Christine Boy

Sichelland


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kann!“

      Menrir und Lennys erreichten unterdes einen breiten Gang, der am Nordende der Galerie in einen stillen Flügel mündete. Die neugierigen Gesichter der Tempelbewohner, die sich hier und dort aus Wandnischen und hinter nur scheinbar verschlossenen Türen gezeigt hatten, hatten sie jetzt hinter sich gelassen und statt eines verstohlenen Murmelns und Flüsterns hallten jetzt nur die kraftvollen Schritte der Gesandten und das Schlurfen von Menrirs Sandalen durch die Mauern. An einer polierten Tür aus dunklem, rot schimmernden Holz etwa in der Mitte des Ganges blieb der Heiler stehen.

      „Es tut mir leid, ich konnte Beema nicht davon abbringen. Sie wollte dir unbedingt eines ihrer schönsten Zimmer anbieten. Allerdings konnte ich sie überreden, den vorhandenen und überflüssigen Zierrat zu entfernen. Ich sagte ihr, dass es besser sei, auf manches zu verzichten, als auf Luxus zurückzugreifen, der nicht deinem Geschmack entspricht.“

      Lennys zuckte die Achseln. „Das ist mir egal. Ich will ja nicht hier einziehen.“ Dann fiel ihr etwas ein.

      „Du wolltest mir noch sagen, warum du dieses junge Ding hier hoch geschickt hast. Ich brauche sie nicht.“

      Menrir senkte die Stimme. „Vielleicht doch. Sie ist wirklich nicht übel, Lennys, und sie hat sich auch nicht um diese Aufgabe gerissen. Ich weiß, du hast lieber deine Ruhe und kümmerst dich selbst um deine Angelegenheiten. Aber ich bitte dich, gib ihr eine Chance. Es ist nicht ihre Schuld, dass du hier bist und du musst zugeben, dass es nicht leicht ist, dich zufrieden zustellen.“

      „Es ist ganz leicht, wenn sie sich einfach von mir fernhält.“

      „Darüber haben wir doch schon gesprochen. Kannst du nicht... ein wenig nett zu ihr sein? Mir zuliebe?“

      „Ich war dir zuliebe gerade eben schon viel zu freundlich.“ erwiderte Lennys bissig. Menrir lächelte.

      „Ja, und ich bin deshalb sehr dankbar und zugleich erleichtert, dass du meine Bitte ernst genommen hast. Vielleicht kannst du es noch einmal tun?“

      „Ich sehe dafür keinen Grund. Mag sein, dass es Cycalas' Ansehen nicht zuträglich wäre, wenn ich Beema ins Gesicht sage, was ich von ihr halte. Aber das heißt nicht, dass ich mich mit irgendwelchen verzogenen Gören herumärgern muss, nur weil du sie gerne um dich hast.“

      „Sara ist keine verzogene Göre.“ antwortete Menrir bestimmt.

      „Es ist mir egal, was sie ist. Ich warne dich, Menrir. Wenn sie mir auch nur im Entferntesten auf die Nerven geht, fliegt sie raus und du mit ihr. Ich habe wirklich Wichtigeres zu tun als Kindermädchen zu spielen oder fragwürdige Tempelkarrieren in Schwung zu bringen!“ Sie wandte sich wieder der Tür zu, hielt dann aber erneut inne. „Wir haben einiges zu besprechen. Du willst sie doch wohl nicht dabei haben?“

      „Ich vertraue ihr, Lennys. Ebenso wie dir. Sie wird schweigen wie ein Grab.“

      „Es geht sie nichts an!“

      „Und was, wenn du doch ihre Hilfe brauchst? Willst du dann anfangen, ihr alles zu erklären? Lennys, du wirst nicht immer alles alleine machen können in den nächsten Tagen, das weißt du. Und auf mich wirst du auch nicht immer zählen können. Sara kennt sich in der Gegend gut aus, sie ist meine beste Schülerin und ... sie hat viel unter Beema zu leiden. Verstehst du nicht? Sie könnte dir wirklich von Nutzen sein!“

      Wütend funkelte Lennys den Heiler an. „Ich brauche niemanden!“

      „Wirst du sie bleiben lassen?“ fragte Menrir noch einmal hoffnungsvoll.

      Ohne darauf zu antworten, sagte Lennys nur:

      „Lass uns endlich von diesem Gang verschwinden.“

      Der große Raum war zweigeteilt und lichtdurchflutet. Im vorderen, eher kleinen Teil stand ein kleiner Tisch mit duftenden Rosen, ein niedriger Hocker und eine große goldbeschlagene Truhe. Ein schwerer roter Samtvorhang war neben dem Durchgang in das eigentliche Schlafzimmer zurückgebunden worden.

      Hier fiel der Blick zunächst auf ein gewaltiges Bett aus demselben handgeschnitzten roten Holz, aus dem auch die Tür gezimmert war. Weiße Seidenlaken und bestickte Kissen ließen erahnen, dass hier normalerweise Fürstentöchter ihren Schlaf fanden und die vergoldeten Kerzenhalter an der Wand hätten auch aus Logs Palast im Südreich stammen können. Auf der anderen Seite des Zimmers hatte jemand mehrere samtene Sitzpolster um einen niedrigen Tisch gruppiert, der ebenfalls mit Blumen geschmückt war.

      Der steinerne Boden wurde größten Teils von einem Teppich aus gefärbter Wolle bedeckt, doch die Wände waren kahl und das Mauergestein zwar sauber und poliert, jedoch schmucklos. Lennys fragte sich einen Moment lang, wie das Zimmer wohl sonst aussah. Vermutlich hatte die Oberin einige erdrückende Wandteppiche und kostbare Vasen ausräumen lassen.

      Sara hatte in einer Ecke in dem kleinen Vorraum gewartet und neigte den Kopf als sich die Tür öffnete. Sie war schon beinahe erleichtert als Lennys achtlos an ihr vorbeiging und selbst Menrirs aufmunterndes Lächeln konnte ihr die Angespanntheit nicht nehmen.

      Die Cycala stand inzwischen vor dem hohen Fenster und sah stirnrunzelnd in die Abendsonne. Dann zog sie die Vorhänge zu, so dass der Raum nun in rötlichem Dämmerlicht lag.

      „Ich möchte nicht, dass sich das Zimmer am Tage aufheizt. Lass die Vorhänge zu, auch wenn ich nicht da bin, hast du verstanden?“ sagte sie dann an Sara gewandt. Die Novizin nickte, sagte aber einer Vorahnung folgend nichts und Lennys' Miene entspannte sich etwas.

      „Außerdem wirst du später diese Blumen hinaus bringen... und nimm dann am besten auch gleich die Kissen auf dem Bett mit. Die Laken kannst du dort lassen. Und das da....“ Sie deutete auf eine Schale mit Obst, die auf einem schmalen Sims neben dem Bett stand, „kannst du dir nehmen, wenn du magst. Wenn nicht, wirf es weg.“

      „Ich habe verstanden.“ antwortete Sara jetzt leise, verzichtete aber bewusst auf einen formellen Zusatz.

      „Gut, das ist alles. Du kannst.....“ Lennys fing einen flehenden Blick von Menrir auf. „...dich wieder setzen. Sollte jemals jemand von dir erfahren, was in diesem Raum gesprochen wird, dann wird dein nächstes Gebet dein letztes sein.“

      Sara erbleichte, nickte dann aber noch einmal und zog sich wieder in den Vorraum zurück. Sie sah nicht, wie Menrir mit gespielter Verzweiflung die Augen rollte.

      „Das musste jetzt sein?“ fragte er leise.

      „Was?“ zischte Lennys zurück.

      "Nichts..."

      Menrir seufzte noch einmal, dann fuhr er wieder in normaler Lautstärke fort:

      „Wo sind deine Sachen?“

      „Welche Sachen?“ Lennys nahm ihren Umhang ab und warf ihn achtlos über einen der Bettpfosten. Erst jetzt sah Sara, dass das funkelnde Silber, das sie schon draußen bemerkt hatte, zu einer ungewöhnlichen Waffe gehörte. Die beidseitig scharf geschliffene Klinge hatte die Form einer Sichel und einen Durchmesser von etwa eineinhalb Ellen. Am auffälligsten - neben der imposanten Größe - war der kunstvolle Griff, der von einer silbernen, geflügelten Schlange umschlossen wurde.

      Auf der rechten Seite des Gürtels, halb verdeckt von einer breiten, flachen Ledertasche, schimmerte eine silbern bestickte Scheide, in der etwas steckte, das an einen breiten Säbel erinnerte, aber nur die Länge eines Schlachtermessers hatte. Die Cycala löste nacheinander alles vom Gürtel und legte es nebeneinander auf die Seidenlaken des Bettes.

      „Das ist alles was ich dabei habe. Den Rest organisiere ich bei Gelegenheit.“

      „Der Markt von Goriol hat recht ordentliche Ausrüstungen zu bieten. Ich könnte dir in den nächsten Tagen alles besorgen, was du brauchst.“ bot der Heiler an.

      „Wir werden sehen.“ Sie setzte sich aufs Bett ohne die Stiefel auszuziehen, lehnte den Rücken an die Wand und verschränkte die Arme. Dann schloss sie für einen Moment die Augen.

      „Was ist mit diesem Essen heute abend? Komme ich drumherum?“