Jo L.L. Roger

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Kunden sehr strikte Vorgaben Ihrer Corporate Identity haben, ist es oft aufwendig, ein Printlogo ansprechend im Web umzusetzen.“

      „Das wollen wir natürlich vermeiden. Schließlich sollen unsere Kunden sehen, dass wir nicht nur mit unserem KFZ-Zubehör innovative Wege gehen, sondern auf der ganzen Linie ein modernes Unternehmen sind.“

      „Sollen wir diesen Entwurf exakt umsetzen oder haben Sie daran Änderungswünsche?“, hakt Carl nach.

      „Einige kleine Vorschläge hätte ich in der Tat. Können wir uns farblich ein wenig mehr am Thema Ferrari orientieren, damit die Besucher der Seite unser Unternehmen sofort mit dem Rennsport assoziieren?“

      „Selbstverständlich können wir die Farbpalette entsprechend variieren.“

      „Großartig! Ich sehe, wir verstehen uns“, lobt Herr Weishaupt erneut. Geschäftig blättert er durch die farbigen Ausdrucke des Designentwurfs. Carl notiert unterdessen die Änderungswünsche. Der Marketingleiter deutet auf ein Ampelsymbol. „Wäre es möglich, diese Statusampel mit einer Animation aufzupeppen?“

      „Das ist kein Problem“, entgegnet Carl mit einem verwunderten Gesichtsausdruck.

      „Das würde mir persönlich sehr gut gefallen, da es so etwas Multimediales rüberbringt“, schwärmt Herr Weishaupt.

      „Wunderbar!“, versucht Vincent die Unterhaltung abzukürzen. „Dann benötigen wir eigentlich nur Ihre schriftliche Auftragsbestätigung für den gewünschten Designentwurf, damit wir sofort beginnen können“.

      „Außerdem brauchen wie eine digitale Fassung des Produktkatalogs, der online gestellt werden soll“, ergänzt Carl.

      „Selbstverständlich, meine Herren!“ Der Marketingleiter steht auf und druckt den Auftrag am Mac aus. Nach einigen Tastenanschlägen und Mausklicks hören die Jungunternehmer das penetrante Hämmern eines Nadeldruckers. Die beiden sehen sich amüsiert an. Herr Weishaupt unterschreibt den Ausdruck feierlich und übergibt ihn mit einer CD-ROM an Vincent. „Wir sind über die Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen und das entgegengebrachte Vertrauen hocherfreut“, bedankt sich Vincent. Er steht auf, um Herrn Weishaupt die Hand zu schütteln. Carl steckt Auftragsbestätigung und CD zusammen mit seinem Block in den Rucksack, bevor er ihm ebenfalls die Hand schüttelt.

      „Dann sehen wir uns spätestens zur Präsentation der ersten digitalen Version. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“, verabschiedet der Marketingleiter die beiden. Entspannt kehren die jungen Männer auf den Parkplatz zurück. „Oh mein Gott, war das einfach“, stellt Carl im Wagen fest.

      „Hatte ich dir doch gesagt, dass diese Typen alle keine Ahnung vom Web haben. Ein bisserl mit Buzzwords um dich werfen und schon fressen sie dir aus der Hand.“

      „Ich hab das Gefühl, ich muss mich nach dieser Grütze erst mal duschen.“ Das Grinsen verschwindet von Carls Gesichtszügen. „Wie spät haben wir es?“

      „Keine Panik, wir werden pünktlich sein“, versichert ihm Vincent und lässt den Motor an.

      * * *

      Die Parkplätze vor dem Gymnasium sind vollständig belegt, sodass Vincent die Seitenstraßen des angrenzenden Wohngebiets durchkämmt. Einige Hundert Meter weiter findet er schließlich eine Parklücke. Gemeinsam mit Carl schlendert er in Richtung Schule. „Du hättest wirklich etwas anderes Anziehen sollen.“

      „Glaubst du etwa, dass ich einen Anzug besitze?“, fragt Carl.

      „Nein, aber zumindest ein dunkles Hemd statt des T-Shirts sähe besser aus.“

      „Möglicherweise.“ Auf dem Weg zur Aula bemerken sie einige Klassenkameraden in Anzügen und eleganten Kleidern. Teils flankiert von ihren Eltern eilen diese ebenfalls zum Gymnasium. Vor dem verschlossenen Eingang zur Aula stehen Grüppchen von Schülern, Eltern und Lehrern, die sich ungezwungen miteinander unterhalten, rauchen und erste Fotos machen. Als Carl seine Freundin bemerkt, die verloren neben der Treppe steht, eilt er zu ihr. „Hallo, Brigitta, warum trägst du ein Kleid?“

      „Gefällt es dir nicht?“, entgegnet sie.

      Er tritt einen Schritt zurück, um sie von oben bis unten in dem dunklen Kleid zu mustern. „Es steht dir, aber du siehst irgendwie anders aus.“

      „Ich hätte mehr Make-up benutzen sollen, oder?“

      „Nein, das ist es nicht. Hosen stehen dir einfach viel besser.“

      „Ich wollte dir damit nur eine Freude bereiten.“

      Mit einem verlegenen Lächeln geht er einen Schritt auf sie zu und legt die Arme um sie. Er drückt sie zärtlich an seinen Körper. „Dass du überhaupt gekommen bist, freut mich.“

      „Oki!“

      „Noch immer frisch verliebt, wie am ersten Tag“, stellt Vincent amüsiert fest. „Du solltest deinem Freund die Leviten lesen, dass er in Jeans und T-Shirt zur Vergabe der Abizeugnisse geht.“

      „Ich find’s nicht schlimm.“

      „Wenn man ihn kennt, ist’s in Ordnung, aber was denken die Anderen darüber?“

      Verunsichert zuckt Brigitta mit den Schultern.

      „Ich mach mich mal auf die Suche nach meiner Alten. Wir sehen uns später!“ Vincent kämpft sich durch das Getümmel zu Claudia, die im eleganten Abendkleid mit ihren Eltern wartet.

      „Kommen deine Eltern auch?“, fragt Brigitta.

      „Hab’s meiner Mum nicht gesagt und auf meinen Dad habe ich sicher keine Lust.“

      „Schade eigentlich.“

      „Ich bezweifle, dass es meine Mum interessiert. Die war vorhin mehr mit der Frage beschäftigt, ob sie das Unkraut im Rasen hinter unserem Haus ausgerottet hat.“

      „Autsch!“

      Nachdem der Konrektor die Türen zur Aula öffnet, bewegen sich die ersten Abiturienten gemächlich hinein. Brigitta und Carl warten, bis das Gedränge vor den Türen abklingt. Auf dem Weg in den Saal treffen sie Martin, der ebenfalls ohne Eltern erschienen ist. „Hallo, Mr. Pixel!“, begrüßt ihn Brigitta.

      „Hallo, ihr beiden. Ich dachte schon, ich bin zu spät.“

      „Bist du ganz allein hier?“

      „Mein Vater hat aufgrund seiner Schichtarbeit keine Zeit.“

      „Was ist mit deiner Mutter?“, hakt Brigitta nach.

      „Die lebt nicht mehr“, flüstert er.

      „Oh! Das wusste ich nicht. Ich hoffe, die Frage war nicht ...“

      „Ist schon in Ordnung“, unterbricht Martin. „Du konntest es nicht wissen.“

      Gemeinsam suchen sie sich Plätze im hinteren Teil des Auditoriums. Carl legt den Arm um Brigitta. Gelangweilt verfolgen sie die überschwänglichen und teils von Pathos triefenden Ansprachen des Rektors, des Konrektors, der Oberstufenbetreuer, der Elternvertreter und schließlich der Kollegstufensprecher. Nach den Reden beginnt der Schulleiter mit der Vergabe der Zeugnisse. Als Carls Name fällt, eilt er zum Rednerpult. Dort bekommt er das Zeugnis mit einem kräftigen Handschlag ausgehändigt. Ohne die feierliche Atmosphäre zu teilen, kehrt er zu Martin und Brigitta zurück. „Endlich ist es vorbei!“

      „Jetzt fängt der richtige Mist erst an“, entgegnet Martin.

      „Mal sehen. Wenigstens muss ich keine Zeit mit Dingen verschwenden, die mich zu Tode langweilen.“

      „Du bist heute aber bis über beide Ohren optimistisch“, frotzelt Martin.

      „Bin ich! Wollen wir abhauen, sobald du dran warst?“

      „In Ordnung! Sollte nicht mehr lange dauern.“ Nachdem sein ehemaliger Klassenkamerad das eigene Zeugnis in Händen hält, schleichen sich die drei jungen Leute aus der Aula. Auf den Stufen treffen sie einige ehemalige Mitschüler, die es ihnen gleich