeria als Alternative vorgeschlagen! Dabei ist das doch so ein schreckliches Land, nach allem was in der Zeitung steht! Und der Sauerstein meinte, dort könnte ich lernen, Märkte zu erschließen und Exportgeschäfte zu machen."

      "Der Osten Europas ist ihnen jetzt nicht mehr verschlossen. Da haben Sie doch auch früher schon hin und wieder einige Mengen geliefert", Schober wollte zurück zum Geschäft.

      Spitzlmoser war durch diesen Themenwechsel nicht wirklich beruhigt. "Osteuropa ist ein schwieriger Markt, und das Reisen ist auch kein Spaß", erklärte er. "Ich hab jetzt einen neuen Mitarbeiter, den Ingenieur Stainzl, der soll das alles abdecken, von der Tschechei bis Bulgarien. Nach Jugoslawien klappt das Geschäft ja schon ganz gut, nur die Gelder, die unter dem Tisch laufen müssen, sind so schwer zu verbuchen."

      Schober wehrte ab: "Darüber erzählen Sie mir besser gar nichts, was ich nicht weiß, kann auch nicht zum Problem werden."

      Spitzlmoser seufzte: "Ich hoffe sehr, der Stainzl nimmt mir das alles ab. Im Osten ist das Essen nicht angenehm, die Hotels sind ein Graus und die Eisenbahnen sind alt und langsam, so macht Reisen wirklich keinen Spaß. Über die Straßen trau ich mich eh' nicht, die sind voller Löcher. Der Herr Utnig hat mir nach seiner letzten Reise erzählt, man müsse inzwischen höllisch aufpassen, wegen der Gendarmen. Die verlangen schon fast Wegezoll."

      "Das ist aber in Österreich auch nicht unüblich", konterte Schober, "mir hat der Sauerstein berichtet, von ihm habe ein Gendarm eine Strafe wegen zu schnellem Fahren kassiert, ohne jede Messung. Der Gendarm sagte dem Sauerstein, er hat es gehört, dass der Sauerstein zu schnell fuhr."

      "Na ja", erwiderte da Spitzlmoser, "dahier hat ein Gendarm schon die Autorität so etwas festzustellen, da kann man nix machen."

      Nach so viel schlechten Nachrichten und einem so guten Abendessen dachte Schober er müsse mit etwas Positivem abschließen: "Also ich bin da ganz sicher, Sie mit Ihrer Mannschaft und Wien im Rücken sind doch unser bester Vertreter in Osteuropa. Das ist doch schon historisch so. Von Wien aus kann man nicht nur den Balkan, sondern auch ganz Osteuropa bestens bedienen! Und dafür sind Sie doch unser Mann!" Spitzlmoser schien nicht überzeugt. Schon auf dem Weg ins Hotel fragte sich Schober, ob dieses Weichei überhaupt geeignet sei, mit einem trinkfesten Einkäufer richtige Verhandlungen zu führen. Na, jetzt hatte er ja einen Neuen, den Stainzl. Der müsste wohl das Wodka-Saufen übernehmen.

      Elsbeth wurde von Schober auf dem Laufenden gehalten. "Du glaubst nicht, welche verrückten Dinge laufen, ohne dass sich jemand wirklich daran stört. Da haben Leute eine Position, der sie kaum gewachsen sind und keiner tut etwas dagegen."

      Elsbeth hatte eine Vorschlag: "Nachdem Du doch immer so tolle und rasche Lösungen und Änderung durchführst, ist das wahrscheinlich der nächste Streich für Dich? Da kannst Du Dich doch bei Unterholzer wieder profilieren!"

      Schober war über so viel Naivität entsetzt: "Ich glaube, Du hörst mir nicht zu. In Österreich werde ich überhaupt nichts ändern. Um Himmels Willen, da hab ich bei der geringsten Kleinigkeit den Hohlenberger am Hals. Ich bin doch nicht verrückt!"

      "Aber es gibt doch Probleme dort? Ist es nicht Deine Aufgabe, Probleme zu lösen?"

      "Wir können von Glück sagen, dass Du nicht meinen job machst. Wir würden am Ende verhungern. Es gibt Probleme, die löst man gern für den Chef. Aber es gibt auch Probleme die nur gegen einen anderen Chef in Ordnung zu bringen sind. Wenn der wichtiger ist, als der eigene, dann ist es einfach klüger, das Problem nicht zu erkennen! "

      "Das ist mir alles zu kompliziert, Karl", Elsbeth verlor die Lust am Gespräch über die Firma, "denkst Du mein neuer Fitnesskurs zeigt schon Wirkung? Ich glaube ich habe schon etwas abgenommen."

      Schober war guter Stimmung, Elsbeth hatte gerade seine Überlegenheit akzeptiert. Er sah Elsbeth an und meinte: "Ja, das sehe ich. Du hast schon abgenommen. Sichtbar. Jetzt noch weitere zehn Kilo und Du siehst fast wieder so aus, wie vor der Schwangerschaft."

      Elsbeth zog ein schiefes Gesicht. Das war wohl zu deutlich gewesen, dachte er. Der Vorteil war, sie würde ihn heute wohl in Ruhe einschlafen lassen.

      Gemäß Lübmüllers Vorgabe sollte Schober das Geschäft gründlich kennenlernen. Deshalb bat er Sauerstein bei einer der Reisen zur technischen Beratung der Kunden dabei zu sein. "Wenn Sie das nächste Mal auf Tour sind, will ich mit. Da lerne ich aus erster Hand, was Sie tun und wie Sie es tun", meinte er, "wir können ja bei gemeinsamen Vorgehen von Kaufmann und Technik nur besser werden."

      "Die Zusammenarbeit könnte schon besser werden", war die Antwort, "wir haben zu oft Aufwand für den Kunden betrieben, dessen Anlage optimiert und modifiziert, ohne dann den neu geschaffenen Umsatz auch wirklich zu wollen. Dabei haben wir immer brav unsere Besuchsberichte geschrieben, informiert war die kaufmännische Seite eigentlich schon."

      "Was meinen Sie mit 'eigentlich'? fragte Schober nach.

      "Nun, entweder werden die Berichte nicht gelesen oder wir nicht informiert, was man wirklich möchte. Da passte plötzlich die Preisvorstellung des Einkäufers nicht mehr, oder wir wurden mit dem Beschluss konfrontiert, dieser Markt sei uninteressant geworden, oder für jenen Ort seien die Transportkosten zu hoch. Wenn wir diese Haltung früher wüssten, könnten wir unseren Aufwand rechtzeitig reduzieren."

      hober schenkte sich jeden Kommentar. Er beschloss, bei der nächsten Sitzung darauf zu bestehen, dass künftig Techniker erst dann mit Kunden reden dürften, wenn die kaufmännische Seite grünes Licht gegeben hatte. Er würde hier organisatorische Weichen stellen müssen!

      Sauerstein bot Schober die Teilnahme an einer Reise nach Österreich an: "Da können Sie sich bei drei Firmen ansehen, wie wir agieren. Den Kollegen Utnig lernen Sie dann auch gleich kennen. Der besteht immer darauf, dabei zu sein, weil Wien ja beschlossen hat, man brauche einen Österreicher für Österreich, der sei schneller vor Ort. Für uns macht er bequemerweise den Fahrer." Jetzt klang Sauerstein etwas sarkastisch: "In Österreich wird eben genug verdient, die können sich den Utnig und weitere Kollegen leisten! Sogar in diesen schlechten Zeiten fördern wir an der Uni die Grundlagenforschung."

      "Was meinen Sie denn damit?" wollte Schober wissen.

      "Bei unserem letzten Besuch der Papiertagung in Graz, wir hatten uns zur Kostendämpfung zu viert ins Auto gequetscht, saß plötzlich Ihr Kollege Kammerl im Gastgarten unseres Hotels. Der fragte erstaunt, ob Herr Lübmüller wüsste, dass wir zu viert unterwegs seien. Wir haben es ihm dann erklärt. Ein Vortrag bei der Tagung, Kundenkontakte zur Besprechung von Labortests und der Vorbereitung eines Betriebsversuchs sowie weitere Besuche auf dem Rückweg, rechtfertigen den Aufwand. Wenn man während einer Reise von fünf Tagen elf Kunden betreut und die Weichen für drei Versuchsserien stellt, ist das ziemlich effektiv."

      Schober zeigte Zurückhaltung, er murmelte: "Wenn Sie das sagen, scheint das so zu sein."

      "Der Kammerl war natürlich mit dem Flugzeug gekommen. Er hatte einen Termin mit einem Prof von der Uni. Der hat Geld von unserem Werk zur Erforschung der Perkohlensäure bekommen. Als wir ihm sagten, das sei kaum zu rechtfertigen, für sowas Geld auszugeben, hat der Kammerl