Jo L.L. Roger

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aus den Haaren zu schütteln.

      „Lass uns Essen. Du bist bestimmt hungrig.“

      „Ja. Das hier ist sowieso sinnlos.“ Sie holt Boxershorts aus der Kommode, zieht sich eins von Carls langen T-Shirts über und fixiert die Haare mit einem Haarreif. Ohne weitere Worte zu verlieren, kehren die beiden in die Küche zurück. Er kontrolliert die Pizza im Backofen, während sie das Bier aus dem Kühlschrank nimmt. Sie öffnet die Flaschen und stellt sie auf den Tisch. „Ist leider nicht richtig kalt.“

      Carl greift zur Flasche, um die Temperatur abzuschätzen. Nachdem er den Flaschenhals mehrmals betastet hat, zieht er eine enttäuschte Miene. Brigitta setzt sich in die Ecke der Eckbank, die nackten Füße auf der hölzernen Sitzfläche. Gemeinsam stoßen die beiden miteinander an. „Wenigstens lagert mein Papa das Bier nicht im Heizungskeller.“ Carl nimmt neben ihr Platz, sodass sie die Beine auf seinen Schoß ausstrecken kann. Zärtlich streichelt er Brigitta von den Knien zu den Zehenspitzen, bis sie herzhaft kichert. „Lass das, ich bin kitzlig.“

      „Aber ich mag deine süßen Zehen.“

      „Ich wusste gar nicht, dass du einen Fußfetisch hast?“

      „Hab ich auch nicht! Ich habe einen Brigittafetisch.“

      Sie grinst ihn an, beugt sich ein Stück nach vorne und küsst ihn. „Jetzt geht es mir besser!“

      „Pizza sollte auch gleich fertig sein.“

      „Wunderbar, dann hoffe ich, dass meine Schwester bald abhaut und wir unsere Ruhe haben.“

      „Glaubst du, dass sie ausgeht?“

      „Warum sollte sie gerade heute zu Hause bleiben? Die vögelt sich doch sonst jedes Wochenende durch München.“

      Schweigend gönnt sich Carl einen Schluck aus der Flasche. „Martin hat mir übrigens endlich seine Neue vorgestellt.“

      „Und?“

      „Ist dreizehn und steht auf Mangas!“

      „Igitt! So ein Perversling. Kein Wunder, dass er sie vor uns versteckt.“

      „Ich versteh auch nicht, warum er etwas mit so einem Kind anfängt.“

      „Ganz ernsthaft! Du solltest dich von dem Drecksack fernhalten, solange er sich mit kleinen Mädchen vergnügt“, antwortet sie mit strengem Blick.

      „Er ist trotzdem ein Freund.“ Carl zuckt mit den Schultern. „Wir kennen uns so lange, da kann ich ihn nicht wegen einer neuen Freundin zum Teufel jagen.“

      „Warum nicht?“ Brigitta zieht die ausgestreckten Füße an ihren Körper zurück.

      „Weil wir uns ewig kennen.“

      „Willst du deshalb mit ihm eine Zelle im Knast teilen?“

      „So weit wird’s nicht kommen.“

      „Bist du dir sicher? Ich will den ekligen Typen zumindest nicht ständig um mich herum haben!“

      Carl gönnt sich einen Schluck aus der Bierflasche und steht auf. Da die Kruste der Tiefkühlpizza mittlerweile goldbraun gebacken ist, schaltet er den Ofen aus. In aller Ruhe sucht er ein Messer aus der Besteckschublade. Brigitta deutet mit dem ausgestreckten Finger auf einen Küchenschrank. „Die runden Holzbretter sind dort drüben.“ Er holt ein Brett heraus, auf dem er die Pizza platziert. Vorsichtig stellt er sie auf dem Küchentisch ab und zerteilt sie in vier Stücke.

      „Danke!“

      Er lächelt seine Freundin an, die mit Heißhunger in das erste Stück beißt. Carl sich setzt zu ihr auf die Eckbank und legt den Arm um sie. Anschließend greift er ebenfalls zur Pizza.

      Als die beiden Julias flinke Schritte auf der Treppe hören, löst sich Brigitta aus der Umarmung. Eilig schlüpft Julia in ihre Stilettos, bevor sie die dunkle Jacke über das seidig glänzende Minileid drapiert. „Hallo, Computerfreaks!“, begrüßt sie die beiden in der Küche. Ihre Blicke bleiben auf den Spiegel gerichtet, vor dem sie die dunklen Locken zurechtstreicht. Sorgfältig kontrolliert sie ihr Make-up. „Du solltest jetzt besser wegschauen, damit mein Schwesterchen nicht eifersüchtig wird.“

      Carl blickt zu ihr auf, während Julia unter die üppige Oberweite fasst. „Tut mir leid, da war ich wohl zu langsam“, scherzt er.

      „Macht nix, dann siehst du wenigstens mal richtige Titten!“

      Brigitta knallt die Bierflasche auf den Tisch und dreht sich mit einem lauten Brummeln zur Seite. Julia antwortet mit einem kurzen Lacher. „Aha! Miss Mathegenie besitzt noch immer keinen Humor.“

      Brigitta ignoriert ihre Schwester so gut es geht, indem sie in ein zweites Pizzastück beißt. Carl seufzt.

      „Kannst du uns am Wochenende vom neunten bis elften August bei der LAN-Party helfen?“

      „Ja, klar. Kann schon vorbeikommen, falls ihr mich braucht. Freitags haue ich im Labor sowieso immer gegen Mittag ab.“

      „Merci! Dann planen wir dich fest ein.“

      „Das hoffe ich!“ Julia zwinkert Carl zu. „Ich freue mich schon auf die vielen Jungs.“

      „Kein Wunder, dass du es kaum abwarten kannst, deine Euter in der Öffentlichkeit herzuzeigen!“, giftet Brigitta.

      Lachend fährt Julia mit einer Hand über ihre rechte Brust. „Immer noch neidisch auf ...“ Aufgescheucht durch die Haustürklingel eilt sie zur Tür. Gackernd begrüßt sie ihr Date. Auf dem Weg nach draußen winkt sie Brigitta und Carl dennoch zum Abschied. „Ciao, ihr beiden! Vergesst bloß nicht, ein paar Festplatten aufzubohren oder was ihr sonst so miteinander treibt.“

      „Da hat wohl jemand einen neuen Stecher gefunden“, seufzt Brigitta, während die Haustür zufällt.

      „Ignorier Julias Sticheleien doch einfach.“

      „Ja, ja! Hast ja recht, aber sie weiß immer, wie sie mich am besten provozieren kann!“

      Carl legt seinen Arm um Brigittas Schulter und drückt sie zaghaft.

      * * *

      In der Mitte des viel zu kleinen Schreibtischs in Brigittas Zimmer stehen mehrere ungeöffnete Dosen mit Red Bull, auf denen unzählige Wassertröpfchen kondensieren. Einsam sitzt Carl vor einem alten Computer, den er bei Brigitta untergestellt hat. Aufgrund der sommerlichen Hitze trägt er ebenfalls nur Shirt und Shorts. Neben der Tastatur steht eine leere Bierflasche. Auf dem Desktop ordnet er kunstvoll eine Reihe von IRC-Kanälen an, damit er den verschiedenen Diskussionen gleichzeitig folgen kann. Die meisten der Kanäle führen den Begriff Warez in irgendeiner Variation im Namen. Seine volle Aufmerksamkeit gehört jedoch dem IRC-Kanal #TradersOfPain, dem privaten Chat seiner Freunde. Auch Brigittas Computer läuft, obwohl sie nicht davor sitzt. Sie hat sich ebenfalls in diverse Kanäle eingeloggt. Ihr Status steht jedoch auf away from keyboard.

      Carl folgt einer angeregten Diskussion zwischen Vincent, BlitzKey und Thorsten, die sich darüber austauschen, welche Software in den letzten Tagen ins Internet gestellt wurde. Nebenbei beobachtet er die Gespräche im Kanal #TOPwarez, dem öffentlichen Chat des Grüppchens, in dem hauptsächlich auf Englisch geschrieben wird. Über einen IRC-Bot, ein automatisiertes Programm, das sich als Chatteilnehmer ausgibt, verwaltet Carl eine Liste von Dumpsites. Dies sind jene öffentliche FTP-Server, auf denen raubkopierte Programme mehr oder minder geschickt versteckt und verteilt werden. Oft bestehen diese nur kurz, bis ein Administrator die illegalen Daten löscht, nachdem der Datenverkehr auf dem Server meist explosionsartig ansteigt. Sobald Benutzer aus dem Chat Adressen frischer Dumpsites an den Bot schicken, überprüft Carl die Zugangsdaten. Je nach Qualität der Seite und des angebotenen Inhalts nimmt er sie entweder in die Liste auf oder weist sie zurück. Falls er den Server akzeptiert, sendet der Bot die Daten in den privaten Chatkanal. Die Gruppenmitglieder verteilen dann neue Releases auf der Seite oder laden vorhandene Programme, die ihnen fehlen, von dort herunter. Erst nach einer gewissen Zeit aktualisiert der Bot die Liste im öffentlichen Kanal, damit die Masse der Internetnutzer schließlich darüber