Christine Boy

Sichelland


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ergeben wird, aber ich werde es euch wissen lassen, wenn es soweit sein sollte.“

      „Natürlich.... ich stehe euch jederzeit zur Verfügung...“ nickte Beema und griff erneut zu ihrem Taschentuch. „Vielleicht möchtet ihr auch gerne unsere Bibliothek besuchen. Unser Schriftmeister ...Baramon wird euch gerne das Archiv zeigen, ..." Sie sah zu dem einzigen Stuhl, der bislang leer geblieben war. Jener Bibliothekar, von dem sie gesprochen hatte, hatte sich unmittelbar vor Beginn des Essens wegen Unpässlichkeit von der Feier entschuldigen lassen.

      "...es reicht mehrere hundert Jahre zurück....“

      Menrir runzelte die Stirn. Irrte er sich oder wurde der Atem der Oberin schwerer? Auch schien ihr Gesicht nicht mehr so rosig wie noch vor einigen Minuten... oder täuschte das durch die flackernden Kerzen rings herum? Es war ein heißer Tag gewesen und der süße, schwere Wein wirkte sicher schneller als er es sonst getan hätte. Lennys schien allerdings nichts zu bemerken, sie musterte Beema nur ausdruckslos und schien auf nähere Erklärungen über das Tempelarchiv zu warten.

      „... es soll sogar Aufzeichnungen über... den Chaz-Kult enthalten..., obwohl es heißt, ... dass alle... alten Schriften darüber.. vernichtet wurden...“ Beema schluckte und schien nun Mühe zu haben, weiter zu sprechen. Menrir beugte sich nach vorne.

      „Oberin, ist alles in Ordnung?“

      „Aber ja.. es ist... mir ist nur ein wenig heiß...“ Sie keuchte.

      Nun wurden auch einige der Priesterinnen und die Vorsteherin der Kräuterküche auf das Unwohlsein ihrer Schwester aufmerksam.

      „Soll ich euch nach draußen bringen?“ fragte eine ältere Frau in hellgrauer Kutte.

      „Nein...nein...danke, das ist nicht....oder vielleicht könntest du, Menrir...?“

      Der Heiler sprang sofort auf und eilte um den Tisch. „Aber natürlich, Oberin. Die kühle Luft wird euch gut tun, kommt. Und vielleicht auch ein paar Tropfen zur Stärkung...“

      Zusammen mit der alten Priesterin half Menrir Beema auf und stützte sie bis sie die Tür des Saales erreichten. Kaum war diese hinter ihnen wieder ins Schloss gefallen, lebten die Unterhaltungen wieder auf und die Anwesenden feierten ungerührt weiter.

      „Ihr müsst wissen, Herrin, unsere Oberin ist recht anfällig, was ihren Kreislauf betrifft.“ erklärte eine andere Tempeldienerin. „An Tagen wie heute passiert das öfter, es besteht kein Anlass zur Sorge.“

      Ihre Tischnachbarin kicherte weinselig. „Ja, und der arme Menrir muss es immer ausbaden.“

      „Es ist nicht viel Zeit.“ flüsterte jemand hinter Lennys. „Ich weiß nicht, wie schnell die Medizin heute wirkt....“

      Als sich die Cycala erhob, verstummten sofort Gespräche wie auch Gelächter und auch die Novizinnen, die im Hintergrund neue Flaschen öffneten, schienen in ihrer Bewegung zu erstarren.

      Sara trat einen Schritt vor.

      „Die Botschafterin wünscht sich nach der weiten Reise nun in ihre Räumlichkeiten zurückzuziehen, doch sie dankt allen Anwesenden wie auch unserer Oberin für diesen gelungenen Abend. Sie bedauert, nicht weiter mit euch feiern zu können und bittet darum, dass das Fest auch ohne ihre Anwesenheit fortgesetzt wird. Bitte richtet Oberin Beema zudem die besten Genesungswünsche im Namen der Gesandten Cycalas' aus.“

      Einige der Tischgäste nickten unsicher, andere standen auf und verneigten sich nervös als Lennys nun an ihnen vorbei schritt und auf die Tür zuhielt. Sofort eilten mehrere Mädchen herbei um die Flügel zu öffnen und schüchtern eine angenehme Nacht zu wünschen.

      Im ersten Stock herrschte Stille und noch nicht einmal diejenigen, denen die Teilnahme am Festmahl verwehrt geblieben war, schienen sich in die Nähe des Nordflügels zu wagen, in dem das Schlafzimmer lag. Mittlerweile war es in dem Raum angenehm kühl geworden und als Lennys die Vorhänge zurückzog, wehte eine feuchtkalte Brise herein. Der Nebel war zurückgekehrt.

      „Was war in ihrem Wein?“ fragte Lennys schlicht als Sara die Tür wieder verschlossen hatte. Die Novizin zögerte.

      „Es ist kein Vorwurf. Ich will es nur wissen.“

      „Gall-Öl. Ich habe ihren Kelch mit ein paar Tropfen davon eingerieben, bevor die Feier begann.“ antwortete Sara schließlich leise.

      „Du warst die ganze Zeit neben mir.“ erwiderte Lennys.

      „Nicht, als Beema euch begrüßt und euch zu eurem Platz geleitet hat.“

      „Ich bin keine Heilerin. Was ist die Wirkung von diesem Zeug?“

      „Es verursacht Hitzewallungen und manchmal auch Übelkeit. Eigentlich ist es nicht sehr stark, aber Beema ist etwas empfindlicher als andere. ... Ich habe auch nur sehr wenig genommen.“

      „Nicht mehr als nötig, meinst du.“ Die Spur eines Lächelns zeigte sich auf Lennys Gesicht, doch es war ebenso schnell wieder verschwunden wie es gekommen war.

      „Das war gut.“ sagte sie dann nur, doch Sara empfand diese Worte als das größte Lob, das sie hätte bekommen können.

      „Dir ist hoffentlich klar,....“ sagte Lennys dann wieder ernst, „..dass Menrir uns beiden dafür den Kopf abreißen würde, wenn er es wüsste?“

      „Ja....“

      „Er wird ohnehin nicht begeistert sein, wenn er sieht, dass ich gegangen bin. Am besten, wir lassen ihn eine Nacht darüber schlafen. Wenn er heute noch einmal hier oben auftauchen sollte, wirst du ihn nicht hereinlassen, verstanden?“

      „Ja.“

      „Gut. Du kannst im Vorraum schlafen. Nimm dir ein paar von den Decken, es sind mir sowieso zu viele. Und zieh den Vorhang hinter dir zu.“

      Sara nickte, rührte sich aber nicht von der Stelle.

      „Ist noch etwas?“

      Statt einer Antwort holte die Novizin etwas aus der Innentasche ihrer Kutte hervor. Der Gegenstand war in ein helles, grobes Leinentuch eingeschlagen.

      „Was ist das?“

      „Rum aus Manatara. Ich weiß nicht, ob ihr ihn mögt, aber....vielleicht ist er euch lieber als der Fangmor-Wein.“ sagte Sara etwas unsicher.

      Lennys starrte sie ungläubig an.

      „Sag jetzt nicht, dass du während Beemas Begrüßung auch noch in den Keller eingebrochen bist.“

      Sara schüttelte den Kopf.

      „Nein. Menrir hat schon vor längerer Zeit einmal erzählt, dass man nördlich von Valahir keinen Wein trinkt. Es ist mir heute morgen eingefallen.“

      Draußen auf dem Gang hallten Schritte. Jemand hatte es scheinbar eilig, doch er hastete an dem Zimmer vorbei und war kurz darauf nicht mehr zu hören. Einen Moment lang blieb Lennys' Blick an der Tür haften als erwartete sie, dass doch noch ein ungebetener Besucher hereinstürmte, doch alles blieb ruhig. Sie wandte sich wieder Sara zu.

      „Du kannst jetzt schlafen gehen.“ Sie sah auf das Leinenbündel in den Händen der Novizin. „Und lass die Flasche hier.“

      „Das war wirklich nicht ... nett...“ sagte Menrir am nächsten Morgen verärgert. „Ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass wir versuchen, etwas aus Beema herauszubekommen? Was diese ... Dinge angeht, du weißt schon!“ Er lief gereizt auf dem steinigen Weg des Tempelhofes auf und ab. Kurz zuvor hatte Sara ihn in seinem Gästezimmer aufgesucht und ihm bestellt, dass Lennys ihn draußen hinter dem Waschhaus erwartete, wo um diese Zeit noch keine Menschenseele die Ruhe störte.

      „Wir?“ zischte Lennys gefährlich. „Wir haben rein gar nichts beschlossen, sondern du hattest nur deine eigenen Vorstellungen. Und du solltest dir ein für alle Mal merken, dass diese nicht von Belang sind. Versuch nicht, mir Vorschriften zu machen, alter Mann, es könnte das Letzte sein, was du tust!“

      „Aber versteh doch...“ erwiderte der Heiler jetzt entschuldigend. „Es