Jo L.L. Roger

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Essstäbchen aneinanderzuschlagen, scheitert jedoch kläglich. Entnervt wirft er die dünnen Hölzer auf den Fußboden. Brigitta lacht laut los. „Das müssen wir noch ein bisserl üben.“

      Behutsam holt Carl ein Avocado Maki mit den Fingern aus der Box. Er bietet es ihr an. Während er es in ihren Mund schiebt, berührt sie seine Fingerspitzen zärtlich mit der Zunge. „Wie viele PCs hast du eigentlich?“, fragt Brigitta mit vollem Mund.

      Carl hält inne. Er schließt kurz die Augen, um sie in Gedanken abzuzählen. „Fünf einsatzfähige Rechner, die halbwegs was taugen, und eine Kiste zum Basteln. Die Maschine kann man aber kaum gebrauchen, da die Hardware sehr alt ist.“

      „Du darfst gerne einen Computer bei mir in der Bude als Server unterstellen, falls das Gehäuse unter den Schreibtisch passt.“

      „Das würdest du machen?“

      „Warum nicht? Ich bräuchte selbst einen Server, da ich auf meiner Linuxkiste programmiere. Dabei nervt es ziemlich, wenn das ganze andere Zeug im Hintergrund läuft.“

      „Dann besorge ich ein paar große Platten, damit wir so gut ausgestattet sind wie die professionellen Release Groups in den Staaten.“

      „Hahaha! Dazu braucht es mehr als einen Server!“

      „Es ist zumindest ein Anfang, oder?“

      „Klaro! Unser FTP benötigt aber noch einen coolen Namen, falls wir in der Profiliga mitspielen wollen.“

      „Wie wär’s mit TerraStar?“

      „Klingt nicht übel!“

      „Dann brauchen wir auch frischere Warez als das Zeug aus dem PC-Laden.“

      „Mach dir da mal keine Sorgen, sobald der FTP-Server läuft, kommen die bestimmt von selbst.“

      Carl lächelt Brigitta verliebt an. Zärtlich schiebt er ihr das letzte Avocado Maki in den Mund.

      0b0001010: [Business unusual]

      Die dunkelblaue E-Klasse stoppt vor einem der gepflegten Reihenhäuser. Vincent steigt aus. Wie immer trägt er Hemd und Jackett, doch anstatt der Jeans hat er heute die dazu passende Stoffhose angezogen. Gemächlich trottet er zur Haustür der Nummer 79 und drückt die Klingel. Während er wartet, betrachtet er die Blumenbete im Vorgarten. Die Pflanzen stehen militärisch in Reih und Glied. Hinter der Tür hört er Schritte, dennoch dauert es einige Momente, bis ihm Carl in Shorts und T-Shirt öffnet.

      „Guten Morgen!“

      „Hey, Vincent!“

      „Bist du bereit?“

      „Ähm, nö. Es ist noch mitten in der Nacht.“

      Vincent grinst ihn spöttisch an. „Es ist kurz vor neun Uhr. Falls du dich erinnerst, hatten wir früher um diese Zeit Schule.“

      „Das halte ich für ein Gerücht.“

      „Brauchst du lange?“

      „Gib mir zwei Minuten oder so“, erwidert Carl, der die Haustür schließt. Kopfschüttelnd schlendert Vincent zum Mercedes zurück. Er stoppt vor der Beifahrertür und betrachtet seine Spiegelung in der Seitenscheibe. Selbstverliebt fährt er sich durch die Haare. Aus einer Jackentasche holt er eine Krawatte, die er mit einem doppelten Windsorknoten bindet. Ungeduldig schaut er auf die Haustür, hinter der Carl etwas macht, das er lieber nicht im Detail wissen möchte. Gelangweilt schlurft er zur Fahrertür des Benz. Carl stürmt mit einem Rucksack aus dem Haus in Richtung Mercedes und steigt ein. „Ich bin so weit“, keucht er.

      „In Ordnung!“, grinsend mustert Vincent seinen Freund, der in schwarzen Jeans und T-Shirt neben ihm sitzt und eine Sonnenbrille aus dem Etui fischt. „Dir ist hoffentlich bewusst, was heute für ein Tag ist?“

      „Dienstag. Wieso fragst du?“

      „Na ja!“ Vincent stößt einen langen Seufzer aus. „Irgendwie wirkst du etwas underdressed.“

      „Du vergisst, dass ich bei den Kundengesprächen den hippen Kreativen darstelle, damit du als seriöser Verkäufer rüberkommst.“

      „Das meinte ich jetzt nicht“, erwidert Vincent, der die E-Klasse in Bewegung setzt. „Willst du danach so in die Schule gehen?“

      „Ja! Glaubst du etwa, dass ich mir eine Krawatte umbinde?“

      Der Mercedes parkt direkt vor dem Eingang eines Bürogebäudes am Rande des großflächigen Firmengeländes. Vincent und Carl sind die einzigen Gäste auf den Besucherparkplätzen. Einige Angestellte in Anzügen rauchen vor dem Seiteneingang. „Dann schauen wir mal, ob sie angebissen haben“, seufzt Vincent.

      „Vermutlich! Sonst hätte der Typ keinen Termin ausgemacht.“ Die beiden steigen aus der E-Klasse und gehen zum Haupteingang. An der Empfangstheke spricht Vincent die jüngere der beiden Damen an: „Guten Morgen! Wir haben einen Termin mit Herrn Weishaupt.“

      „Guten Morgen! Nehmen Sie doch einen Augenblick Platz.“ Die schlanke Brünette deutet auf ein bequemes Ledersofa gegenüber der Theke. „Herr Weishaupt ist momentan noch in einer Besprechung, aber ich denke, dass er in einigen Minuten für Sie Zeit haben wird.“

      „Wunderbar!“, erwidert Vincent.

      „Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit einen Kaffee anbieten?“

      „Nein danke!“ Gemächlich schlurfen die beiden zur Couch. Vincent flüstert Carl zu: „Ich glaub, die steht auf dich? Hast du gesehen, wie sie dir auf den Arsch geguckt hat.“

      „Auf so etwas achte ich ehrlich gesagt nicht.“

      „Solltest du aber! Selbst wenn es mit deiner Computermaus noch gut läuft, ist es nie verkehrt, weitere Optionen im Auge zu behalten. Schließlich könnte es dir mit ihr irgendwann wie mit Kiki ergehen.“

      „Spinnst du? Ich werde mir nach zwei Monaten mit Brigitta doch keine andere suchen.“

      „Die kleine Computermaus hat es dir angetan?“

      „Das kannst du laut sagen“, erwidert Carl.

      „Dann kundschafte ich aus, ob das Schneckchen am Empfang Interesse an meinem knackigen Hintern hat.“

      „Hast du mit Claudia Schluss gemacht?“

      „Noch nicht! Sie nervt mich aber, weil sie unbedingt mit mir zusammenziehen will.“

      „Verstehe.“

      Die Empfangsdame nähert sich den beiden, sodass Vincent verstummt, um sie mit einem gekünstelten Lächeln anzugaffen.

      „Herr Weishaupt hat nun Zeit“, erklärt sie den Besuchern.

      „Vielen Dank!“, antwortet Vincent. Die jungen Männer stehen auf und folgen ihr durch einen Korridor. Vincent behält ihr attraktives Hinterteil im Visier, während Carl fasziniert das Muster des Linoleumbodens begutachtet. Die Dame klopft an einer Tür, öffnet diese und bittet die beiden mit einer freundlichen Geste hinein.

      Im Raum sitzt ein Enddreißiger hinter einem sterilen Schreibtisch, auf dem nur ein einsamer alter Macintosh Computer im beigefarbenen Gehäuse steht. Sofort begrüßt sie der Marketingleiter per Handschlag. „Schön Sie wiederzusehen, meine Herren!“

      „Die Freude ist ganz auf unserer Seite“, erwidert Vincent.

      „Nehmen Sie doch Platz!“ Herr Weishaupt deutet auf einen runden Tisch mit Designerstühlen am anderen Ende des Büros. „Ich habe die drei verschiedenen Entwürfe der Website ausführlich studiert und bin von Ihren Designideen absolut begeistert.“

      „Das freut uns zu hören!“, bedankt sich Vincent. „Wir sind natürlich sehr neugierig, wie Sie sich die zukünftige Präsenz im World Wide Web vorstellen.“

      Herr Weishaupt öffnet eine Mappe und breitet mehrere farbige Ausdrücke des Designentwurfs auf dem Konferenztisch aus. „Das