Jo L.L. Roger

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Ich sag nur, dass Brigitta andere Interessen als die meisten deiner Freundinnen hat.“

      „Du musst wirklich noch einiges über Frauen lernen, wenn du nicht den Rest des Lebens als Single herumlaufen willst.“

      „Glaub mir! Brigitta ist tatsächlich völlig anders als Kiki oder eine deiner Frauengeschichten. Mit ihr ist es beinahe wie mit euch Jungs, da sie genauso verrückt nach Computern ist.“

      „Selbst wenn das stimmt, gewöhn dir an sie zu hofieren. Es wird ihr gefallen, da sie trotz allem eine Frau ist, auch wenn du das nicht wahrhaben willst.“

      „Ich werd’s versuchen“, seufzt Carl.

      „Außer sie ist wirklich wie einer von uns und hat ein Ding in der Hose, dann ignorier einfach, was ich gesagt habe.“

      Entsetzt starrt Carl seinen Schulfreund an, während Martin loslacht. Vincent grinst breit. Erst als es an der Haustür klingelt, versucht sich Martin zusammenzunehmen. Mit gerötetem Wangen eilt Carl zur Wohnungstür.

      0b0001011: [Untauglich]

      Schwungvoll bremst Carl sein Fahrrad vor dem Elternhaus ab. Er hebt das Mountainbike auf den Gehweg und kettet es am hölzernen Gartenzaun fest. Mit geschultertem Rucksack eilt er ins Haus. „Carl? Da ist Post für dich gekommen!“, ruft seine Mutter aus der Küche.

      „Was gibt’s denn?“

      „Ein Brief vom Kreiswehrersatzamt!“

      „Na und?“

      „Das wird deine Einberufung sein. Jetzt fängt bei dir endlich der Ernst des Lebens an.“

      Carl sucht den Brief aus dem Stapel mit der ungeöffneten Post. Seine Mutter, gekleidet wie eine Hausfrau aus den Fünfziger Jahren, steht in der Küchentür. Sie überwacht, ob er das Schreiben tatsächlich liest. Vorsichtig öffnet er das Kuvert mit dem Haustürschlüssel.

      „Wann geht es los?“

      „Mama! Vielleicht lässt du mich den Brief erst lesen?“

      „Ja, natürlich!“

      Er wirft seiner Mutter einen mürrischen Blick zu, bevor er das dünne Papier auseinanderfaltet. Nachdem Carl die ersten Zeilen gelesen hat, hellt sich seine Miene auf. „Ich bin ausgemustert worden. Wird wohl nix mit dem Komasaufen beim Bund.“

      „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“

      „Hier steht es schwarz auf weiß. Ich bin nicht tauglich für den Dienst an der Waffe und werde auch später nicht mehr dazu herangezogen.“

      „Das muss ein Irrtum sein, mein Sohn ist kerngesund und kein Krüppel.“

      „Kein Irrtum.“

      „Steht da der Grund für die Ausmusterung?“

      „Nicht im Detail, aber mir soll’s recht sein. Ich hätte sowieso verweigert.“

      „Aber ... aber das geht doch nicht. Du musst dagegen Einspruch erheben, die können dich doch nicht für den Rest des Lebens brandmarken!“

      „Geht’s noch? Du solltest dich wenigstens ein bisserl für mich freuen, dass ich keine elf Monate bei dem Verein absitzen muss, sondern etwas Sinnvolles machen kann.“

      „Das hätte dir gut getan. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das deinem Vater beibringen soll. Der wird bestimmt enttäuscht sein!“

      „Dann soll er enttäuscht sein! Der Kalte Krieg ist vorbei, wir haben gewonnen und die Russen sind wieder daheim in Russland.“

      „Du hörst dich fast wie einer von der SED an.“

      „Bitte? Es ist nicht gerade so, dass ihr begeisterte CSU-Wähler seid.“

      „Das ist doch etwas anderes. Man kann hier in Bayern eben nur diese katholischen Fanatiker wählen, wenn man Patriot ist.“

      „Dann wählt ÖDP, die sind konservativ und mögen auch noch Blumen.“

      „Mach dich mal nicht über deine Eltern lustig.“

      „Ist schon gut, Mama.“

      „Bitte bring es Papa schonend bei. Er sieht es nicht gerne, wenn wir Eltern als Versager vor der Verwandtschaft dastehen.“

      „Dann sag du es ihm. Ich fahr jetzt erst mal zu meiner Freundin.“

      „Erzähl ihren Eltern bloß nicht, dass du minderwertig bist.“

      „Mama! Hör mit dem Unsinn auf.“

      „Ich sag’s nur. Am Ende will sie nichts mehr von dir wissen.“

      Carl dreht sich auf dem Absatz um. Kopfschüttelnd geht er zur Treppe, ohne seine Mutter zu beachten. Im Zimmer angekommen wirft er den Rucksack auf das Bett. Schwerfällig lässt er seinen Körper in den Bürostuhl fallen. Für einen Moment starrt er auf die Tastaturen vor den Monitoren. Er schüttelt den Kopf, bevor er einen Monitor einschaltet und mit dem Stuhl Richtung Bett rollt. Aus dem Rucksack holt er einige CDs, die er mit zum Schreibtisch nimmt. Geduldig wartet er, bis das Bild auf der Röhre erscheint. Mit einer kurzen Mausbewegung unterbricht er den Bildschirmschoner. Nachdem ihm der Windowsdesktop zur Verfügung steht, kopiert er die erste Silberscheibe. Gemächlich rollt er mit dem Bürostuhl zum Telefon im Regal. „Hallo, Engelchen“, flüstert Carl beinahe. „Wie geht’s dir?“

      „Hi, Großer!“

      „Hast du einen Moment zum Reden?“

      „Na klar. Was ist los?“

      „Vincent nervt mich schon die ganze Woche wegen der deutschen Version von AutoCAD. Jetzt hat er irgendwo eine Version abgegriffen, die aber keinen Crack besitzt.“

      „Lass mich mal sehen, ob ich etwas Passendes herumliegen habe.“

      „Danke, du bist ein Schatz.“

      Carl hört, dass Brigitta am anderen Ende der Leitung flink auf die Tastatur eintippt. „Hab auf die Schnelle nur Sachen für die englische Fassung gefunden. Denkst du, BlitzKey sollte es mal versuchen?“

      „Ich vermute, dass es bereits einen Crack für die deutsche Version gibt. Das Programm ist schon eine ganze Weile draußen. Ich hatte nur gehofft, dass ich ihn nicht suchen muss.“

      „Ach so.“

      „Darf ich vorbeikommen?“

      „Jetzt?“

      „Meine Mum stresst momentan rum, nachdem ich meinen Musterungsbescheid erhalten habe. Irgendwie wäre ich jetzt lieber bei dir, anstatt mir anhören zu dürfen, dass ich als Sohn versagt habe.“

      „Oki! Ich bin gerade am Coden, also lass dir ruhig Zeit.“

      „Etwas fürs Studium?“

      „Nein, nein! Ist eine Überraschung.“

      „Jetzt bin ich aber neugierig!“

      „Ich verrate nichts, sonst ist es keine Überraschung mehr.“

      „Hab schon verstanden. Bin in einer guten Stunde bei dir.“

      „Bis dann!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, legt Brigitta auf. Carl erhebt sich, geht zum Schrank und sucht ein frisches T-Shirt. Nachdem er sich umgezogen hat, packt er einige der CDs in den Rucksack. Für alle Fälle holt er eine Festplatte aus dem Regal.

      * * *

      Brigitta lässt ihren Freund lange Momente vor der Zimmertür warten, bevor sie ihm öffnet. Sie trägt nur Shorts und T-Shirt. „Hallo!“

      „Hallo, Engelchen, bist du sehr beschäftigt?“

      „Es geht so, ich musste meinen Lover noch unterm Bett verstecken.“

      Carl schaut sie verwirrt an.

      „Du hast heute aber gar keinen Humor?“, fragt