Christine Boy

Sichelland


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können...“ gab er zu Bedenken.

      „Ich würde es auch nicht zu meinem Vergnügen tun.“

      Lennys fragte sich, ob Sara damit auf das Blutbad im Wald anspielte, aber letztendlich war es nicht wichtig. Sara war keine Sichelländerin und auch keine Kriegerin. Für eine junge Tempelnovizin, die sich eigentlich dem Frieden verschrieben hatte, war ihre Einstellung zum Kampf eher ungewöhnlich.

      Erst als Lennys direkt hinter den beiden stand, bemerkten Akosh und Sara ihre Anwesenheit. Sofort trat Sara einen Schritt zur Seite.

      „Und?“ fragte Akosh erwartungsvoll und deutete auf den Gegenstand vor sich. „Was sagst du?“

      Der Shajkan glänzte im warmen Licht der Lampen, als wäre er in züngelnde Flammen getaucht. Tatsächlich war er kürzer und schlanker als der Säbel, den Lennys und Akosh trugen, weniger wuchtig und auch der Griff war filigraner und anmutiger gearbeitet. Statt des schwarzen Harzes glänzte die geschützte Stelle dunkelrot und im mittleren der drei schmalen, glatt polierten Korbbögen waren gleichfarbige Granate eingerieben. Saras Shajkan bestach eher durch einfache Eleganz, denn durch Reichtum und Prunk und sein beinahe unschuldiges Erscheinungsbild schien nur durch das seiner Trägerin übertroffen zu werden.

      „Gut.“ war Lennys' kurze und einfache Antwort.

      Akosh hatte kein Lob erwartet, erst recht keine Begeisterung. Der kurze Kommentar der Cycala war schon mehr, als er hatte erhoffen können und so wagte er den nächsten Schritt.

      „Ich habe auch den Dolch fertig. Es ging schneller als ich dachte. Möchtest du ihn sehen?“

      Lennys nickte, war aber nicht sonderlich interessiert. Als Akosh die Waffe vor sie auf den Tisch legte, änderte sich das schlagartig.

      Der Dolch glich jenem, den Sara so bewundert hatte, die Klinge war sogar beinahe identisch. Doch statt aus purem Bernstein bestand dieser Griff aus schwarz geharztem Holz, dass erst zum hinteren Drittel auslief und einen honigfarbenen Abschluss des kegelförmigen Steins freigab, den Sara in der Schublade des Schmieds gefunden hatte. Es fehlte sonst an jeglicher Verzierung.

      „Deshalb wolltest du mit mir darüber reden...“ sagte Lennys.

      „Es ist nicht derselbe. Der Stein ist heller und...“ versuchte Akosh einzulenken, bevor Lennys einen ihrer berüchtigten Wutanfälle bekam.

      „Ich sehe die Unterschiede durchaus, danke.“ unterbrach sie ihn barsch.

      „Hast du etwas dagegen....?“ fragte Akosh.

      „Es ist nur ein Werkzeug. Sinnlos, sich damit Mühe zu machen.“ bemerkte sie nur achselzuckend, auch wenn ihre Worte nicht ganz so gelangweilt klangen, wie sie es beabsichtigt hatte. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ die Werkstatt. An der Tür machte sie noch einmal kurz Halt und rief, ohne sich umzudrehen:

      „Ich erwarte dich in einer halben Stunde zum Aufbruch nach Norden in die Sümpfe. Wir gehen zu zweit, Sara bleibt hier.“

      Sie ritten wortlos nebeneinander her. Den größten Teil der Strecke konnten sie rasch zurücklegen, erst das letzte Stück mussten sie ihre Pferde zügeln, da das Gelände unwegsamer und der Boden weicher wurde.

      „Wenn sich eines der Tiere ein Bein bricht, wird Mosgul mich umbringen. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, beide bis Sonnenaufgang unversehrt zurückzubringen...“ brach Akosh schließlich das Schweigen.

      „Wir werden sie dort vorne zurücklassen und das letzte Stück zu Fuß gehen. Niemand wird sie da finden und wir brauchen nicht lange um zurückzukehren.“ erwiderte Lennys.

      Der Wald lichtete sich bald, doch jetzt erschwerten immer wieder Nebelschwaden die Sicht. Die Luft war feucht und der modrige Geruch der Singenden Sümpfe wehte ihnen immer wieder von Nordwesten entgegen. Weit und breit ließ sich kein Lebewesen blicken.

      „Mir ist noch nichts aufgefallen.“ sagte Lennys schließlich. „Keine Spuren, keine ungewöhnlichen Stellen. Keine Überreste von Lagern.“

      „Enttäuscht?“ schmunzelte Akosh.

      „Sei nicht albern.“

      „Wir könnten einen anderen Weg zurücknehmen, wenn du nach ihnen suchen willst.“

      „Zuerst einmal wirst du suchen. Ich hoffe, du kannst dich noch an die Stelle erinnern?“

      „Natürlich. Wie könnte ich sie vergessen?“

      An einem der jetzt merklich dürrer gewordenen Bäume banden sie die Pferde fest und gingen am Waldrand entlang. Rechts von ihnen war die Landschaft bei Nacht für die meisten nur ein undeutliches, verschwommenes Grau. Nebel und Dunst vermischten sich mit den Silhouetten von fasrigen Gräsern, niedrigem Schilf und blütenlosen Sumpfpflanzen, die aus teils knöchel-, teils hüfttiefem Schlammlöchern und überfluteten Senken aufragten. Selbst jetzt, wo schon der abnehmende Mond die Landschaft beleuchtete, wurden die Ankommenden von Stechmücken umschwärmt. Sie belagerten den Sumpf das ganze Jahr über, ganz gleich, ob Sommer oder Winter.

      Nur wenige hundert Meter weiter, noch ganz vom Dunst umhüllt und verborgen, stieg eine sanfte Anhöhe aus dem Moor. Einige verwitterte Weiden mit knorrigen Stämmen und beinahe vollkommen kahlen Ästen hatten sich in den Boden dort gekrallt, umgeben von Disteln und Nesseln. Akosh hielt direkt auf die Insel zu.

      „Doch nicht etwa dort?“ nickte Lennys zu den Bäumen hinüber.

      „Es gibt nicht viele sichere Orte hier.“ meinte Akosh nur und watete weiter durch den knietiefen Schlamm.

      Bei den Weiden angekommen, musste der Schmied jedoch ein wenig suchen, bis er den richtigen Baum fand. Er sah genauso aus wie alle anderen, aber zwei Wurzelstränge ragten wie ein großer Knoten hervor und verbargen so eine Spalte darunter, die in einen Hohlraum führte. Bis zur Schulter schob Akosh auf dem Boden liegend seinen Arm in das Versteck und tastete darin herum, bis sein Gesicht einen erleichterten Ausdruck annahm und er einen großen Lederbeutel vorsichtig herauszog.

      Kelch und Sichel glänzten wie frisch poliert und auch Akoshs Augen leuchteten als er seine so lange verwahrten und auch so sehr vermissten Besitztümer wieder in den Händen hielt.

      Lennys wartete einige Minuten, bevor sie wieder zum Aufbruch mahnte und sah zu, wie Akosh erst über die Klinge und dann über den Kelch strich. Wie leicht konnte man ihre Schönheit und ihre Macht vergessen, wenn man sich davon getrennt hatte. Man verdrängte die Erinnerung, bevor sie schmerzen konnte und fühlte die Linderung erst, wenn man das Verlorene zurückerhielt.

      Niemals hätte Lennys ihre Sichel verlassen, sich nie von ihr getrennt. Doch Akosh hatte ein neues Leben begonnen, er war anders als sie. In vielerlei Hinsicht.

      „Wir sollten wieder zurückgehen. In ein paar Stunden geht die Sonne auf und dann möchte ich Goriol so schnell wie möglich hinter mir lassen.“

      „Gut. Ich bin bereit.“ nickte Akosh lächelnd. „Auch für jenes, was sich uns vielleicht noch heute nacht in den Weg stellt.“

      „Ich hätte nichts dagegen.“ sagte Lennys zufrieden. „Wir werden sehen, ob der Westen des Waldes ergiebiger ist.“

      „Vielleicht sind sie schon längst weitergezogen... nach Elmenfall oder Gahl..“ gab Akosh zu Bedenken.

      „Das glaube ich kaum. In Goriol ist aus ihrer Sicht am meisten zu holen. Verfluchte Hantua! Sie verkriechen sich wie die Schaben und glauben, uns so zu entwischen. Hat die Geschichte sie nicht genug gelehrt?“

      „Genug um zu wissen, dass auch wir Fehler machen. Und sie hatten bislang Erfolg mit ihrem Vorgehen.“

      „Nicht mehr lange. Wir holen sie uns, einen nach dem anderen. Sie haben keine Chance gegen die Macht Cycalas'! Es ist ihr Tod, unseren Zorn erneut zu reizen. Noch haben sie keine Ahnung, mit wem sie sich tatsächlich angelegt haben.“

      „Ein offener Krieg mit Zrundir könnte auch für uns gefährlich werden.“ mahnte der Schmied unbehaglich.

      „Könnte er das? Bist du dir so sicher? So viele Jahre