Ralph Scheible

Starknebel auf der Autobahn


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wir machen eine Zeitreise ohne Warp Antrieb, auf allen Vieren. Alles klar?« »Ohne was?« fragt Sven völlig verdattert. »Ohne Warp, das ist der Antrieb für Raumschiffe im interstellaren Raum, also mit Überlichtgeschwindigkeit. Wir gehen aber einfach zu Fuß, weil wir sowieso keinen Führerschein haben. Nun mach schon« »Ach so, ja nee is klar. Du wirst nicht zufällig beobachtet oder gefilmt? Nicht dass wir noch in der Klapse landen?« fürchtet sich Sven nach dem Motto, Humor muss nicht immer lustig sein. »Quatsch, wir gehen doch einfach nur in eine andere Zeit« ist sich Max sicher. »Na gut, aber du gehst zuerst. Und wenn es dort kein Bier gibt? Wenn ich im Mittelalter herauskomme und diese schweren Schwerter schleppen muss?« fragt Sven, der das Ganze sowieso für reinen Stuss hält. »Klar gibt es dort Bier, Bier hat es schon immer gegeben. Und bei deinem Glück wirst du kein berühmter Ritter sein, sondern eher in der Matsche waten und betteln. Ich gehe dann mal los« und Max ist weg. Sven steht mit aufgerissenem Maul ungläubig da, und probiert es jetzt auch. Max findet sich, mit nur einem hellen Tuch bekleidet, in sengender Sonne wieder. Die Erde ist schwarz und sieht aus wie nach einer großen Überschwemmung. Keine Autos, keine Flieger, überhaupt keine Motorengeräusche oder ähnliches sind zu hören. Ein paar Leute, die ebenso bekleidet sind wie er selbst, machen sich mit einfachen Hacken im Schlamm zu schaffen. Ganz hinten am Horizont ist eine verschwommene Sphynx zu sehen. Auch Pyramiden kann er erahnen. Auweia, bin ich als Bauer am Nil gelandet? Dreitausend Jahre vor Christi, unglaublich, stellt Max entsetzt fest. Wie sprechen die da überhaupt? Altägyptisch womöglich? Max latscht zu den anderen Bauern hinüber um es herauszufinden. »Hallo Kollege« quatscht er den nächstbesten an. »Hi« antwortet der Kollege. »Du sprichst aber ein geschwollenes Ägyptisch. Wo kommst du den her? Wie heißtn du?« »Ich heiße Max, wo ich herkomme ist schwer zu sagen« »Mein Name ist Sethos, habe schon immer am und vom Nil gelebt. Diese Überschwemmungen sind ein wahrer Segen für meinen Weizen. Baust du auch Weizen an?« »Ich? Weizen? Keine Ahnung. Ich…« möchte Max fortfahren, als plötzlich sein Handy klingelt. Mit einem »Ein Gott, ein Gott, ein Pharao inkognito« schmeißen sich plötzlich alle, die Hacken wegwerfend, unterwürfig auf den schlammigen Boden. »Hallo?« sagt Max mit zitternder Stimme. »Hey, wo bleibst du denn, ich sitze hier in einem lustigen Wirtshaus mit super Bier von Frauen gebraut. Gesungen wird da auch und musiziert. Ein halben Ochsen habe ich auch schon gegessen, mit bloßen Händen, nun komm schon, so übel ist das Mittelalter gar nicht« »Das geht nicht, ich bin ungefähr 4.500 Jahre von dir entfernt« schreit Max ins Telefon, der inzwischen umringt und verehrt wird. »Jetzt aber, du brauchst doch nur durch das Loch zu mir her kriechen« sagt Sven ungeduldig. »Das Loch? Das ist doch bei dir, hast du es nicht mitgenommen? « entsetzt sich Max. »Bei mir, wieso das denn? Wie kann ich es mitnehmen wenn ich erst hindurch muss und danach schon weg bin?« rechtfertigt sich Sven. »Du Idiot, du hast sie wohl nicht mehr alle. Jetzt kommen wir nie mehr zurück« schreit Max total verzweifelt. »Jetzt kollabiere nicht gleich, es ist doch toll hier, ganz nach meinem Geschmack« »Ich kollabiere nicht, ich wünsche dir die Pest an den Hals. Ich will nicht mein ganzes Leben mit einem Mobiltelefon im Schlamm verbringen. Völlig verschwitzt wacht Max auf seinem Sofa auf, wo er wohl eingeschlafen sein muss. Mist, nach den Kartoffeln rufend, rennt er in die Küche. Das Wasser ist verdampft, die Kartoffeln scheinen aber gar zu sein. Nochmal gutgegangen, nichts angebrannt. Nach diesem traumatischen Erlebnis ist ihm allerdings nicht so richtig zum essen zumute und er lehnt sich wieder gemütlich auf seinem Sofa zurück. So etwas passiert ihm hoffentlich nicht so schnell nochmal.

      Nachhaltigkeit

      Die Welt ist nachhaltig geworden. Jedenfalls hört Max das immer öfter aus dem Fernseher. Alles ist irgendwie nachhaltig, sei es eine Entschuldigung, oder ein Baum, oder eben alles. Die Realität zeigt uns stattdessen nachhaltige Hinterhältigkeit. Jedoch soll das niemand merken, nachhaltig und dauerhaft. Wahrscheinlich weil dann die alltägliche Gier mancher bekannten Personen und Firmen noch mehr am Pranger stehen würden. Nachhaltige Produkte, am besten mit Bio, verkaufen sich einfach besser und die Bevölkerung hat ein gutes Gewissen. Nachhaltigkeit klingt modern, cool und auch unproblematisch. Pangasius aus nachhaltiger Zucht hat doch etwas. Was mit den verseuchten und stinkenden Gewässern ist, erschließt sich kaum jemand, überlegt sich Max. Das Volk ist halt desinteressiert. Komischerweise wird auch nicht von nachhaltigen Urwaldrodungen berichtet, dafür aber von nachhaltigem Sojaanbau. Die Welt ist nachhaltig gierig und verrückt geworden, ist sich Max sicher. Woher kommt das Wort Nachhaltigkeit eigentlich? Da muss er Sven fragen, aber ohne von seinem Traum zu erzählen. »Schänkel, was gibt’s?« »Hallo Sven, ich habe da mal eine Frage. Kannst du mir sagen woher das Wort Nachhaltigkeit kommt?« »Na du kommst ja auf Ideen. Nachhaltig ist halt nachhaltig, was weiß ich. Das hat vielleicht mit den Fischen zu tun« »Ach so, weil es die im Gegensatz zum Schnitzel immer wieder gibt?« »Nein, eben nicht. Da geht es um illegale Fischerei und um unnötigen Beifang und Überfischung des gelben Thunfischs und Kabeljau und so weiter« »Beifang ist also so Zeugs wie Sardinen und Hering. Die dürfen im Wasser bleiben und die Fish Macs und Fischstäbchen dürfen zu uns nach Hause, während Thunfisch und Wal nach Japan dürfen? Alle anderen halten dann länger?« fragt Max. »So doch nicht. Es gibt ja nicht nur Meere und Aquakulturen. Zum Beispiel die Pyramiden in Ägypten« Hilfe, warum sagt Sven jetzt ausgerechnet Ägypten? Ahnt er doch etwas? Das kann nicht sein, das ist bestimmt purer Zufall. »Was ist mit den Pyramiden?« traut sich Max zu fragen. »Die sind schon vor ein paar tausend Jahren gebaut worden und stehen, mal abgesehen von den geklauten Außensteinen, immer noch. Sie haben Wind und Wetter und Erdbeben getrotzt, das heißt, die Pyramiden sind nach ihrem Bau haltig« »Aha, während diese Dachlattenhäuser in den USA bei jedem Windhauch davonfliegen, bleiben die Steinhäuser in Deutschland und anderswo in Europa, bei jedem Sturm stehen. Die halten ganz einfach, und die amerikanischen Häuser wachsen sozusagen nach, ohne Einbuße von Baumbestand, weil das Holz meistens aus Kanada kommt, oder direkt vom Urwald. Wie ist das dann mit nachhaltigen Entschuldigungen bei Politkern? Die sind quasi dauerhaft und ein Freibrief für alle nachkommenden Verfehlungen?« fragt Max. »Keine Ahnung, warum musst du immer alles so genau wissen? Vielleicht kommt das aus dem Englischen »sustainable developement« und bezeichnet eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der jetzigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist jetzt nicht von mir, sondern frei nach dem Brundtland-Bericht. Der Ursprung der Idee der Nachhaltigkeit tauchte erstmals in der deutschen Forstwirtschaft auf. Jetzt reicht es aber, habe heute noch kein einziges Bier getrunken. Was machst du nachher?« ist Sven schon leicht genervt. »Heute gehe ich bestimmt nicht mehr weg, muss mich noch von meiner letzten Reise erholen. Aber morgen früh könnten wir uns auf ein Bier oder zwei treffen, so ab zehn Uhr, nach meiner Physiotherapie. Was genau ist dieser Brundtland Bericht, das muss ich schon noch wissen« lässt Max nicht locker. »Oh je, du weißt anscheinend gar nichts. Dieser Bericht heißt Brundtland, weil die ehemalige Ministerpräsidentin Norwegens, Gro Harem Brundtland, in der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung den Vorsitz hatte. Dieser Bericht mit dem Titel >Our Common Future< von 1987 ist als Definition des Begriffs Nachhaltige Entwicklung bekannt und wurde deshalb als Brundtland Bericht bezeichnet. Nachhaltig ist heutzutage angesagt und modern, ob es Sinn macht oder nicht. Also dann, bis morgen. Tschüss« beendet Sven das Gespräch. Das reicht auch für heute, diese akademischen Schänkelgespräche sind schon recht anstrengend für Max.

      Rom ruft, das Kolosseum möchte noch gebaut werden und zum Glück kommen da keine Pyramiden vor, hofft er. Das wäre auch etwas seltsam für Rom ohne den Nil. Im Hintergrund, aber noch gut zu hören, rappelt das Fernsehgerät und Max hört etwas vom Automotorrad. Das muss er dann doch mal anschauen um herauszufinden was das nun wieder sein soll. Aha, Hanna Balken zeigt einen Restaurator für alte Motorräder mit Beiwagen. Die heißen, weil es ihr wohl niemand anders gesagt hat, einfach Automotorräder. Da taucht bei Max die Frage auf, ist das ein Automotor mit Rädern? Oder wie kann man das jetzt zum Beispiel kleinen Kindern richtig erklären? In der Sendung mit der Maus würde das dann etwa so klingen: »Das da vorne ist die Frau Balken vom Fernsehen und weiter hinter ihr, der Mann mit dem ölverschmierten blauen Anzug, das ist der Reparierer. Und links neben dem Reparierer steht ein gaaanz altes Motorrad. Das hat so ein komisches Ding aus Blech an der einen Seite. Karl Blaumann, der Reparierer oder Schrauber wie er sich selbst nennt, hat viele Schraubenschlüssel in seiner Hütte. Neben der Hütte stehen so komische blaue Flaschen aus Metall mit so Schläuchen