Jo L.L. Roger

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wirklich. Ist mir aber egal. Beim Bescheid der Ausmusterung lag ein Zettel mit irgendwelchem bürokratischen Kauderwelsch bei, für das man sicherlich auch einen Crack benötigt.“

      „Das kann ich mir gut vorstellen“, erwidert Brigitta lachend.

      „Willst du mal sehen, wie so etwas aussieht?“

      „Ja, warum nicht?“

      Carl holt das graue Briefkuvert aus dem Rucksack, das er ihr in die Hand drückt. Sie nimmt das Schreiben heraus und überfliegt den Text. „F vierundachtzig Punkt fünf“, murmelt sie gedankenverloren.

      „Sagt dir das Kauderwelsch irgendwas?“

      Brigitta schüttelt energisch mit dem Kopf. „Bin nur froh, dass ich als Frau nicht zum Bund muss.“

      „Das kann ich sehr gut verstehen.“

      „Chattest du länger mit den Jungs?“

      „Warum fragst du?“

      „Ich möchte mit dir kuscheln.“

      „Versteckt sich dein Lover noch unter dem Bett?“

      „Ist mir egal! Der Sex mit dir ist viel schöner.“ Ohne vom Monitor aufzusehen, streckt ihr Carl den Arm entgegen. Sie schmiegt sich zärtlich an ihn. Während er die letzten Zeilen in das Chatfenster tippt, küsst er Brigitta bereits liebevoll in den Nacken.

      0b0001100: [Think big]

      Der süßliche Geruch von Schweiß und Energydrinks liegt in der Luft. Im Zimmer herrscht eine trockene Hitze. Martin und Carl sitzen vor den Computern. Gekonnt fährt Martin mit flinken Handbewegungen über das Grafiktablett.

      „Probier mal diese Version unseres Logos“, unterbricht ihn Carl. „Jetzt sollte die Farbseparation stimmen.“

      „Danke.“

      „Kannst du die Schriftart ersetzen?“

      „Keine Sorge! Times New Roman fliegt auf alle Fälle raus.“ Carl öffnet Martins unendlich erscheinende Sammlung von Schriftschnitten. Während er durch das Verzeichnis scrollt, stößt er einen Seufzer aus. „Wie behältst du eigentlich den Überblick über die Schriftarten?“

      „Guck einfach in die Referenzordner, da liegen Bilder mit Beispielen der Schriften alphabetisch sortiert und nach Schriftfamilien gruppiert.“

      „Verstehe.“

      Martin zuckt zusammen, als es an der Haustür klingelt. Bedächtig legt er den Stylus zur Seite und steht auf. „Mist!“ Er wirft einen Blick auf seine Uhr. „Sie ist zu früh.“

      „Sie?“

      „Meine Freundin.“

      „Aha, das große Mysterium!“

      „Ha! Ha!“ Mit hängenden Schultern schlurft Martin zur Tür. Carl schaut ihm für einen Augenblick hinterher, bevor er sich auf die Suche nach einer neuen Schriftart macht. Wenig später hört er die Klingel der Wohnungstür. Gemeinsam mit einem dünnen Mädchen mit kurzen, pink gefärbten Haaren und graublauen Augen betritt er das Zimmer. Ihn erinnert das Gesicht des Mädchens ein wenig an Kiki. Carl mustert sie aufmerksam. Sie trägt eine schwarze Leggings unter dem bunten Longshirt. Er bemerkt sofort, dass sich ihre Nippel deutlich darunter abzeichnen. Ihr übertriebenes Make-up könnte aus einem Manga stammen. Sie streckt ihm die Hand entgegen. „Hallo! Ich bin Aiko.“

      „Hallo, Aiko!“ Er drückt die Hand. „Ich bin Carl.“

      „Martin hat bereits viel von dir erzählt!“

      „Hat er das?“

      „Ja, aber natürlich nur Gutes“, antwortet sie mit einem Zwinkern.

      „Wir brauchen noch ein bisschen“, entschuldigt sich Martin bei ihr.

      „Kein Problem. Hast du neue Hefte?“

      „Liegen drüben im Regal.“

      Aiko wirft den Hello Kitty Rucksack auf Martins Bett. Auf dem Weg zum Bücherregal schlüpft sie aus den Flipflops. Dabei bemerkt Carl, dass sie die Fußnägel passend zur Frisur und den Fingernägeln pink lackiert. Er verfolgt Aiko für wenige Momente aus den Augenwinkeln. Das Mädchen setzt sich mit einem Manga auf die Couch. Sie blickt kurz zu Martin und Carl hinüber. Er sieht zu Boden. Sie grinst ihn daraufhin frech an. Aiko zwinkert ihm nochmals zu, als er wieder aufsieht. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, schlägt sie ihr Comic auf und beginnt darin zu schmökern. Genüsslich streichelt sie sich beim Lesen des Hefts im Schritt. Carl schüttelt unwillkürlich den Kopf. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf den Monitor.

      „Hast du einen Font gefunden?“, fragt Martin, der konzentriert in die Röhre starrt.

      „Wie gefällt dir diese Schrift?“

      Er blickt kurz auf Carls Monitor. Zögerlich betrachtet er den Schriftschnitt. Gedankenverloren lässt er den Stylus durch die Finger rotieren. „Findest du die Schriftart nicht zu freaky?“

      „Nein, die macht sich bestimmt gut auf Schwarz.“

      „Okay! Ich probier sie mal aus.“

      „Kann ich Vincent anrufen?“

      „Klaro, bedien dich.“

      Carl greift zu Martins Telefon. Nach mehrmaligen Klingeln hebt dessen Mutter am anderen Ende ab. „Ja, hier S.!“

      „Hallo, hier ist Carl C. Ist Vincent zu Hause?“

      „Ach hallo, Carl! Der war vorhin kurz hier. Ist dann aber gleich wieder gefahren. Ich glaube, er wollte etwas bei Martin abholen.“

      „Vielen Dank für die Information. Ich werde ihn dort treffen.“

      „Gern geschehen.“

      Carl legt auf und schiebt das Telefon zurück neben den Monitor. Martin bearbeitet die letzten Details. „Vincent ist bereits unterwegs.“

      „Hm“, murmelt Martin.

      „Wie sieht’s mit den Ausdrucken aus?“

      „Ich schmeiße sie gerade an.“ Der farbige Tintendrucker setzt sich behäbig in Bewegung. „Will jemand Bull oder Cola?“, fragt er in die Runde.

      „Nein danke, ich schwebe längst fünf Zentimeter über dem Boden“, entgegnet Carl.

      „Willst du etwas aus der Küche, Prinzessin?“

      „Ein Helles wäre lieb.“

      „Kriegst du.“ Gemächlich verlässt Martin das Zimmer. Aiko legt den Manga beiseite, um sich zu strecken. Da Carl sie nicht beachtet, geht sie zum Schreibtisch, wo er erste Designentwürfe für Flyer und Plakate begutachtet. „Was macht ihr Schönes?“, fragt sie.

      „Poster für unsere LAN-Party.“

      „Darf ich gucken?“

      Carl schiebt einen frischen Ausdruck in ihre Richtung. Sie nimmt das Blatt mit dem bunten Entwurf in die Hände.

      „Schaut nett aus, aber ich verstehe kein Wort davon.“

      „Dann bist du leider kein Computerfreak!“

      „Zum Glück!“ Aiko tritt einen weiteren Schritt an Carl heran, sodass sie in beinahe berührt. Er riecht den intensiven Duft des süßlichen Parfums. „Martin hat erzählt, dass ihr Leute braucht, die bei eurer Party mithelfen.“

      „Wir benötigen noch ein paar Jungs für die Security.“

      „Habt ihr auch einen Job für ein Mädchen? An der Kasse oder der Bar oder so?“

      „Möglicherweise.“

      „Möglicherweise?“

      „Du musst über achtzehn sein, da es sich um Nachtarbeit handelt.“

      „Schade!“,